Zeitreise 2033, Teil IV: Erdölingenieurin Nina (28) - FALTER.morgen #483

Versendet am 05.01.2023

Nachrichten aus der Zukunft: Nina Romich, Erdölingenieurin (28), über eine fast CO2-freie Energiezukunft >> Buch- und Veranstaltungstipps

Wetterkritik: Der Frühling hat sich verlaufen und irrt im Jänner herum – warm-westwindig bei bis zu 14 Grad, und eigentlich fehlen uns mittlerweile die nicht justiziablen Beschreibungen für diesen „Winter“. Spürbare Abkühlung dürfte es erst am Sonntag geben.


Guten Morgen!

Für mich ist es ja einer der schönsten Aspekte meines Berufs, dass man sich dabei immer wieder überraschen lassen kann (wenn man das mag). Und dazu hat mir die „Zeitreise“ mit Gesprächspartnerinnen und -gesprächspartnern, die wir nun zum zweiten Mal antreten, auch heuer wieder einige Gelegenheiten geboten.

Vor dem Gespräch mit Tymofii Bondarchuk, dem Schüler aus der Ukraine, hatte ich erwartet, dass wir vor allem über den russischen Angriffskrieg reden würden. Tatsächlich spielte das Thema aber kaum eine Rolle – der 18-Jährige malte sich vielmehr vor allem das Leben aus, das der in den USA führen möchte. Von der Aktivistin Bruno Sanzenbacher, mit der meine Kollegin Soraya Pechtl gesprochen hat, hätte ich nicht angenommen, wie optimistisch sie trotz aller Schwierigkeiten für Transpersonen in die Zukunft blicken würde.

Und auch die Frau, die heute hier zu Wort kommt, hat mich verblüfft: Nina Romich absolvierte als eine von ganz wenigen Frauen an der Montanuni Leoben die Studienrichtung Petrol Engineering, ist also gelernte Erdölingenieurin – und fest davon überzeugt, dass wir im Jahr 2033 fast ohne fossile Energieträger auskommen werden. Sie sieht sich in zehn Jahren am Steuer eines Elektroautos sitzen, das mit CO2-frei geothermisch erzeugtem Strom betankt wird.

Am Montag lernen wir noch den Weinbauschüler Sebastian Hediger kennen, dem die Klimakrise zwar alles andere als egal ist – der aber doch auch Chancen für seinen Beruf darin sieht.

Interessante Lektüre und ein schönes, langes Wochenende wünscht

Martin Staudinger


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Nina Romich, Erdölingenieurin (28): Mein 5. Jänner 2033

„Die Menschheit hat kreative Lösungen gefunden“

Es ist Jänner 2033, und ich bin in meinem Wagen unterwegs zu einem Kraftwerk, das wir im Süden Wiens betreiben – ich arbeite als Projektmanagerin bei der OMV, mein Auto fährt elektrisch und das Kraftwerk produziert geothermische Wärme.

„Wir kommen zwar nicht zu 100 Prozent, aber bereits weitgehend ohne fossile Energieträger aus“: Nina Romich © privat

Als ich in den 2010er Jahren an der Montanuniversität Leoben Erdölwissenschaften studiert habe, konnte ich mir das absolut nicht vorstellen. Aber seither hat die Entwicklung erneuerbarer Energien gewaltige Fortschritte gemacht. Jetzt, zwanzig Jahre später, kommen wir zwar nicht zu 100 Prozent, aber bereits weitgehend ohne fossile Energieträger aus.

Der Grundbedarf an Wärme wird inzwischen beispielsweise größtenteils mit Geothermie erzeugt, und das geht so: Unter Österreich erwärmt sich der Erdmantel pro 100 Meter um etwa drei Grad. Wasser, das in drei Kilometer Tiefe im Gestein eingeschlossen ist, ist also über 100°C heiß. Und in der Region um Wien liegen Lagerstätten, die mit Hilfe von Wärmetauschern zur Produktion von geothermischer Energie genutzt werden können – Wärme, die unbeschränkt verfügbar ist und die Umwelt durch keine Treibhausgase oder andere Verschmutzungen belastet. Die Technologie war vor zehn Jahren bereits vorhanden, aber in Österreich noch nicht so ausgereift, dass sie wirtschaftlich genutzt werden konnte. Inzwischen geht das aber so gut, dass Gaskraftwerke nur noch bei Bedarfsspitzen einspringen müssen.

Der Klimawandel hat sich trotzdem nicht aufhalten lassen, aber die Menschheit hat kreative Lösungen gefunden, damit umzugehen. Der Umgang mit unseren Ressourcen hat sich grundlegend geändert. Es ist eine Kreislaufwirtschaft entstanden, in der Rohstoffe hocheffizient genutzt und recycelt werden. Jedes Haus hat eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die Zahl der Pkws ist vor allem in den Städten deutlich zurückgegangen, bessere und schnellere Eisenbahnen haben die meisten innereuropäischen Flugverbindungen ersetzt.

Noch etwas hat sich geändert: Nach Jahren, in denen sich soziale Kontakte immer mehr in den digitalen Raum verlagert haben, ist der Wert persönlicher Begegnungen wieder deutlich gestiegen. Die Bedeutung von Social Media ist zurückgegangen, es hat eine Art Re-Analogisierung des Soziallebens stattgefunden.

Gleichzeitig ist eine hochqualifizierte Wissensgesellschaft entstanden. Europa produziert vor allem technologische Innovationen und Know-How. Und in dieser neuen Arbeits- und Wirtschaftswelt spielen Frauen ganz selbstverständlich eine gleichberechtigte Rolle. Als ich die Montanuniversität absolviert habe, war ich in meiner Studienrichtung eine von zwei Frauen im Jahrgang. Jetzt sind dort in manchen Fächern deutlich mehr Frauen inskribiert als Männer.

Diesbezüglich hat überhaupt ein Rollenwandel stattgefunden. Skandinavien ist nicht mehr nur ein Vorbild, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Selbstverständlichkeit von Väterkarenz betrifft. Und die Möglichkeit, einen Teil der Arbeit vom Home-Office aus zu erledigen, ist im Jahr 2033 ganz selbstverständlich.

Deshalb werde ich, wenn mein Termin erledigt ist, auch nicht in die OMV-Zentrale in Wien zurückfahren, sondern in die Steiermark zu meiner Familie – in einem Auto, das ich mit CO2-frei erzeugtem Strom geladen habe.


Falter Radio

Vom Kindertransport zur Starjournalistin

© Paul Pibernig

Die britisch-österreichische Starjournalistin Hella Pick hat aus Afrika, den USA und Osteuropa berichtet. Sie interviewte Willy Brandt und John F.Kennedy  und ist immer wieder nach Österreich zurückgekehrt, von wo sie als Kind vertrieben wurde. Die 93-jährige Weltbürgerin im Gespräch mit Günter Kaindlstorfer, zu hören hier.


Stadtnachrichten

Wie verbreitet sind Amseln, Spatzen, Finken und Meisen bei uns? Und welche Auswirkungen haben die warmen Temperaturen auf die Vogelwelt? BirdLife Österreich will diese Fragen beantworten und lädt dieses Wochenende zur gemeinsamen Zählung ein.

Von 6. bis 8. Jänner sind alle Hobby-Ornithologen aufgerufen, eine Stunde lang die Vögel in ihrer Umgebung zu beobachten. Ihre Meldungen kann man dann hier auf der Homepage eintragen oder per Post an BirdLife Österreich schicken.


Lokaltipp

Das Jahr 2022 hat einige spannende Lokaleröffnungen gebracht. Im Dezember haben wir Ihnen Florian Holzers Top 5 vorgestellt. Diese Woche gibt’s die restlichen fünf. 

Café Nil

Selten kommt was Besseres nach, manchmal schon: Das wunderbare Café Nil machte nach über 30 Jahren zu – wurde diesen Herbst aber von neuen Betreibern zum neuen Nil gemacht: neues Design, aber gleicher Stil, gleiche Atmosphäre, dazu großartige Levante-Küche.


Frage des Tages

Was bedeutet das wienerische Wort „virehaun"!

1. Die Eskalation einer tätlichen Auseinandersetzung

2. Ein seelisches oder körperliches Aufbauen oder Aufrichten

3. Die Stelze von Jungrindern, die traditionell im Frühjahr serviert wird

Ihre Wienerisch-Kenntnisse können Sie beim „Best of Vienna"-Wienerischkurs auf Instagram testen.

Auflösung von gestern: Der „Strudler" ist eine Apfelsorte, die für die Zubereitung des Wiener Apfelstrudels verwendet wird (nicht der Spitzname von Peter Strudel oder die Bezeichnung eines Menschen, der sein Leben nicht im Griff hat).


Wochenend-Event-Tipps

Lisa Kiss

Musik

Balkan Beat und Rock ’n’ Roll, Surf und Gipsy Swing, Ausgelassenheit und musikalische Disziplin: Bei dem in Wien heimisch gewordenen albanischen Gitarristen und Sänger Orges Toce geht so einiges zusammen. Seine Ockus-Rockus Band agiert in fünfköpfiger Besetzung; stillhalten fällt hier schwer. (Gerhard Stöger)

Porgy & Bess, 20.30


Theater

Die Beziehungskomödie „Wie es euch gefällt“ enthält die vielleicht berühmteste Hosenrolle der Theatergeschichte: Ein alter Herzog wird von seinem fiesen Bruder entmachtet, woraufhin viele Menschen in den Wald fliehen, darunter auch Celia, Orlando und die als Mann verkleidete Rosalinde. Orlando liebt Rosalinde, doch bevor sie sich ihm zu erkennen gibt, muss er viele Prüfungen bestehen. Der Musiker Oskar Haag übernimmt die Rolle des Amiens und zeichnet für die Musik des Abends verantwortlich. (Sara Schausberger)

Burgtheater, Fr 19.00


Die Ressourcen werden knapp und das Volkstheater widmet sich schwerpunktmäßig dem Öl. Den Anfang macht Manuela Infantes Uraufführung „Black Flame – A Noise Essay“. Die chilenische Regisseurin, Dramatikerin und Musikerin setzt komplexe Themen sinnlich um. Die Schauspielerin Anna Rieser erforscht alleine auf der großen Bühne, welche Facetten der fossile Brennstoff hat, wie wir auf ihn verzichten könnten und wie sich die schwarze Flüssigkeit eigentlich anhört. (Sara Schausberger)

Volkstheater, Sa 19.30


Musik

„Ich will eine heile Welt, die eine Weile hält“, hebt das aktuelle Album von Familie Lässig an. Die Musik ist von jener schunkelnden, nahe am Schlager gebauten Pop-Freundlichkeit, mit der diese liebe Familie seit 2014 für volle Häuser und gute Laune sorgt. Vom Unterhaltungs-Allrounder Manuel Rubey ursprünglich als einmaliges Späßchen für ein Benefizkonzert initiiert, wuchs daraus längst eine beinahe reguläre Band, mit unter anderem Gunkl, Gerald Votava und Clara Luzia prominent besetzt. (Gerhard Stöger)

Stadtsaal, So 19.30


Nur noch bis Sonntag zu sehen:  

Der 1988 mit nur 27 Jahren verstorbene Künstler Jean-Michel Basquiat wurde auch als „Hip-Hopper der Malerei“ bezeichnet, weil er unterschiedliche Stile, Symbole und Zeichen als Samples mixte. Die erste Werkschau hierzulande bringt wichtige neoexpressive Werke wie „Irony of a Negroe Policeman“ oder „La Hara“ nach Wien, in denen Basquiat Rassismus thematisierte. Ein zentrales Motiv unter den 46 Exponaten sind Köpfe, mal mit Krone, mal mit Heiligenschein aus Stacheldraht. (Nicole Scheyerer)

Albertina, Fr 10.00 bis 21.00, Sa, So 10.00 bis 18.00


Mit hochkarätigen Leihgaben erzählt die Ausstellung „Idole & Rivalen“ Geschichten vom Nacheifern und Übertrumpfen in der Kunst. Der Kampf um Aufträge hat Konkurrenten wie Michelangelo und Leonardo zu Höchstleistungen inspiriert, andere trieb die Rivalität in den Tod. Ein altgriechischer Siegeskranz aus Gold krönt die Schau, die sich auch dem Wettstreit zwischen Malerei und Bildhauerei („Paragone“) widmet. Die antike Marmorskulptur „Verwundete Amazone“ beeindruckt in Lebensgröße, von Antonio Lombardo ein schönes Venus-Relief. (Nicole Scheyerer)

Kunsthistorisches Museum, Fr–So 10.00 bis 18.00


Buch

Christina Hunger: Wie ich meinem Hund das Sprechen beibrachte

Auf Knopfdruck Dr. Doolitt le sein -wer wollte das nicht? „Christina, komm spielen“, sagt Stella. Stella ist eine braune Catahoula-Heeler-Hündin. Ihr Mensch, Christina Hunger, lehrt als Sprachtherapeutin Unterstützte Kommunikation: Sie begleitet Kinder mit Autismus im Gebrauch von Geräten, auf denen Wörter programmiert sind. In ihrem New York Times-Bestseller beschreibt Hunger, wie sie Sprachbuttons im Zusammenleben mit Stella eingeführt hat. Denn: „Jeder kann etwas lernen und jeder hat etwas zu sagen."

Über 50 Knöpfe mit Wörtern und Phrasen benutzt die Hündin aktuell. Sie bildet Sätze, äußert Wünsche, berichtet Erlebnisse und „sagt“, wie sie sich fühlt. Hunger beschreibt das als „Anfang einer Kommunikationsrevolution“ und ruft auf, nicht länger „für unsere Tiere zu sprechen und sie stattdessen für sich selbst sprechen zu lassen“. (Felice Gallé)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


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