Vor der NÖ-Wahl: Satire-Pause auf ORF III - FALTER.morgen #497
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Bitte warten: ORF III bringt die Satiresendung „Die Tafelrunde“ erst Donnerstag nächste Woche – wegen zu viel Spott vor der Niederösterreich-Wahl? >> Raus aus Gas, Teil II: Wie will die Stadt dafür sorgen, dass in den nächsten Jahren 600.000 Thermen ausgetauscht werden? >> Der Fassadenleser erklärt die zugemauerten Fenster eines Biedermeierhauses in Margareten
Wetterkritik: Auch heute bleibt es trüb (die Erfahrung zeigt, das könnte den ganzen Winter so gehen). Aber mit 2 Grad bleibt die Temperatur etwas niedriger und das bedeutet: es kann ein wenig schneien. Juhu!
Guten Morgen!
Darf Satire alles? Auf diese Frage gibt es im ORF eine klare Antwort: Prinzipiell ja, aber nur nach der Landtagswahl in Niederösterreich. Die Rede ist diesmal nicht vom Wirken des dortigen ORF-Direktors Robert „Painted Black“ Ziegler, der sein Landesstudio in einen ÖVP-Dauerwerbesender verwandelt hat – darüber wurde hier bereits ausführlich zu lesen.
Wobei: Irgendwie geht es dann schon auch wieder um ihn. Denn sein Fall war eines der Themen, die in der aktuellen Folge der monatlichen Satiresendung „Die Tafelrunde“ auf ORF III zur Sprache kommen sollte.
Sie haben richtig gelesen: Sollte. Denn dazu kommt es nicht. Die Sendung wird diesmal nämlich nicht wie meistens heute, am letzten Donnerstag im Monat ausgestrahlt, sondern erst nächste Woche. Warum, das erzähle ich Ihnen gleich unten.
Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Zwei Geschichten von meiner Kollegin Soraya Pechtl. Sie geht zunächst der Frage nach, wie es gelingen soll, dass in den kommenden Jahren in Wien rund 600.000 Gasthermen ausgetauscht werden – das sieht der „Raus aus Gas“-Plan der rot-pinken Stadtregierung nämlich vor. Und dann schildert Soraya noch einen diffizilen Fall, der momentan vor Gericht verhandelt wird: Es geht um zwei junge Männer, die einen Politiker wegen Vergewaltigung angezeigt haben – und jetzt selbst wegen Verleumdung angeklagt sind.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
Barbara Tóth

Volksoper Wien: „Orpheus in der Unterwelt“
Hemmungslos lachen und den puren Unsinn feiern kann man bei „Orpheus in der Unterwelt“ in der Regie der britischen physical comedy Meistertruppe Spymonkey.
Jacques Offenbachs Operette über den faden Musiklehrer Orpheus, der seine Ehefrau aus der Unterwelt zurückholen muss, weil die Öffentliche Meinung es eben so will, wird in der Volksoper zur besten Unterhaltung – und zeigt mit viel Humor, wie eine Frau sich von allen männlichen Fesseln befreit und am Ende als Siegerin im göttlichen Irrsinn dasteht.
Zu mehr Informationen und vor allem den Karten kommen Sie hier.
Lästerpause
ORF III programmiert mit fadenscheinigen Begründungen die aktuelle Folge der Satiresendung „Die Tafelrunde“ auf kommende Woche: Aus Rücksicht auf die Landtagswahl in Niederösterreich?
Vielleicht sind sie so wie ich ein Fan der Tafelrunde - ein satirischer Monatsrückblick, gesendet in der ORFIII-„Donnerstag Nacht“. Fast immer am letzten Donnerstag des Monats lässt Gerald Fleischhacker die besten Ereignisse der vergangenen 30 Tage humorvoll Revue passieren. Zur Seite stehen ihm in wechselnder Besetzung die bekanntesten Kabarettistinnen und Kabarettisten des Landes.

Tafelrunde-Satiriker – u. a. Gerald Fleischhacker (l.) und Florian Scheuba (m.): Kein Lästern über die Verniederösterreichung des Landes vor der Wahl am Sonntag © ORF/Hans Leitner
Nur seltsamerweise heute nicht. Es ist zwar der letzte Donnerstag des Monats Jänner. Aber leider sind am Sonntag auch Niederösterreichische Landtagswahlen. Und bei der Aufzeichnung der Tafelrunde am Dienstag diese Woche vor Publikum im Wiener Funkhaus wurde kräftig über die Verniederösterreicherung des Landes abgelästert. Kein Wunder, aus St. Pölten kam die letzten Wochen bestes Satirematerial.
Mit dabei war diesmal Florian Scheuba, einer der schärfsten Politik-Satiriker des Landes. Und einer, der für seine Witze genau recherchiert. Deshalb sind sie besonders entlarvend und treffend. Die besten Pointen schreibt bekanntlich oft das Leben selbst, und einige davon zielten diesmal naturgemäß auf das Landesstudio in St. Pölten.
Aber die Gags wird heute niemand zu Gesicht und auch nicht zu Gehör bekommen.
Statt der aktuellen Tafelrunde geht in der ORF III „Donnerstag Nacht“ nämlich eine Satiresendung aus der Konserve auf Sendung: Zeitlose Schenkelklopfer-Komik von Walter Kammerhofer.
Was ist da passiert? Dazu gibt es folgende Erzählung im ORF: ORF-III-Chefredakteurin Lou Lorenz-Dittelbacher wollte ursprünglich mit der Tafelrunde auf Sendung gehen, warum auch nicht? Satire darf alles, Wahltermine hin oder her. Aber die Letztverantwortung liegt beim Geschäftsführer und Channelmanager von ORF3, Peter Schöber – und der entschied schon vor Tagen anders. Vorgeschoben wurde das Argument, dass man leider, leider mit dem Schnitt von Dienstagnacht auf Donnerstag nicht fertig würde und deshalb die Folge erst eine Woche später senden könne.
Auf FALTER.morgen-Anfrage heißt es von Seiten derORF-Pressestelle: Es sei immer geplant gewesen, die Folge nicht wie üblich am letzten Donnerstag im Monat auszustrahlen, sondern erst eine Woche später, am 2. Februar. „Es wurde intern kurz diskutiert, ob eine Vorverlegung auf morgen Donnerstag möglich ist, aber das geht sich produktionstechnisch nicht aus." Ein Zusammenhang mit der Niederösterreich-Wahl? Aber woher denn!
Energie

Runter vom Gas
Aber wie soll das gelingen? Für den Tausch von hunderttausenden Thermen hat die Stadt noch keinen konkreten Fahrplan.
Wie bringt man die Wienerinnen und Wiener dazu, ihre 600.000 Gasthermen auszutauschen? Auf diese Frage findet sich im Raus-aus-Gas-Konzept der Stadt Wien noch keine zufriedenstellende Antworten. Es gibt weder einen Umsetzungsplan noch die nötigen Gesetze. Dabei bräuchte es genau das und zwar besser heute als morgen. „Um dieses Ziel zu umzusetzen, braucht man einen klare Roadmap: wie bringt man das Energienetz bis zum letzten Mieter? In Wien ist vermutlich nicht der gesamte Gebäudebestand elektrifizierbar. Auch mit der Fernwärme wird man nicht überall hinkommen”, sagt Walter Haslinger vom Kompetenzzentrum für Bioenergie und nachhaltige Technologien BEST.
Diese Grundlagen sollen laut Konzept bis 2025 folgen. Die Umsetzung startet dann 2026. Dann müssten allerdings schon 172 Thermen pro Tag ausgetauscht werden, um das 2040-er Ziel zu erreichen. Und das könnte knapp werden.
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600.000 Gasthermen und 460.000 Kochgasgeräte müssen bis 2040 getauscht werden © FALTER/ Christopher Mavrič
Warum geht das mit dem Gesetz nicht schneller?
„Erst wenn das EWG (Erneuerbaren-Wärme-Gesetz) im Nationalrat beschlossen und kundgemacht wurde, können die ergänzenden Landesgesetze erlassen werden. Dadurch entstehen Unsicherheiten und ein gewisser Zeitdruck, da ordnungsrechtliche Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden müssen, um das Ziel 2040 erreichen zu können”, heißt es in dem Konzept. Den Bund dafür mitverantwortlich zu machen, ist nicht falsch.
Derzeit wäre zwar noch Wien für die Umstellung der Gasthermen zuständig. Mit dem EWG wandern diese Kompetenzen aber großteils zum Bund. „Die Stadt könnte zwar jetzt eine gesetzliche Regelung treffen, aber diese müsste wieder aufgehoben bzw. angepasst werden, sobald das EWG in Kraft tritt”, sagt Daniel Ennöckl, Verfassungsjurist und Professor für öffentliches Recht an der Universität für Bodenkultur. Die Wiener müssen also tatsächlich abwarten.
Die Schwarze-Peter-Erzählung ist aber auch zu einfach. Denn der Ministerrat hat das EWG Ende des Jahres beschlossen. Weil das Gesetz eine Verfassungsmehrheit braucht, verhandelt die Bundesregierung seit Kurzem „intensiv" mit der SPÖ (am 2. Februar startet die zweite Verhandlungsrunde). Woran spießt es sich? Da gibt es mehrere Punkte. Zum Beispiel will die SPÖ kein sogenanntes grünes Gas fürs Heizen - das ist derzeit aber noch im Entwurf enthalten. Und ein „No-Go” ist für den sozialdemokratischen Energiesprecher Alois Schroll, dass die Förderzusage für den Ausstieg aus Gas nur bis 2026 und nicht bis 2040 laufe.
Bis das EWG in Kraft tritt, könnte die Stadt aber Energieraumpläne erarbeiten - also die angesprochene Roadmap, die Bezirke in kleinteilige Wohneinheiten unterteilt, die mit klimaschonenden Energiequellen erschlossen werden sollen. Bisher gelten diese Pläne aber nur für Neubauten. „Wenn die Energieraumplanung für den Bestand kommt, wäre das ein Riesenschritt”, sagt Georg Prack, Planungssprecher der Grünen. Bislang fehlen dazu noch entsprechende Gesetze. Aus dem Büro von Umweltstadtrat Jürgen Czernohorskys (SPÖ) heißt es dazu, die Pläne würden „ab sofort erarbeitet”.
Bleibt die Frage: Geht sich das alles aus? Was Experten dazu sagen, erzähle ich Ihnen morgen.
FALTER RADIO
Niederösterreich-Wahl: Fällt die schwarze Hochburg?

Etwas vorschnell angekündigt hatten wir gestern den Podcast mit der Diskussionsrunde zur Niederösterreich-Wahl: Er geht erst heute auf Sendung – mit zwei personellen Änderungen. Bei Raimund Löw zu Gast (v.l.n.r.): SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar (statt Spitzenkandidat Franz Schnabl), die Spitzenkandidatinnen Indra Collini (Neos) und Helga Krismer (Grüne) sowie ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. FPÖ-Kandidat Udo Landbauer hat kurzfristig abgesagt.
Vor Gericht
Glaubensfrage
Zwei junge Männer zeigen einen Politiker wegen sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung an. Jetzt müssen sie sich wegen Verleumdung vor Gericht verantworten. Denn an ihren Schilderungen gibt es Zweifel.
Wem glauben? Diese Frage stellen sich Journalistinnen und wohl auch Richter täglich. Besonders heikel wird die Sache, wenn es um Fälle von sexuellem Missbrauch geht. Noch heikler, wenn der mutmaßliche Missbrauchstäter ein vom Volk gewählter Mandatar ist. Eine solche Causa wurde gestern am Wiener Straflandesgericht verhandelt. Vermutlich aber nicht so, wie Sie jetzt denken.
Die Staatsanwaltschaft hatte nämlich nicht den beschuldigten Täter angeklagt, sondern die mutmaßlichen Opfer. Wegen Verleumdung. Und nach dem gestrigen Verhandlungstag wurde auch klarer, warum.
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Verhandlungssaal im Straflandesgericht © APA/EVA MANHART
Was ist passiert?
Ein junger Mann, nennen wir ihn Peter, lernt irgendwann zwischen 2014 und 2016 (die Schilderung sind diesbezüglich nicht eindeutig) den rund zehn Jahre älteren Richard kennen. Nach einer Party im März 2017 haben die beiden Sex – laut Richard einvernehmlich.
Peters Erinnerung ist aber eine andere. Er sei mit K.O.-Tropfen bewusstlos gemacht worden. Als er eine Stunde später zu sich kam, habe er bemerkt, dass Richard ihn anal penetriert.
2021 erstatte Peter gegen Richard Anzeige wegen Vergewaltigung. Warum erst vier Jahre später? Er habe viel gearbeitet, die Vergewaltigung verdrängt, sagt Peter. Erst als er im Lockdown mehr Zeit zum Nachdenken gehabt habe, sei die Erinnerung wieder hochgekommen. Bei einem Treffen erzählt er Freunden von dem Vorfall – und die ermutigen ihn, rechtliche Schritte gegen Richard einzuleiten.
Dann gibt es noch Bernhard, ein guter Freund von Peter. Er trifft Richard erstmals 2016 und hat dabei einvernehmlichen Sex mit ihm. Das bestätigen beide. Bei einem zweiten Treffen im Jahr 2017 soll Richard Bernhard dann bedrängt und ihn zu sexuellen Handlungen aufgefordert haben.
Die Staatsanwaltschaft hat anfangs gegen Richard ermittelt, das Verfahren aber mangels Beweisen eingestellt – und daraufhin Anklage gegen Peter und Bernhard erhoben. Denn in ihren Schilderungen gibt es einige Unstimmigkeiten.
Die Experteneinschätzung
Ein Sachverständiger und Gerichtspsychiater bezweifelt bei der Verhandlung, dass Peter unter Drogen gesetzt wurde. „Ich wüsste nicht, welche Substanz das sein soll. Wenn man betrunken ist und sich an bestimmte Zeiträume nicht mehr erinnern kann, kann man sich drei Jahre später erst recht nicht daran erinnern”, sagte er. Bei K.O.-Tropfen hätte Peter unter Kopfschmerzen und Schwindel leiden müssen. Davon hat der junge Mann aber nichts erwähnt.
Auch die Erzählung, er habe die Vergewaltigung jahrelang verdrängt, sich dann aber sehr präzise daran erinnert, hält der Sachverständige für wenig plausibel: „Aus meiner klinischen Erfahrung heraus sehe ich keine Interpretationsmöglichkeit, dass es das gäbe”.
Das heißt aber noch nicht, dass Peter lügt. Es gäbe einige wenige Möglichkeiten, die seine Schilderungen erklären würden: Eine posttraumatische Belastungsstörung zum Beispiel (daran hat der Sachverständige aber auch Zweifel) oder „false memory” – dabei erinnern sich Menschen Jahre später anders an ein Ereignis, als es tatsächlich stattgefunden hat. Etwa, weil sie in ihrer Erinnerung nachträglich beeinflusst wurden. Der Gerichtspsychiater soll Peter nun einvernehmen und in der Folge ein genaues Gutachten erstellen.
Die Freundschaft
Peter und Richard waren nach der mutmaßlichen Vergewaltigung weiterhin befreundet. Die beiden flogen gemeinsam in die USA und besuchten Veranstaltungen. 2018 nahm Peter einen Job in Richards Unternehmen an und soll sogar den Schlüssel zur Wohnung des älteren Freundes gehabt haben. 2019 kam es zu einem Streit, weil Peter seine Arbeit nicht richtig gemacht hätte. Richard kündigt ihm und der Kontakt bricht ab.
Auch der Kontakt zwischen Richard und Bernhard blieb länger bestehen, wenn auch weniger intensiv. Fotos und Chats belegen das. Der Gerichtspsychiater meint dazu: „Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich nach einer Vergewaltigung noch ein freundschaftliches Verhältnis ergibt.”
Was man aber auch sagen muss: Es ist schwer, sexuellen Missbrauch zu beweisen. Das Gericht hat Bernhard gestern im Zweifel für den Angeklagten freigesprochen. „Ich kann nicht eindeutig sagen, der eine ist glaubwürdiger als der andere", meinte der Richter. Das Verfahren gegen Peter wird fortgesetzt, wenn das neue Gerichtsgutachten vorliegt.
* Alle Personen heißen in Wirklichkeit anders.
Frage des Tages
Was zeigt dieses Bild?

© Geoland
Auflösung von gestern: In dem Gebäude, in dem heute der Meiselmarkt untergebracht ist, befand sich ursprünglich ein Wasserspeicher der Hochquellenleitung (keine Stallungen und auch kein Munitionslager).
Lokaltipp
Kelsen Bistro im Parlament
Das neu renovierte Parlament hat nicht nur eines, sondern gleich vier Lokale: ein Fine-Dining-Restaurant, ein Bistro und eine Kantine im Dachgeschoß sowie ein weiteres Café im Erdgeschoß, die von einer Gemeinschaft der Firmen Gaumenglück (Kantinenbetreiber), Friedreich Hospitality (Gastronomieberater) und Labstelle (Szenelokal in der Wiener Innenstadt) betrieben wird.
Die Betreiber konnten mit einem bemerkenswert ambitionierten Konzept überzeugen: Nachhaltigkeit auf allen Ebenen – Top-Produkte heimischer Kleinbetriebe, ausgearbeitetes Mitarbeiter-Management mit Beteiligung und Weiterbildungsmöglichkeit, Nose-to-tail-Verarbeitung und schließlich ein ziemlich ausgefeiltes Kulinarik-Konzept: Selbstbedienungsküche mit attraktivem Angebot und günstigen Preisen, Gourmet-Restaurant mit dem Thema „Dekonstruktion & Neuinterpretation der Wiener Küche“, die sich einstweilen noch etwas kapriziös darstellt. Und das Beste von allen: das Bistro. Es profitiert vom hohen, hellen Raum und den vier historischen Kronleuchtern und es hat die interessanteste Karte. Das Bier ist von Trumer, der Kaffee von Kaffee am See, die Weine sind absolut super, alles Familienbetriebe, kein einziger Konzern. Sagen wir so: Das hätte auch anders kommen können.
Die gesamte Lokalkritik von Florian Holzer lesen Sie hier.
Event des Tages
Theater
Ein Mädchen liegt nach einer selbst versuchten Abtreibung im Sterben. Als ihre Eltern einen Priester zu ihr ins Krankenhaus schicken, verweigert ihm die zuständige Ärztin, Professor Ruth Wolff, den Zutritt. Nach dem Tod des Mädchen beginnt eine Hetzkampagne gegen die säkulare Jüdin Wolff: „Die Ärztin“ lässt medizinethnische Fragen auf persönliches Drama und Identitätspolitik treffen. Eine überraschende Inszenierung, die zum Nachdenken anregt. (Sara Schausberger)
Burgtheater, 19.30
Buchtipp
Gerald Knaus: Wir und die Flüchtlinge
Der Wissenschaftler und Leiter des Thinktanks ESI, Gerald Knaus, beschreibt in seinem eben erschienenen Buch „Wir und die Flüchtlinge" die inneren Ungereimtheiten, Fiktionen und nackten Wahrheiten der Flüchtlings-und Einwanderungspolitik eindrucksvoll. Europa verübt mittlerweile strukturell Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen: In der Ägäis wird eine Politik des Ertrinkenlassens verfolgt, Menschen werden auf seeuntüchtigen Pontons einfach aufs offene Meer zurückgedrängt.
An den Binnengrenzen wird mit Hunden Jagd auf Männer, Frauen und kleine Kinder gemacht. An der polnisch-weißrussischen Grenze wurden Flüchtende einfach zurückgedrängt, viele sind im Winter in den Wäldern im Grenzgebiet erfroren. Dabei werden sogar Menschen, die ein Anrecht auf Schutz hätten -wie etwa regimekritische Journalisten aus der Türkei , zurück-und in Gefängnis, Folter und Tod gedrängt. Die Außengrenze ist vorsätzlich zu einer Todeszone gemacht worden - und dieses "System des Schreckens" (Knaus) erzielt nicht einmal das gewünschte Resultat. (Robert Misik)
Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at
Der Fassadenleser

Zugemauert
Im Mittelalter waren Fenster eine Art Ärgernis für die Architektur. In Wohnhäusern wurden sie ohne Regeln von innen nach außen dort eingesetzt, wo man sie etwa zum Lüften unbedingt brauchte. Aus technischen Gründen waren frühe Fenster außerdem so klein wie möglich gehalten, weil Fensterverschlüsse aus Glas sehr teuer waren. Der Standard waren sogenannte Butzenscheiben, runde, Flaschenboden-artige Glasscheiben mit 7 bis 15 cm Durchmesser aus meist grünem Waldglas. Diese Scheiben wurden dann aufwändig mit Bleifassungen zu ganzen Fenstern zusammengesetzt. Um Aussicht ging es bei dieser Art von Fenstern jedenfalls nicht.
Im Mittelalter waren Fenster eine Art Ärgernis für die Architektur. © Klaus-Jürgen Bauer
Die Renaissance änderte alles. Fenster wurden plötzlich als rhythmisierende Elemente von Fassaden verstanden, deren Proportionen mit den Maßverhältnissen des Ganzen in einem harmonischen Verhältnis stehen mussten.
Bei dieser interessanten Biedermeierfassade in der Grüngasse in Margareten wurden die straßenseitigen Fenster allerdings nicht als Fenster – also als Löcher in der Wand – ausgebildet, sondern – warum auch immer – nur als eine Art Proportionsstudie plastisch auf die Fassade aufgebracht. Auch hier geht es also nicht um Aussicht, sondern nur um Ansicht.

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