Droht ein „Rehmassaker" in der Donaustadt? - FALTER.morgen #286

Versendet am 18.03.2022

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Eine der am längsten dienenden Bezirksvorsteher geht in den Ruhestand: Ein Abschiedsgespräch mit Ilse Pfeffer >> Wie sich eine Falschmeldung über den Abschuss von Rehen in der Donaustadt verbreitete >> Wochenend-Event-Tipps >> Thurnher kocht Wilden Hopfen

Wetterkritik: Das Wetter ist in Wochenend-Stimmung. Heute noch etwas diesig (der Wüstenstaub, Sie wissen schon), ab morgen dann strahlend blauer Himmel bei rund 10 Grad.


Guten Morgen,

vorige Woche hat eine wahre Bezirkskaiserin ihren Rückzug bekannt gegeben. Die Hernalserin Ilse Pfeffer geht nach 20 Jahren in Pension. Vielleicht erinnern Sie sich ja, wir haben vor ziemlich genau einem Jahr mit Pfeffer unsere Serie zu den Bezirksexpeditionen gestartet, in der wir die Vorsteher mit den Problemen unserer Leserschaft konfrontieren. Übrigens, wenn Sie im 15. Bezirk leben und ein Anliegen an die Bezirksvertretung haben, antworten Sie uns gerne auf diese Mail.

Wir waren damals überrascht von den klaren Worten, die Pfeffer wählte (normalerweise hört man von Politikern ja viel Blabla). Diese Woche haben wir uns nochmal mit Pfeffer getroffen, um über ihre Amtszeit, Probleme mit dem Rathaus und ihre politischen Gegner zu sprechen. Das ganze Interview lesen Sie gleich.

Außerdem: In sozialen Medien kursieren Gerüchte über ein „Rehmassaker" in der Donaustadt – wir haben uns angeschaut, was dran ist. Spoiler: Nicht viel. Und Armin Thurnher läutet zumindest kulinarisch den Frühling ein.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Soraya Pechtl

PS: Ein Erratum zu unserer gestrigen Geschichte über die Strompreise: Der Strompreisindex hat sich innerhalb des letzten Jahres natürlich nicht verfünffacht, sondern verdoppelt - noch immer eine starke Steigerung. Verfünffacht hat sich der Gaspreisindex.


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„Ich gehe mit einem weinenden und einem lachenden Auge”

Ilse Pfeffer war eine der längst dienenden Bezirksvorsteher Wiens. Nach 20 Jahren legt die Hernalserin ihr Amt zurück. FALTER.morgen hat mir ihr über die Eigenheiten der Lokalpolitik, ihre politischen Gegner und die größten Herausforderungen der vergangenen zwei Jahrzehnte gesprochen.

Frau Pfeffer, Sie gehen nach 20 Jahren als Bezirksvorsteherin in Pension. Alle Parteien im Bezirk betonen, wie gut die Zusammenarbeit mit Ihnen war. Sitzen Ihre politischen Gegner eher im Rathaus? Immerhin bestimmt die Stadt wie viel Budget Sie bekommen. 

Pfeffer: Das Budget wird bestimmt. Das ist richtig. Aber die Bezirksbudgets werden ja nach einem gewissen Schlüssel aufgeteilt - nach Einwohnerzahl, Größe, Schülerzahl, und so weiter. Das Budget hast du zu verwalten und mit dem musst du auskommen. 

Ihr Parteikollege Gerhard Zatlokal aus dem 15. Bezirk hatte zuletzt das Problem, eine Verkehrsberuhigung beim neuen City-Ikea nicht schnell genug umsetzen zu können, weil der Bezirk die Kosten allein nicht stemmen konnte. Die Stadt hat die Mittel nicht so schnell freigegeben, wie er es sich gewünscht hätte. Kennen Sie solche Probleme? 

Pfeffer: Das kann natürlich sein. Wenn es Projekte gibt, bei denen die Stadt sagt, sie fördert sie nicht, wird es für den Bezirk schwierig. Keine Frage, dann stehst du natürlich allein da. Du könntest das Projekt zwar machen, aber meistens kann man es dann nicht komplett finanzieren. 

Gab es in Hernals in den letzten 20 Jahren einen ähnlichen Fall?

Pfeffer: Ich kann mich erinnern, wie die Kindergartenförderung von der Stadt Wien ausgelaufen ist. Wir hatten aber noch einen Kindergarten, der dringend zu sanieren gewesen ist. Das hätte um die 800.000 Euro gekostet. Ich bin natürlich hin und her gewandert in der Stadt und habe gefragt, kann man nicht doch etwas kriegen? Nein, das geht sich nicht aus. Diese Fördermaßnahmen sind weg, war die Antwort. Na gut, ich hab das nicht ganz eingesehen. 

Ilse Pfeffer übergibt am 24. März das Amt der Bezirksvorsteherin an ihren Stellvertreter Peter Jagsch © BV 17

Was haben Sie dann gemacht? 

Pfeffer: Na ja, ich habe von den unterschiedlichsten Fördertöpfen - für Barrierefreiheit, behindertengerechtes Bauen, Brandschutz, etc. - das Geld soweit zusammengetragen, bis das Projekt finanzierbar war. Aber das muss man halt wissen. Hätte ich das nicht gewusst, wäre ich auf dem Projekt sitzen geblieben. 

Da kann man als SPÖ-Politikerin nicht zu den Parteifreunden ins Rathaus gehen und fragen, ob die das Budget nicht doch genehmigen?  

Pfeffer: Nein, das konnte ich nicht.

Wenn Sie auf die letzten 20 Jahre zurückblicken, was war die größte Herausforderung als Bezirksvorsteherin? 

Pfeffer: Es hat viele Herausforderungen gegeben. Positive wie Negative. Womit fangen wir an? 

Dann fangen wir mit den negativen Herausforderungen an und schließen mit den positiven ab.

Pfeffer: Eine negative Herausforderungen war die Einführung des Parkpickerls im Jahr 2012. Was es hier an an Ängsten und Aggressionen der Bürger gab, nicht nur in Hernals, das war unbeschreiblich …

Hier geht es zum gesamten Interview.


Stadtgeschichten

Soraya Pechtl

Schuss nach hinten

In den Medien und auf sozialen Netzwerken kursieren Gerüchte über den illegalen Abschuss von Rehen in der Donaustadt. Ein „Rehmassaker” stehe bevor. Was ist dran?

Ein „Rehmassaker” kündige sich in Hirschstetten an, schreibt eine Leserin in einem Artikel auf MeinBezirk.at. Die Stadtstraße würde den Tieren ihren Lebensraum wegnehmen, weshalb sie die Stadt zum Abschuss freigegeben hätte. Auch die Kronen Zeitung berichtet von dutzenden besorgten Anrainern, die sich wegen „Schüsse vor der Haustüre” bei der Redaktion gemeldet hätten. Die Stadt habe den Abschuss der Tiere aber „vorerst gestoppt”. 

Was ist da los in Hirschstetten? 

Zuallererst: Es gibt kein „Rehmassaker” in der Donaustadt. „Das ist eine Falschinformation. Es wird nicht geschossen. Wir Jäger können in den dortigen Wildbestand auch nicht eingreifen, weil sich in Hirschstetten ein Jagdruhegebiet befindet. Dort wurde seit 25 Jahren nicht mehr gejagt”, sagt Bezirksjägermeister Thomas Schön. 

© APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Begonnen hat die Aufregung bereits vor ein paar Tagen mit Tweets der Bürgerinitiative Hirschstetten Retten (einer davon im gleichen Wortlaut wie der von der Krone zitierte Leserbrief). Zu sehen ist unter anderem das Bild eines toten (überfahrenen) Rehes mit dem Kommentar: „Die Zäune wurden entfernt und die Bäume gefällt. Das ist das Ergebnis! Alles für die sinnlose #Stadtstraße!” Oder „Schüsse auf die Rehe vor der Haustüre (…)”.

Das wäre brisant, weil bis Ende März eine Schonzeit für Rehe gilt – das heißt, die Tiere dürfen bis dahin gar nicht gejagt werden. Und was ist dann? 

Das Jagdruhegebiet in Hirschstetten ist in Privatbesitz. Eine Privatperson mit Jagdkarte hatte eine Abschussgenehmigung beantragt, weil es dort eine Überpopulation an Rehen gibt. „Jede Geiß bekommt durchschnittlich zwei Junge pro Jahr. Wenn die Tiere im geschützten Bereich leben, vermehren sie sich sehr stark. Es gibt keine Selektion”, sagt Bezirksjägermeister Schön. In solchen Fällen kann das Magistrat das Verbot, Tiere während der Schonzeit zu erlegen, aussetzen und das Wild zum Abschuss freigeben. Denn zu hohe Wildbestände können zu Inzucht führen, begünstigen die Ausbreitung von Krankheiten und schaden dem Wald. Zuletzt wurden etwa in der Lobau vermehrt Wildschweine geschossen, weil diese zunehmend zur Plage wurden.

Aber einen Abschuss wird es in in Hirschstetten vorerst trotzdem nicht geben. Die zuständige MA 58 will sich in den kommenden Tagen mit Experten zusammensetzen, um eine andere Lösung zu finden. Eine Überlegung ist laut Schön, die Tiere umzusiedeln.


Stadtnachrichten

Paul Sonnberger

Der März war bisher niederschlagsarm. Durch das Ausbleiben von Schnee und Regen ist der Boden bis in Tiefen von 20 cm ausgetrocknet - dadurch besteht akute Waldbrandgefahr. Als Konsequenz daraus verhängt die Stadt Wien ein Grillverbot an öffentlichen Grillplätzen. Auch das Rauchen ist in Waldgebieten und auf Wiesen der Stadt nicht erlaubt. „Sollten Sie während eines Spazierganges einen Waldbrand entdecken, alarmieren sie bitte sofort die Feuerwehr unter der Notrufnummer 122“, ersucht Forstdirektor Andreas Januskovecz

An diesen Plätzen und im Wald ist das Grillen ab sofort verboten © wien.gv.at


Die Wiener Grünen haben ihren Vorschlag für einen Schutzschirm gegen die allgemeine Teuerung vorgestellt. Der Plan beinhaltet folgende Punkte:

  1. Ein Energiegutschein für alle Wiener Einpersonenhaushalte in Höhe von 100 Euro und je 25 Euro für weitere Haushaltsangehörige

  2. Sechs Prozent Teuerungsausgleich bei der Wiener Mindestsicherung

  3. Drei Monate Gratis Wiener Öffi-Ticket

  4. Aussetzen der Mietanhebung durch Wiener Wohnen

  5. Erhöhung der Wiener Kindesmindestsicherung auf 284 Euro 

Umsetzen können die Wiener Grünen ihren Schutzschirm alleine nicht, sie sind ja in Opposition - der Entwurf liegt jetzt bei Bürgermeister Ludwig (SPÖ).


Der Urban-Loritz-Platz im 7. Bezirk bekommt eine neue Wohnstraße. Die seitliche Nebenfahrbahn zwischen Neubaugürtel und Kenyongasse wird in Zukunft nur noch fürs Zu- und Abfahren nutzbar sein. Die Wohnstraße soll die Aufenthaltsqualität im angrenzenden Urban-Loritz-Park erhöhen, sagt Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne).


Falter Radio

Innensicht und Außensicht auf Wladimir Putin

Wie der Kreml den Ukrainekrieg durchstehen will, darüber diskutieren die Russlandexpertin Nina Chrutschtschowa, Urenkelin des sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow und Steven Lee Myers, China-Korrespondent der New York Times im Gespräch mit Raimund Löw. Der Postcast ist ab morgen im FALTER-Radio zu hören.


Frage Des Tages

Wie viele Jägerinnen und Jäger gibt es in Wien?

1. 1.600

2. 3.800

3. 5.500

Auflösung von gestern: Der erste Vienna City Marathon fand im März 1984 (nicht 1989 oder 1992) statt.


Wochenend Events

Lisa Kiss

Theater

Wer darf wild sein? Ausgangspunkt von Sorour Darabis neuer Performance „Mowgli“ ist der gleichnamige Song des französischen Rap-Duos PNL. Dieser thematisiert die immer noch gängige Projektion des „Wilden“ auf die Körper von jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Darabi dreht den Spieß um: Im Stück geht es ums Wildwerden als Akt der Befreiung. (Sara Schausberger)

Tanzquartier, Fr, Sa 19.30 


Benefiz

Innerhalb kürzester Zeit stellte Veranstalter Ewald Tatar das Charity-Event „We Stand With Ukraine“ auf die Beine, mit einigen der wichtigsten Act der heimischen Musikszene. Von Bilderbuch bis Yung Hurn, von Mathea bis Willi Resetarits, natürlich auch Wanda, Mavi Phoenix und Ina Regen und viele mehr. Das Popspektakel im Praterstadion ist restlos ausverkauft, und doch kann man vom Wohnzimmer aus dabei sein. Der Radiosender FM4 überträgt in einer Sondersendung von 13 bis 22 Uhr, via ORF-TV ist man ab 20.15 live dabei. 

Ernst-Happel-Stadion, Sa 13.00 


Kunstmesse 

Die Wiener Kunstmesse Spark Art Fair punktete schon vergangenes Jahr mit Einzelpräsentationen an allen Galerieständen und einem großzügigen Raumkonzept, das dem Abstandsbedarf von Corona gerecht wurde. Auch mit ihren kuratierten Sektionen zeigte sich der Verkaufsevent zeitgemäß. Dieses Jahr sind 80 Galerien dabei, davon reisen mehr als die Hälfte aus dem Ausland an. Für ihr Solo auf der Messe produzierten viele Künstler eigene Arbeiten und Präsentationen. (Nicole Scheyerer)

Marx Halle, Fr–So 11.00 bis 19.00


Buchtipp

Georgi Gospodinov: Zeitzuflucht

In Zeiten der Krise und des Umbruchs haben Dystopien Hochsaison. Angesichts des Klimawandels, der Macht der Konzerne und einer zunehmenden Aushöhlung der Demokratie wurden in den ­letzten Jahren nicht nur Aldous Huxleys und George Orwells Klassiker dieses Genres wieder ausgepackt. Es entstanden auch zahlreiche neue Romane, darunter allerdings nur wenig wirklich gute, etwa Raphaela Edelbauers Künstliche-Intelligenz-Roman „Dave“.

Ihr Verfasser Georgi Gospodinov hat sich mit einem Œuvre aus drei Romanen, zwei Short-Story-Sammlungen und ein paar Gedichtbänden den Status eines Geheimtipps aus Osteuropa erschrieben. Inzwischen wird der Bulgare zur Riege der großen europäischen Autoren gezählt. Das neue Werk wird diesen Status zementieren. (Sebastian Fasthuber)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Thurnhers Freitagsrezept

Wilder Hopfen

Eine der allerersten Frühlingsdelikatessen wird meist nur als Unkraut wahrgenommen – wir nehmen ihr die Spitze

© Irena Rosc

An irgendwas muss man ja merken, dass die Zeit sich wendet, am Licht, am Spiel der Hormone, an der Bevölkerungsexplosion auf den Joggingpfaden. Frühlingserkenner könnten sich gut auch an die Lianen halten, die am Wegesrand Bäume und Sträucher überwuchern. Meist handelt es sich um Wilden Hopfen, der da, während kaum noch die ersten Blättchen der Bäume sich entrollen, flott und spitz aus dem Boden sprießt. Die alten, graubraun gewordenen Schlingpflanzen dienen nur als Hinweis darauf, wo es sprießt, nämlich in der Nähe. Zuerst braucht es ein wenig Übung, um die Sprossen zu identifizieren, sie können dunkelgrün mit rötlichen oder bläulichen Tönen sein. Bald aber wird man sie voller Freude erkennen, zehn bis fünfzehn Zentimeter unter der Spitze abknipsen (ganz einfach mit den Fingern) und freudig im Körbchen nach Hause tragen.

Man muss früh dran sein mit dem Wilden Hopfen, das schnell aufschießende Gewächs verholzt bald. Im Mai ist’s mit dem Hopfen vorbei, zumindest was die Essbarkeit betrifft. In jungem Zustand aber sind die Spitzen eine Delikatesse. In kochendem Wasser kurz blanchiert, behandelt man sie wie jungen grünen Spargel. Das heißt, man kann nahezu alles aus ihnen machen. Mein englisches Wild-Food-Kochbuch etwa empfiehlt eine Hopfenspitzenomelette als „very rewarding“ (Eier verquirlen, Hopfenspitzen rein, würzen, mit Olivenöl in der Pfanne braten). Natürlich zieren gedünstete und in Butter geschwenkte Hopfenspitzen als Beilage beinahe jedes Gericht. Bier muss übrigens nicht dazugetrunken werden, schadet aber auch nicht.

Zutaten und Zubereitung finden Sie hier.

Der Text stammt aus dem Buch „Thurnher auf Rezept" von Irena Rosc und Armin Thurnher (Falter Verlag, 192 Seiten, 29,90 Euro). Erhältlich im faltershop.


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