Es gibt schon wieder eine Kurz-Doku - FALTER.maily #1197
Hierzulande liegen Satire und Realität eng beieinander. Die Kurz-Film-Posse ist so ein Beispiel. Nachdem die Produktionsfirma eines PR-Films ...
Der FALTER macht jetzt auch Journalismus live (FALTER)
Kürzlich hat ein sehr erfahrener Kollege (er ist pensioniert, sein Name tut nichts zur Sache) auf Twitter einen interessanten Artikel geteilt. "Nobelpreisträger widerspricht Klimawandel-Narrativ: Etwas ganz Wichtiges wurde ignoriert", stand da in der Headline geschrieben.
Weil der vertraute Kollege den Artikel teilte, klickte auch ich ihn an. Und tatsächlich, da stand es. Der Quanten-Physiker John F. Clauser (er bekam den Preis gemeinsam mit Anton Zeilinger) bezweifelt den Konsens der Wissenschaft. Wieso las ich darüber nichts in den "Mainstream-Medien"? Wird da etwas vertuscht?
Ich las den Bericht genauer und wurde immer skeptischer. Der Text erschien in einem Medium namens "Epoch-Times", das in Aufmachung und Design wie ein Qualitätsmedium wirkt. Nicht einmal für meinen erfahrenen Kollegen war zu erkennen, dass "The Epoch Times" in Wahrheit kein Qualitätsblatt war, sondern ein vor allem in rechtsextremen Kreisen beliebtes chinesisches Fake-News-Medium der Falung Gong-Bewegung.
Es wirbt zwar mit der "Rückbesinnung zum wahrhaftigen, traditionellen Journalismus", doch im Fall Clauser hatte es nur eine schlappe "One Source-Stories" zu bieten. Der Mann wurde zitiert, aber kein Kritiker seiner Theorie kam zu Wort. Es gab auch keinen "Re-Check", kein Reporter stellte dem Mann kritische Fragen. Auch dass Clauser zum Klimawandel gar nicht forschte und stattdessen im Beirat der industriefinanzierten CO2 Coalition steht, wird nicht offengelegt. Der Gründer der Organisation, William Happer, setzte in einem Interview "die Dämonisierung von Kohlendioxid" mit der "Dämonisierung der armen Juden unter Hitler" gleich. Nur in einem Nebensatz wird angedeutet, dass Clauser die Ziele dieser Industrie-Lobby teilt.
Vor zwanzig Jahren wäre so ein Artikel vielleicht in Form eines dubiosen Hefterls verbreitet worden. Heute verbreitet er sich zigfach durch einen Klick.
Der erfahrene Kollege hatte seinen Tweet mit dem Link zu dem Artikel dann sehr schnell und kommentarlos gelöscht. Experten hatten ihn auf Twitter darauf aufmerksam gemacht, was er da verbreitet.
Ich gestehe, mir ist genau das auch schon passiert. Ich habe Artikel geteilt, weil ich Fake-News Plattformen auf den Leim gegangen bin. Es ist mir peinlich und es ist gefährlich. Denn nicht nur teilt man damit jenen Unsinn, der sich in Whats-App Gruppen schneeballartig verbreitet. Man beschädigt auch seine eigene Rolle als Journalist.
Seit Corona wissen wir ja: Als Journalisten müssen wir verdammt aufpassen, nicht jenen auf den Leim zu gehen, die sich als "Dissidenten" oder Querdenker verkleiden, sich in Wahrheit aber einfach nur wichtig machen (weil sie Bücher verkaufen wollen oder nach Klicks gieren). Zugleich müssen wir offen sein für neue Gedanken.
Genau diese Arbeit des Re-Checks aber kostet Zeit und daher Geld. Doch das Geld fehlt. Weil Leser:innen nicht mehr zu zahlen bereit sind, weil Unternehmen in der Krise Inserate kürzen und weil die digitale Werbung von großen Social-Media Giganten und Google zum Diskontpreis angeboten wird.
Dazu kommt, dass sich Parteien ihre eigenen Propaganda-Kanäle aufgebaut haben, die es sich förmlich zum Ziel gesetzt haben, unsere Arbeit aber auch unsere Integrität zu diskreditieren. Die Propaganda flottiert, der Journalismus leidet.
Gibt es Auswege aus der Krise? Der FALTER will darüber diskutieren. Am 1. Oktober um 11h wollen wir im Stadtsaal Wien zum ersten Mal die "FALTER Arena" starten, Journalismus auf der Bühne.
Wir wollen vor und mit dem Publikum darüber reden, wie Journalismus in Krisenzeiten (nicht) funktioniert, welche Fehler wir machen, wieso wir so stark attackiert werden und welche Überlebenschancen wir in einer sofortistischen und von Social Media-Takes und Propaganda gefluteten Welt noch haben.
FALTER-Politikchefin Eva Konzett präsentiert in einem kurzen Einführungs-Talk mit Raimund Löw unsere Recherchen zum Thema. Dann diskutiert Raimund mit ZiB2-Anchorman Martin Thür (ORF), dem deutschen Medienkritiker Stefan Niggemeier (Übermedien), der NZZ-Redakteurin Meret Baumann und mir über die Krise und die Chancen des Journalismus. Die Musikerin Anna Mabo wird spielen.
Es wird hoffentlich eine selbstkritische und zugleich hoffnungsfrohe Matinee. Kommen Sie vorbei, diskutieren Sie mit. Karten gibt es hier.
Ihr Florian Klenk
Herbert Kickl will "Volkskanzler" werden, wie er es nennt, und das Land umbauen. Die Zerstörung der liberalen Demokratie geht dank unserer Verfassung leichter als gedacht. Barbara Tóth hat sich angesehen, wie ein – erschreckend kurzer – Fahrplan in eine autoritäre Republik aussehen könnte.
Mit welch dreisten Methoden der aktuelle Bundeskanzler Karl Nehammer die Ermittlungen in der Inseratenaffäre verzögert und was die Gründe dafür sein könnten, lesen Sie hier.
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Gäbe es einen Preis für den Titel der Woche, ginge er diesmal an das FALTER-Autorenteam, das in diesem Text fünf Fragen zur Zukunft der Arena beantwortet hat. Die Wiener Kulturinstitution sieht sich mit Lärmbelästigungsbeschwerden von Bewohnern der neuen Wohntürme in ihrer Umgebung konfrontiert. Der Artikel trägt den schönen Titel "Die Ruhe vor dem Turm" und liest sich so gut wie er klingt.
Starke Nerven und geübte Lachmuskeln sind bei Slash gefragt. Das Wiener Festival für fantastischen Film startet am 21. September. Michael Omasta empfiehlt Ihnen, was Sie nicht versäumen dürfen. Nathalie Großschädl recherchierte, was auf der Vienna Design Week (22. 9. bis 1.10.) zu sehen sein wird. Das Festival fokussiert heuer auf den zweiten Bezirk. Die Zentrale der VDW und viele Ausstellungen befinden sich im ehemaligen magdas Hotel am Rande des Praters. Der Schauspieler Yul Brynner war auch ein leidenschaftlicher Fotograf. Eine Auswahl seiner Fotos zeigen wir Ihnen diese Woche im Leuchtkasten. Weiters bietet Ihnen die FALTER:Woche, wie immer, Kritiken, Hinweise und Empfehlungen zum Kulturleben der Stadt, kompetent und kompakt.
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