Falscher Verdacht, verweigerter Pass: Die absurde Geschichte eines Staatenlosen - FALTER.morgen #502

Versendet am 02.02.2023

Die MA 35 verweigert einem Staatenlosen den österreichischen Pass – und beruft sich dabei auf längst korrigierte Fehler anderer Behörden >> Fall Wien Energie: Wird die U-Kommission vom Magistrat gepflanzt? >> Soll das Bundesheer ukrainische Soldaten an seinen Kampfpanzern trainieren? >> Der Fassadenleser über einen architektonischen Culture Clash

Wetterkritik: Der Wind lässt nach – aber nur ein bisschen und zwischendurch. Nach einer regnerischen Nacht heute zeitweise sonnig bei 4 bis 8 Grad. Morgen heißt es dann schon wieder: Alles, was man auf dem Kopf trägt, gut festzurren.


Guten Morgen!

Wenn das Adjektiv „kafkaesk“ auf jemanden zutrifft, dann auf Mansor Abu El Hosna: Der gelernte Bilanzbuchhalter lebt in Wien, ist staatenlos – und wird das wohl auch bleiben, weil eine österreichische Behörde Fehler gemacht hat, die einer anderen österreichischen Behörde seither als Argument dienen, dem 25-jährigen den Pass zu verweigern. Und das, obwohl eine dritte österreichische Behörde die Fehler der ersten bereits erkannt und klargestellt hat.

Was es mit dieser – heute mal etwas längeren – Geschichte aus dem Behördendschungel auf sich hat, erzähle ich Ihnen gleich.

Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Mein Kollege Raimund Löw fragt sich, warum in Österreich nicht längst darüber nachgedacht wird, ukrainische Soldaten an dringend benötigten Kampfpanzern auszubilden – das Knowhow und das Material dafür wäre nämlich vorhanden. Und unser Fassadenleser Klaus-Jürgen Bauer betrachtet diesmal einen architektonischen Culture Clash.

Einen schönen Tag wünscht Ihnen

Eva Konzett


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„Ich bin ein 25-jähriger Bilanzbuchhalter. Ich habe Träume. Ich will zum Finanzamt. Ich mach' mir doch meine Zukunft nicht kaputt“

Der staatenlose Palästinenser Mansor Abu El Hosna geriet unschuldig in den Strudel der Operation Luxor. Obwohl das Terror-Verfahren gegen ihn eingestellt wurde, hat er nun keine Chancen auf die österreichische Staatsbürgerschaft.

Zwischen Hoffnung und Niederlage liegen für Mansor Abu El Hosna 97 Tage. Am 19.10.2022 war ein Freudentag. Da hatte ihn das Oberlandesgericht Graz von den Vorwürfen der Terrorfinanzierung, der  Geldwäsche und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation freigesprochen. 

Mansor Abu El Hosna (rechts) mit seinem Bruder Osama: Ein falscher Verdacht mit weitreichenden Folgen © Christopher Mavrić

Zuvor war er von der Staatsanwaltschaft Graz beschuldigt worden, über einen als karitativ getarnten Verein die Hamas unterstützt zu haben. Mansor Abu El Hosna war einer von 70 Beschuldigten in der Operation Luxor – der Großrazzia mit 930 Beamten kurz nach dem Terroranschlag im November 2022 in Wien, mit der die Behörden die Muslimbruderschaft in Österreich aushebeln wollten. Und kläglich scheiterten. Trotz jahrelanger Ermittlungen, trotz „großen Lauschangriffen“, Personenüberwachungen und Hausdurchsuchungen hat die Staatsanwaltschaft bis heute keine Anklage zusammengebracht. Zudem hat das Oberlandesgericht Graz die Operation Luxor im Sommer 2021 in mehreren Fällen für rechtswidrig erklärt. 

Auch im Verfahren gegen Abu El Hosna hatten die Ermittler geschlampt. Dass Mansor Abu El Hosna ausgerechnet vor der (sunnitischen) Hamas aus dem Gazastreifen nach Österreich geflüchtet war? Das fand keine Berücksichtigung im Akt. Dass die Hilfspakete gar nicht nach Gaza, sondern in den von der (schiitischen) Hisbollah regierten Libanon gingen? Auch egal. Verdächtig schien, was verdächtig scheinen sollte. 

Das Oberlandesgericht Graz sah das anders und stellte das Verfahren gegen Abu El Hosna und seinen Verein im Oktober 2022 ein: Es konnte „den vorliegenden Verfahrensergebnissen kein Substrat entnehmen, das (...) den in Rede stehenden Verdacht tragen würde“. Außerdem sei nichts ersichtlich, was „eine Intensivierung eines derartigen Verdachts möglich erscheinen ließe“. Soll heißen, da war nichts. Und da wird nichts sein.

Nur, dass die Wiener Einwanderungsbehörde MA35 das anders sieht. Sie verwehrt dem staatenlosen Abu El Hosna die österreichische Staatsbürgerschaft. Einen solchen Antrag hatte er 2020 gestellt.

Wie begründet die MA 35 den Schritt? Das steht in dem Schreiben, das Abu El Hosna am 24.1.2023 erreicht. Das ist die Niederlage. 

„Das Amt der Wiener Landesregierung teilt Ihnen mit, dass eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Sie derzeit leider nicht möglich ist”, schreibt die Behörde darin und beruft sich dabei auf das Landesamt für Verfassungsschutz (LVT). Abu El Hosna trete demzufolge „nach wie vor im Umfeld der Muslimbruderschaft bzw. der terroristischen Gruppierung HAMAS in Erscheinung“, weshalb die Verleihung der Staatsbürgerschaft eine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich darstellen würde” und „deren internationales Ansehen vehement geschädigt würde”.

Nur: Wie kann das ausgerechnet jemandem zum Verhängnis werden, dem ein Gericht nach jahrelangen Ermittlungen und stundenlangen Einvernahmen bescheinigte, eben kein Mitglied einer kriminellen Organisation zu sein? Zumal die Operation nicht einmal feststellen konnte, dass die Muslimbruderschaft in Österreich organisiert auftritt?

Die Wiener Einwanderungsbehörde MA35 zitiert wiederum das LVT, wonach ein „Verleihungshinderniss” auch vorliege, wenn der Fremde nicht strafrechtlich verurteilt worden sei, solange er ein „bekennender Sympathisant, Geldgeber oder Unterstützer” einer kriminellen oder terroristischen Organisation sei. Nachsatz: „Wenn auch nicht öffentlich”. Wie soll da ein Gegenbeweis gelingen?

„Ich bin kein politischer Mensch. Ich bin ein 25-jähriger Bilanzbuchhalter. Ich habe Träume. Ich will zum Finanzamt. Ich mach mir doch meine Zukunft nicht kaputt", sagt Mansur Abu El Hosna. Und dann diesen Satz: „Haben Sie sich als Staatenloser schon einmal zu bewerben versucht?”

Der Mann ist angeschlagen, der Stress setzt ihm zu, die Mutter sorgt sich sehr, zumal der jüngere Bruder Osama Abu El Hosna (über seinen Fall berichtete das profil vor wenigen Tagen) denselben Brief erhalten hat. Osama Abu El Hosna war jener Mann, der in der Terrornacht des 2. November 2020 einem angeschossenen Polizisten das Leben rettete, indem er ihn beherzt vom Tatort zu den Sanitätern schleppte. Da schoss der Attentäter Kujtim F. noch wild um sich. Die Brüder sind nur ein Jahr auseinander, sie stehen sich nah, kennen die Handycodes des jeweils anderen.

Das LVT indiziert eine „religiös-fundamentalistische Einstellung” und bleibt den Beweis schuldig. Abu El Hosnas „bisheriges Verhalten” habe zwar „noch zu keiner strafrechtlichen Anklage geführt”, lasse aber eine „antidemokratische Einstellung vermuten”. Worauf das LVT diese Schlussfolgerungen macht? Auch das führt die Behörde nicht aus.

Erschwerend führt das LVT außerdem vier Parkstrafen aus dem Jahr 2021 an – und das, obwohl der die Delikte gar nicht begangen haben kann: Abu El Hosna besitzt weder Auto noch Führerschein.


Falter-Radio

Sozialstaat, innovativ: Wie der sozialen Krise begegnet werden könnte

Welche Konzepte wirken gegen Arbeitslosigkeit? Was tun gegen die Energiekrise? Und wie beendet man die Kinderarmut? In der aktuellen Folge diskutieren darüber (v.l.n.r.): Der designierte SPÖ-Landesparteivorsitzende Sven Hergovich, die Diakonie-Sozialexpertin Johanna Pisecky, Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger, und FALTER-Chefreporterin Nina Horaczek. Moderation: Raimund Löw (Mitte).


FALL WIEN ENERGIE

Soraya Pechtl

Überkorrektheit? Oder doch Pflanzerei?

Die U-Kommission im Fall Wien Energie bekommt vom Magistrat kaum Akten – mit spitzfindigen formaljuristischen Begründungen.

Ist Dietmar Griebler einfach ein überkorrekter Beamter oder boykottiert der Magistrat die U-Kommission? Sie müssen wissen, der Mann hat ziemlich viel Einfluss. Als Magistratsdirektor ist er der höchste Beamte im Rathaus, als Aufsichtsratschef bei den Wiener Stadtwerken an führender Stelle.

Gestern sollte Griebler den Abgeordneten der Wien-Energie-U-Kommission Rede und Antwort stellen. Das tat er auch. Rausgekommen ist etwa, dass er am 8. Juli mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) darüber gesprochen hat, dass die Wien Energie bald mit einem Finanzbedarf auf die Stadt zukommen könnte – also einige Tage, bevor Ludwig den Kreditrahmen in Höhe von 700 Millionen Euro unterzeichnete.

Mindestens genauso interessant: Griebler hat dargelegt, warum die Kommission bisher kaum Akten vom Magistrat bekommen hat. Gestern wurde nämlich klar, dass die Stadt einige Unterlagen sehr wohl haben müsste.

Warum das Magistrat diese dann nicht geliefert hat? Kurz gesagt: Weil die Anträge schlampig formuliert waren. In einem wurde Griebler etwa als Aufsichtsratschef angesprochen und gebeten, die Dokumente zu liefern.

Was nicht geschah. Warum? Weil Griebler diese Akten nicht in seiner Funktion als Aufsichtsrat bekommen hatte, sondern als Magistratsdirektor. Und deswegen habe er sie formaljuristisch nicht aushändigen können, wie er sagte.

Ein anderes Beispiel: Die Stadtwerke haben Gutachten zur Finanzlage der Wien Energie an Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) übermittelt. Der U-Kommission sind diese aber bislang nicht vorgelegt worden. Warum? „Wenn jemand dem Stadtrat etwas übergibt, wie soll ich das als Magistratsdirektor mitbekommen?“, antwortete Griebler. Zur Erinnerung: Der Mann ist Aufsichtsratschef bei den Stadtwerken.

Die vorsitzenden Richter staunten nicht schlecht: „Wenn wir ein Amtshilfeersuchen stellen, dann weiß nur die Person, die das gerade bearbeitet, ob sie diese Dokumente hat? Das heißt, wir müssten tausende Mitarbeiter anfragen?“, fragte Vorsitzender Martin Pühringer leicht ironisch. Auch die stellvertretende Vorsitzende Regine Jesionek zeigte wenig Verständnis: „Man könnte die U-Kommission auch unterstützen und Unterlagen vorlegen, wenn keine triftigen Gründe dagegen sprechen. Warum versuchen sie nicht, die U-Kommission zu unterstützen?“, fragte sie.

Und auch Stefan Gara von den Neos schloss sich dem an: „Ich stimme Frau Jesionek zu. Wir haben hier schon auch ein Problem“. Wenn ein paar Unterlagen nicht übermittelt werden, sei das nachvollziehbar. Aber so gut wie gar keine? „Mir ist wichtig, dass die Öffentlichkeit ein umfassendes Bild von der Gesamtsituation bekommt“, so Gara.

Antwort von Griebler: „Egal wie man es macht, man macht es verkehrt.“ Der Magistrat müsse sich nun einmal an die Rechtsvorschriften halten. „Das ist nichts, was aus Jux und Tollerei geschieht.“

Jesionek war am Ende der Sitzung dann überzeugt: Griebler sei ein penibler Beamter und versuche nicht die Kommission zu boykottieren. Eine Bitte gab sie ihm trotzdem mit: „Sie können uns auch ein wenig entgegenkommen“. Der Magistrat wird in den nächsten Tagen jedenfalls wieder Post bekommen: Neu und hoffentlich besser formulierte Anträge.


Stadtnachrichten

Zwei Freisprüche und vier Schuldsprüche fällte ein Geschworenengericht gestern Nacht nach mehr als zwölf Stunden Beratung im Prozess um die Terroranschläge vom 2. November 2020.

Der Erstangeklagte wurde vom Vorwurf der Beteiligung am Mord freigesprochen: Gegen ihn lagen nicht genügend Beweise vor, den Attentäter Kujtim F. bei der Planung und Vorbereitung des Anschlags psychisch und logistisch unterstützt zu haben. Ähnlich der Zweitangeklagte: Bei ihm gelang für die Geschworenen der Nachweis nicht, am Tag des Anschlags bei den Tatvorbereitungen und der Auswahl des Ziels – den Gastgärten und Lokalen im Bermudadreieck – behilflich gewesen zu sein.

Die restlichen Vier wurden jedoch für schuldig befunden, dem islamistischen Terroristen wissentlich und in unterschiedlicher Weise assistiert zu haben – etwa, indem sie ihm falsche Papiere oder Munition besorgten. Drei der vier Männer werden der radikal-islamistischen Szene und der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) zugerechnet.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig.


Die Bundesregierung hat gestern den Fahrplan für das Ende der Corona-Maßnahmen bekannt gegeben. Ein Überblick:

  • Im ersten Schritt fällt am 30. April die Maskenpflicht in Spitälern, Alten- und Pflegeheimen. An diesem Tag endet auch die „Risikogruppenfreistellungsverordnung“. Bisher konnten sich Personen, die einer Risikogruppe angehören, vom Dienst freistellen lassen, wenn sie keine Möglichkeit zum Homeoffice hatten.

  • Am 30. Juni enden alle anderen Bestimmungen: Corona wird keine meldepflichtige Krankheit mehr sein. Kostenlose Tests in Drogerien werden Sie nicht mehr finden. Corona-Impfstraßen? Geschichte. Stattdessen sollen Impfungen, Tests und Medikamente ins „Regelsystem“ überführt werden. Das heißt: Symptomatische Personen können sich beim Hausarzt weiterhin kostenlos testen lassen. Die Impfung soll mit der Grippe-Impfung „verheiratet“ werden – es soll also eine saisonalen Impfzyklus mit angepassten Impfstoffen geben. Auch die Vakzine und die Medikamente bleiben kostenlos. Der Grund, warum diese Änderungen erst später inkrafttreten: Bundesländer und Sozialversicherungsträger müssen sich erst auf die Umstellung vorbereiten. Verträge mit Testanbietern müssen beispielsweise gekündigt werden.

  • Ebenfalls mit dem 30. Juni fällt das Covid-Maßnahmengesetz: Spätestens dann ist auch die Maskenpflicht in Wien Geschichte.

  • Bis Ende des Jahres soll ein neues Epidemiegesetz zur Begutachtung ins Parlament geschickt werden. Außerdem wird es noch heuer einen Pandemieplan geben, also eine Art Handbuch zum Umgang mit den verschiedenen Phasen einer Pandemie.

  • Das Monitoring bleibt: Der Bund will die Infektionszahlen durch Analyse des Abwassers und der Auswertung von PCR-Proben weiterhin beobachten.


Meinung

Raimund Löw

Neutralität muss nicht Isolation bedeuten

Österreich hätte das Know-how, ukrainische Soldaten auf dringend benötigten Kampfpanzern zu trainieren – warum wird darüber nicht einmal diskutiert?

Wer vergangene Woche die Diskussion über die deutschen Leopard-Panzerlieferungen an die Ukraine verfolgt hat, wurde von Marie-Agnes Strack-Zimmermann überrascht. Die toughe Verteidigungsexpertin der FDP zählte die europäischen Staaten auf, die alle Leopard-Kampfpanzer betreiben und diese liefern könnten – darunter auch Österreich.

Österreichischer Leopard-Panzer: Ungarn trainiert bereits darauf – warum nicht auch die Ukraine? © Bundesheer/Daniel Trippolt

Eine schnelle Nachfrage in Wien bestätigt: Das Bundesheer verfügt über die Kriegsgeräte, welche die Ukraine im kommenden Frühjahr in die Schlacht werfen möchte. Sie machen das „Hauptwaffensystem“, also den Kern der österreichischen Panzertruppe aus. 52 Stück Leopard 2 werden vom Panzerbataillon 14 in Wels betrieben.

In der internationalen Zusammenarbeit brachte das Bundesheer immer wieder mehr Gewicht auf die Waagschale, als vermutet. Dazu gehören erstaunlicherweise auch die Kampfpanzer. Am Standort Wels ist seit zwei Jahren Ungarisch zu hören. Die ungarische Armee trainiert ihre Soldaten und Offiziere auf den österreichischen Leopard.

Demnächst wird sich unser Nachbarland das deutsche Kriegsgerät besorgen. Ausbildung und Vorbereitung der Ungarn passieren auch in Kooperation mit dem Bundesheer. Die Trainingsmission läuft seit 2020 und ist mit zwei Mal zwei Wochen gestaffelt, für zwölf bis 16 Mann pro Jahr, bestätigt der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums. 2023 wird die Kooperation fortgesetzt.

Die österreichische Trainingsmission für die Modernisierung der ungarischen Panzerflotte zeigt, dass Neutralität nicht Isolation bedeuten muss. Aber denkt jemand daran, dass Österreich auch ukrainische Militärangehörige für den Leopard-Einsatz vorbereiten könnte, mit dem die russische Aggression gestoppt werden soll? Das Know How wäre vorhanden, sagt Brigadier Philipp Eder, der oberste Militärstratege des Bundesheeres. Das belegt das Trainingsprogramm für die Ungarn. Alles weitere wäre eine politische Entscheidung.

Eine ähnliche Diskussion führt gerade die Schweiz, nach deren Vorbild Österreichs Neutralität definiert ist. Die zuständige Sicherheitspolitische Kommission des Parlaments in Bern befürwortet die bisher verweigerte Lieferung von Munition für den deutschen Gepard-Panzer, der von Deutschland in die Ukraine geschickt wird. Das Kriegsmaterialgesetz muss gelockert werden, um die Ukraine zu unterstützen, argumentieren die Schweizer Sozialdemokraten. Sie sind bisher auf der Bremse gestanden.

In Österreich steht eine ernsthafte Debatte um die Rolle des Landes in der neuen Sicherheitssituation in Europa noch aus.


Lokaltipp

YU-GO Grillage

Alle, die noch Fleisch essen, lieben Ćevapčići. Weshalb Mario Bernatovic, Gourmetkoch und aktuell Besitzer der Albert Bar in der Josefstadt, seit ein paar Jahren an einem balkanesischen Streetfood-Konzept mit gewissem Qualitätsanspruch tüftelt und nun in der Lugner City das YU-GO eröffnet hat. Mit einem hellen, transparenten Outfit, mit Bildern jugoslawischer Fußballhelden von einst und bodennahen Preisen müsse das eigentlich ein Bluechip sein, dachte sich Bernatovic – das Lugner-City-Publikum erweist sich allerdings als zögerlich.

Dabei gibt’s im Billig-Paradies kaum Besseres zu essen: Die fünf rohen Ćevapčići werden ohne Fett auf heißer Platte gebraten, das Fladenbrot wird nach bosnischer Art mit Rindsuppe getränkt und auf der heißen Platte feucht aufgebacken, herrlich (€ 5,90). Dazu frisch gehackter Zwiebel, gegen ein bisschen Aufpreis gibt’s noch hausgemachte Frischkäse-Creme Kajmak oder mazedonische Bio-Ajvars, einer besser als der andere.

Die gesamte Lokalkritik von Florian Holzer lesen Sie hier.


Frage des Tages

Was zeigt unser heutiges Satellitenbild?

© Geoland

Auflösung von gestern: In öffentlichen Toiletten 1. Klasse befanden sich früher auch Waschtische – Leinenhandtücher, Duftwässer oder Parfüms wurden auch dort nicht gereicht.


Event des Tages

Lisa Kiss

Musik

In seiner neuen Veranstaltungsreihe „Austrofreds Barcelona“ lädt der Champion Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Genres zum Pop-Klassik-oder-so-Gipfeltreffen. Die Gäste werden nicht einfach nur auftreten, vielmehr sollen sie dem Publikum „auf ,austrofredianische‘ Art und Weise ihre verschiedenen Zugänge zum Musikmachen näherbringen“. Diesmal trifft die Schauspielerin, aber eben auch Sängerin Ursula Strauss auf den Produzenten und Synthesizer-Nerd Patrick Pulsinger. (Sebastian Fasthuber)

Radiokulturhaus, 20.00


Sachbuch

Friederike Schmitz: Anders satt

„Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft“, soll der Geschäftsführer eines Fleischkonzerns einmal gesagt haben. Könnte Fleischessen bald ebenso verpönt sein wie das Rauchen? Der deutschen Autorin Friederike Schmitz geht es mit „Anders satt“ nicht um Fleischesser-Shaming. Ihr Fazit aber lautet ganz klar: Der Umfang der Tierproduktion muss drastisch gesenkt werden - und zwar so schnell wie möglich. Sie erklärt die Probleme der Nutztierzucht und warum die Zukunft eine vegane sei.

„Anders satt“ stellt unangenehme Grundsatzfragen und versammelt Studien, die Vor-und Nachteile der rein pflanzlichen Lebensmittelproduktion diskutieren. Auch wenn man ihre Schlüsse nicht teilen mag: Schmitz liefert die Basis für eine informierte Diskussion darüber, ob eine Wirtschaft mit Tierzucht in Zeiten wie diesen noch vertretbar ist. (Christof Mackinger)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Der Fassadenleser

Klaus-Jürgen Bauer

Clash of Cultures

In der Unteren Weißgerberstrasse findet sich ein unscheinbares Detail, das so oder so ähnlich bei vielen gründerzeitlichen und historistischen Hausfassaden Wiens entdeckt werden kann. Ein technisches Ding – der Zylinder einer Schließanlage – kommt hier nämlich einem wesentlichen Element der Architektur in die Quere.

Der Zylinder einer Schließanlage kommt hier einem wesentlichen Element der Architektur in die Quere © Klaus-Jürgen Bauer

Wiener Erdgeschoßzonen sind in der Regel von Bossenwerk – ein mittelhochdeutscher Begriff für aus dem Stein herausschlagen – bestimmt. Bossen dienten ursprünglich dazu, das Abgleiten schwerer Steine von Hebetauen zu verhindern. Wenn der mittelalterliche Steinmetz also Steinquader herstellte und dessen Oberfläche so aufrauhte, dass deren Stirnseite nur grob behauen blieb, dann nannte man das bossieren.

In den spätmittelalterlichen florentinischen Stadtpalazzi waren wehrhaft-bossierte und verschlossene Erdgeschoßzonen – man denke nur an die streitbaren Auseinandersetzungen des Personals von Shakespeares Romeo und Julia – überlebensnotwendig. In der eleganten Renaissance wurden Bossierungen dann zu einem Ausdruck von Reichtum: Man konnte sich ein Steinhaus leisten!

Im Wien des Historismus gab es jedoch kaum mehr Stein, daher wurde hier das Bossenmauerwerk – egal, ob als Bosse, Buckelquader, Diamantquader oder Rustika – ganz einfach in Putz hergestellt. Platz für den Schlüssel wäre aber daneben auch gewesen.


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