Albtraum Stromrechnung: Reportage aus dem Wien-Energie-Kundenzentrum - FALTER.morgen #505
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Vor dem Kundenzentrum der Wien Energie bilden sich lange Schlangen von Menschen, die sich Strom und Gas nicht mehr leisten können: Eine Reportage >> „Asyl in Not“ auf der Suche nach Asyl >> Vogel der Woche: Der Kleinspecht
Wetterkritik: So kalt wie heute war es 2023 noch nie: Bei klarem Himmel sinken die Temperaturen auf bis zu minus 10 Grad (tagsüber sind es 0 Grad). Ja, der Winter muss kalt sein! Wenn die Kältewelle erst im Februar kommt – in der Zeit beginnt normalerweise die Vorfreude auf den Frühling – ist das aber auch ziemlich entmutigend.
Guten Morgen!
Vor ein paar Tagen bin ich in aller Früh losgezogen, um eine Örtlichkeit zu besuchen, an der im Moment ganz viele Wienerinnen und Wiener ihre substanziellen Sorgen abladen – nein, die Rede ist nicht von der Zentrale der Telefonseelsorge, sondern vom Kundenzentrum der Wien Energie.
Kurz vor halb acht Uhr morgens im Winter ist die goldene Kugel am Turm der Müllverbrennungsanlage Spittelau, in der es sich befindet, noch in Dunkelheit gehüllt. Trotzdem sammeln sich vor dem Eingang des Kundenzentrums bereits 20 Personen. Sie haben ihre Jacken bis zu den Ohren gezogen und steigen abwechselnd von einem Bein aufs andere, um gegen die Kälte anzukämpfen.
Sie sind alle aus ähnlichen Gründen hier: „Ich verstehe meine Energierechnung nicht”, „Warum muss ich so viel bezahlen?” und auch: „Ich kann die Rechnung nicht bezahlen.”
Rund 600 Leute kommen jeden Tag zum Kundenzentrum der Wien Energie. „Zusätzlich rufen etwa 10.000 Menschen an, 4.500 schreiben eine Mail”, sagt Leiterin Mirjana Jovicic. Seit dem Angriffskrieg in der Ukraine und den explodierenden Energiepreisen sind die Anfragen so hoch wie nie. 300 Mitarbeiter kümmern sich täglich um die Kunden.
Zwischen November 2021 und November 2022 stiegen die Energiekosten um 42,1 Prozent. Erdgas kostet mehr als das Doppelte. In Wien heizt beinahe jeder zweite Haushalt mit Gas.
Ich habe mit Betroffenen und Mitarbeitern des Kundenzentrums gesprochen, um zu erfahren, wie es beiden Seiten damit geht. Die Reportage finden Sie gleich unten.
Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Magdalena Riedl über die gestrige Solidaritätsdemo für eine von der FPÖ rassistisch beleidigte Gymnasialklasse aus dem Zehnten und den gescheiterten rechtsextremen Versuch, die Kundgebung zu kapern. Martin Staudinger über einen Streit im selbstverwalteten WUK, wo die NGO „Asyl in Not“ befürchtet, auf die Straße gesetzt zu werden. Und Vogelwart Klaus Nüchtern über einen seiner seltenen Erfolge im Extremspechtspechtelsport.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
Daniela Krenn
PS: In der Nacht, als wir noch in der Recherche für die Solidaritätsdemo waren, wurde eine Version dieses Newsletters an manche von Ihnen leider frühzeitig verschickt. Wir bitten um Entschuldigung!

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„Ich kann die Rechnung nicht bezahlen”
Hunderte Menschen stürmen jeden Tag das Kundenzentrum der Wien Energie. Bis zu 10.000 rufen dort an. Der Grund: Sie können ihre Energiekosten nicht mehr stemmen.
Als um Punkt acht Uhr die Türen des Kundenzentrums aufgehen, sind es schon um die 50 Leute, die ins Warme strömen. Das erste, was sie nach der Türe erwartet, ist ein Stand des Fonds Soziales Wien, seit wenigen Wochen steht hier jeden Tag ein Mitarbeiter der Sozialeinrichtung. Sie machen hauptsächlich Schuldnerberatung.
Rund eine Stunde warten Menschen, nachdem sie eine Nummer gezogen haben, auf einen Beratungstermin – und das, obwohl die Wien Energie die Anzahl der Mitarbeiter um ein Drittel auf 20 Berater vor Ort aufgestockt hat. „Die Teuerungen haben wirklich die Mittelschicht erreicht”, sagt Martin Kubin, Leiter des Kundenzentrums.
„Ich hab ein Problem”, sagt der ältere Mann am dunklen Schreibtisch von Kundenberater Robin Heger. Der Name des Kunden bleibt aus Datenschutzgründen geheim. Dafür darf der FALTER.morgen beim Gespräch dabei sein, um zu hören, was für ein Problem der Mann hat. Dieser, ein Staplerfahrer bei Ikea, schiebt ein DIN A4-Blatt mit Wien Energie-Logo Richtung Kundenberater Heger. Auch seine Kontoauszüge hat er dabei.

Warteschlange vor dem Kundenzentrum der Wien Energie © Magdalena Riedl
„Wieso muss ich so viel zahlen?”, fragte er. 349,34 Euro sind auf der Rechnung offen. Heger ruft die Kundenakte im Computer auf. Bei 2017 steht in der Tabelle: 87 Euro. Heger kann die Rechnung nicht senken. Noch geht sich alles irgendwie mit dem Gehalt des Mannes aus. Aber viel bleibt ihm nicht mehr.
Wenn es Unverständnis und Ärger über die gestiegenen Preise gibt, dann ist hier im Kundenzentrum nicht viel davon zu spüren. Auch der ältere Mann ist nicht wütend – er ist resigniert. Abends isst er nur mehr Käsebrot, üppigere Mahlzeiten sind ihm zu teuer. Er habe Angst vor der nächsten Rechnung, sagt er. Heger kann ihn zumindest ein bisschen beruhigen. Der hohe Betrag käme durch die Summe aus Jahresendabrechnung und der Vorauszahlung für das erste Quartal zusammen. Die nächste Rechnung in drei Monaten liegt bei etwas niedrigeren 289 Euro.
Robin Heger ist erst 18 Jahre alt. Er fing 2019 eine Lehre als Bürokaufmann bei Wien Energie an. „Da durchläufst du mehrere Stationen, mir hat es im Kundenzentrum allerdings so gut gefallen, dass ich bleiben wollte”, sagt er. Und gebraucht wurde er dort auch. Etwa eine Viertelstunde sitzen seine Kunden bei ihm. Bei seinem nächsten Kunden senkt er die Teilbeträge von 700 Euro auf 470. Die Arbeit im Kundenzentrum läuft nicht immer so reibungslos.
Lange Wartezeiten am Telefon, unverständliche Schreiben bei Teilbeträgen oder Preisanpassungen. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Beschwerden bei der Regulierungsbehörde E-Control Österreich vervierfacht. Rund 30.000 Anfragen wegen mangelhaften Kundenservice bei den Energieanbietern gingen vergangenes Jahr ein. Die Wien Energie versichert, an Verbesserungen zu arbeiten. Entspannung ist dennoch nicht in Sicht.
Bereits im November 2021 waren die Energiepreise um über 15 Prozent teurer als vor Corona. Zudem treiben die hohen Energiepreise die Inflation in die Höhe.
Auch deshalb sucht Jovicic weitere Mitarbeiter für den Kundenservice. „Das Thema Energie ist bei allen extrem in den Fokus gerückt und bleibt es wahrscheinlich auch in Zukunft”, sagt sie.
Die Strompreisbremse, die der Nationalrat Ende vergangenen Jahres beschlossen hat, ist übrigens seit 1.1.2023 in Kraft. Sie wird automatisch auf der Rechnung gutgeschrieben.
PS: Die Vorschreibungen können Sie online um bis zu zehn Prozent herabstufen. Mehr Infos finden Sie hier. Und beim Tarifkalkulator der e-control können Sie berechnen lassen, was das günstigste Angebot für Ihre persönliche Situation ist.
Protest

„Wien gehört uns allen”
Hunderte Menschen solidarisierten sich gestern mit der Gymnasialklasse, die von FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl beleidigt wurde. Rechtsextreme wollten die Kundgebung kapern – erfolglos.

Rechtsextreme versuchten, die Solidaritätskundgebung zu kapern – und scheiterten © Magdalena Riedl
„Der Reumannplatz gehört uns allen, Wien Zehn gehört uns allen, ganz Wien gehört uns allen”, ruft Petar Rosandić, Gründer der Menschenrechtsorganisation SOS-Balkanroute, ins Mikrofon. Die Menge jubelt ihm zu. Trotz der Minusgrade haben sich gestern Hunderte Menschen aufgerafft, um Solidarität mit jener Klasse zu zeigen, die der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl vorige Woche vor laufender Kamera rassistisch beleidigt hatte.
Eingepackt in warme Schals und Daunenjacken, die Wollhauben tief in die Gesichter gezogen, steht die Menge vor der Bühne. Manche schwenken grüne, lila oder rote Fahnen, andere halten ihre Schulkinder an den Händen. Sie alle hören Rosandić zu. „Jetzt ist die Zeit, nicht nur für Reden, nicht nur für Fotos, nicht nur für Positionierungen. Sondern für konkrete, an der Wurzel ansetzende und systematische antirassistische Veränderungen”, sagt er.
Die Favoritner Bezirksparteien, ausgenommen ÖVP und (wie nicht anders zu erwarten) FPÖ, haben die Kundgebung parteiübergreifend organisiert. Sie wollen damit ein Zeichen gegen die rassistische Beleidigung Waldhäusls und eine davon motivierte rechtsextreme Aktion vor einer Wiener Schule (wir haben am Montag im FALTER.morgen berichtet) setzen.
Aber gegen 19:30 Uhr wird die Kundgebung gestört. Grelles rotes Licht leuchtet plötzlich am schwarzen Himmel, die Menge beginnt zu rufen: „Alerta, alerta, antifascista!” Zwei rechtsextreme Aktivisten hissen auf einem Baugerüst an der Fassade des Amalienbads ein Banner mit den Worten „Waldhäusl hat recht!” – und wollen damit den Migrantinnen und Migranten die Aufenthaltsberechtigung in Österreich absprechen. Ein Teil der Demonstrierenden skandiert dagegen: „Nazis raus!” Zwischen den beiden Gruppen positionierte sich die Polizei. Eine halbe Stunde später ist die Aktion auch wieder vorbei, Beamte der Wega haben das Banner und die jungen Männer entfernt.
Die Rechten haben es nicht geschafft, die Solidaritätskundgebung zu kapern. Während sich die Menschenmenge langsam auflöst, tanzen ein paar Kinder noch zu Trommelmusik.
Stadtnachrichten
Internetbetrug, Hass und Gewalt im Netz sowie Cyber-Stalking nehmen seit Jahren zu. 2021 sind sogenannte Cybercrime-Delikte um knapp 30 Prozent gestiegen.
Das muss nicht sein. Wir haben zum heutigen Safer Internet Day ein paar Anlaufstellen für Sie:
Unter www.saferinternet.at finden Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer Tipps zum Umgang mit digitalen Medien.
Wer von Hass im Netz betroffen ist, bekommt Hilfe bei der Beratungsstelle ZARA: +43 1 929 13 99
Die Plattform Watchlist Internet informiert über Internetbetrug und gibt Tipps, wie Sie sich schützen können.
Wenn Sie Probleme mit online abgeschlossenen Verträgen haben, können Sie die Internet Ombudsstelle kontaktieren.
In Wien gibt es seit zwei Jahren eine Kompetenzstelle gegen Cybergewalt. Betroffene Frauen können sich an den Frauennotruf (01/71719) oder die Beratungsstelle der Wiener Frauenhäuser (01/5123839) wenden.
Sollten Sie auf Straftaten im Internet aufmerksam werden, dann wenden Sie sich an die Polizei.
FALTER RADIO
Amerikas Gotteskrieger

Wie die religiöse Rechte die Demokratie gefährdet und Donald Trump wieder an die Macht bringen will, untersucht Journalistin Annika Brockschmidt im Wiener Stadtgespräch mit FALTER-Redakteurin Barbara Tóth.
Stadtgeschichten

„Asyl in Not“ in Not und auf Asylsuche
NGO befürchtet, ausgerechnet vom WUK auf die Straße gesetzt zu werden – die Hintergründe.
Asyl-Helfer, die selbst Asyl suchen? Danach hört sich ein offener Brief an, den „Asyl in Not“ gestern ausgeschickt hat. Die (durchaus streitbare) NGO fürchtet, in Kürze obdachlos zu werden: „Man will uns auf die Straße setzen“. Und der Hausbesitzer, der das zu tun gedenke, sei ausgerechnet der Vorstand des WUK, der Heimstatt von 150 selbstverwalteten, großteils linken Gruppen.
Was ist da los?
Die Vorgeschichte: Der Gebäudekomplex, in dem sich das WUK befindet, ist seit Langem sanierungsbedürftig, die umfangreichen Arbeiten (für die alle Gruppen im Rotationsprinzip zeitweilig aussiedeln müssen) sind nur möglich, weil die Stadt Wien finanziell einspringt. Im Gegenzug hat das WUK vor zwei Jahren einen Mietvertrag mit der Stadt abgeschlossen.

Protest gegen die neuen Nutzungsverträge im WUK © Asyl in Not/Screenshot
Das stieß bei „Asyl in Not“ auf Kritik: Die NGO beklagt, dass mit der konkreten Vertragskonstruktion alle Haftungen und Verbindlichkeiten vom Vorstand des WUK auf die Nutzerinnen und Nutzer abgewälzt würden. Das sei angesichts des knappen Budgets ein Risiko, das man nicht eingehen könne. Man habe Alternativen vorgeschlagen, sei vom WUK allerdings „vertröstet und hingehalten“ worden: „Ganz offensichtlich wurde hier auf Zeit gespielt, um den Druck auf uns zu erhöhen, da wir im April aufgrund der Umbauarbeiten unser Büro räumen müssen“, mutmaßt die NGO.
Am 31. Jänner wurde „Asyl in Not“ dann informiert, dass es für die Zeit des Umbaus keine Ersatzquartiere gebe. „Den Vorschlag des WUK-Vorstandes, dass wir unsere Arbeit für einige Zeit pausieren sollen, können wir nur als Gleichgültigkeit oder vollkommene Ahnungslosigkeit werten. Wir betreuen unzählige Asylverfahren, Opfer von Gewalt und Repression, politisch Verfolgte und Folterüberlebende, sind an Fristen gebunden, müssen auf die Akten unserer laufenden Verfahren zugreifen können und brauchen Räumlichkeiten, um unsere Arbeit machen zu können.“
Nachfrage beim Vorstand des WUK: Es ist a) alles kompliziert und b) vieles ein Kommunikationsproblem, heißt es dort.
Das eine sind die neuen Verträge. Dazu muss man wissen: Das WUK bildet eine Arbeitsgemeinschaft mit rund 150 Gruppen, die in sieben selbstverwaltete Bereiche organisiert sind. Dem Vorstand kommt dabei die Rolle des Moderators zu, sagt Obfrau Margit Wolfsberger: „Sonst wäre es ja keine Selbstverwaltung.“ Der Mietvertrag mit der Stadt habe es notwendig gemacht, auch die „Innenverhältnisse“ im WUK zu klären und formelle Nutzungsverträge mit den sieben Bereichen abzuschließen. Damit gehen auch höhere Kosten einher. Die meisten Vereine seien mit der neuen Konstruktion trotzdem zufrieden, so Wolfsberger. Die von „Asyl in Not“ befürchtete Haftungsproblematik sehe der Anwalt des WUK nicht. Für die Frage des Vertrags lasse sich sicher eine Lösung finden, sagt Wolfsberger.
Das andere sind die Ausweichquartiere. „Dabei wird es aber ein bisschen schwieriger“, fürchtet Wolfsberger. Das WUK wird ja bei laufendem Betrieb saniert, daher müssen ganze Trakte im Rotationsprinzip aussiedeln. Dabei sei durch „eine blöde Überschneidung bei einer Baustelle“ ein Engpass an Räumlichkeiten entstanden, der wohl bis Mai dauern würde, sagt Wolfsberger. Neben „Asyl in Not“ seien auch andere Gruppen davon betroffen: „Es ist völlig nachvollziehbar, dass die verzweifelt sind. Wir haben uns wirklich bemüht, Quartiere für alle zu finden, das war finanziell aber nicht leistbar.“
Gestern Abend waren jedenfalls Gespräche mit den einzelnen Bereichen angesetzt.
Frage des Tages
Welches Nutztier kommt in Wien zahlenmäßig am häufigsten vor?
Rind
Schwein
Schaf
Auflösung von gestern: 35 Euro gibt jeder Wiener bzw. jede Wienerin im Monat durchschnittlich für Alkohol aus. Ja, wir hätten auch gedacht, der Betrag würde eher bei 75 oder 150 Euro liegen.
Event des Tages

Theater
Bei einer Amokfahrt durch die Grazer Innenstadt am 20. Juni 2015 starben drei Menschen, 36 wurden verletzt. Was war geschehen? Warum lieh sich ein junger Mann den SUV seines Vaters, um damit in eine Menschenmenge zu rasen? Und was hat das alles mit Ludwig Wittgenstein zu tun? Das britisch-irische Regieduo Dead Centre beschäftigt sich in „Alles, was der Fall ist“ mit den Philosophien des österreichischen Denkers und versucht, sie auf der Bühne anzuwenden. Raffiniert und charmant. (Sara Schausberger)
Akademietheater, 20.00
Kinderbuch
Romana Romanyschyn, Andrij Lessiw: Als der Krieg nach Rondo kam (ab 5)
Erschienen in der Ukraine bereits im Jahr 2014 als Reaktion auf die Annexion der Krim, erlangte dieses Buch 2022 traurige Aktualität. Das Künstlerduo Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw packt das bedrückende Thema in eine zunächst federleichte, dann rabenschwarze Allegorie, die dazu gedacht ist, mit Kindern ins Gespräch über das schwer Erklärbare zu kommen.
Dazu bedient es sich der Mittel der Kunst, nämlich Gefühle und Bedeutungen in intuitiv verständliche Bilder zu übersetzen. Ein Lichtmännchen, ein Luftballonhund und ein Papiervogel leben im Städtchen Rondo in einer Idylle, in die das Chaos und die Dunkelheit des Krieges einbrechen. Klare, einprägsame Bilder vermitteln eine Botschaft, die Hoffnung macht: Der Krieg verschont niemanden, seine Narben bleiben, aber er ist nicht unbesiegbar. (Kirstin Breitenfellner)
Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at.
Vogel der Woche

Hör mal, wer da hämmert
IV. Der Kleinspecht
Spechtespechteln ist ein super Hobby: unverdächtig, unaufwendig, wohlfeil, jahreszeitenunabhängig und umweltfreundlich. Okay, ein vernünftiges Fernglas sollte man haben, aber das ist kein Planned-Obsolecence-Tool wie Smartphones oder elektrische Zahnbürsten, die man alle Jahre nachkaufen muss, weil der Akku abschmiert und nicht austauschbar ist, sondern ein Once-in-Your-Lifetime-Investment.

Auf dem tiefverschneiten, höchsten Berg Wiens im äußersten Astbereich der Baumkrone einen Kleinspecht vor die Linse zu bekommen, das ist schon hart am Extremspechtspechtelsport. © FALTER/Nüchtern
Spechtespechteln ist eher solitäre Beschäftigung als Mannschaftssportart und daher auch entsprechend leicht spontan auszuüben. Solange es die Licht- und Wetterverhältnisse erlauben, kann man sich zu Fuß oder per Öffis in den nächsten Park, die Praterauen, den Wienerwald oder sonst wohin begeben, wo’s ein paar Bäume und Wiesen hat und wird dort mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Echte Spechte stoßen. Echte Spechte, auch Picinae oder Stützschwanzspechte genannt, sind eine Unterfamilie der Picidae, und zu denen zählen bis auf den Wendehals alle Spechte, die man bei uns zu Gesicht kriegt.
Wenn man es sich damit, also dem Zu-Gesicht-Kriegen, nicht ganz einfach machen möchte, muss man halt die hegemonialen Bunt-, Grün- und Schwarzspechte auslassen und sich auf rarere Arten kaprizieren wie zum Beispiel den Kleinspecht. Der Kleinspecht ist deswegen schwerer zu sehen, weil er, wie der Name schon sagt, recht klein ist, genau genommen der kleinste der europäischen Spechte – etwa halb so klein wie ein Grünspecht, quasi kohlmeisenmäßig.
Erschwerend kommt hinzu, dass er seine Nahrung „vor allem im äußeren Astbereich der Baumkronen“ sucht. Jetzt heißt es immer, man dürfe Wikipedia nicht blind vertrauen, aber in dem Falle stimmt meine Erfahrung exakt mit dieser Angabe überein – weswegen auch das Foto, dass ich unlängst am Hermannskogel gemacht habe, nicht eben National Geography-Qualität hat. In Rechnung stellen muss man freilich eins: Auf dem tiefverschneiten, höchsten Berg Wiens im äußersten Astbereich der Baumkrone einen Kleinspecht vor die Linse zu bekommen, das ist schon hart am Extremspechtspechtelsport.
Klar zu identifizieren war der Kerl dennoch: am roten Mützchen (daher auch der „Kerl“, sprich: Männchen), an der weißen Querbänderung des Rückens (ähnlich wie beim Weißrückenspecht) und vor allem an dem im Vergleich kurzen und zarten Schnabel. Der wäre auch beim Mittelspecht schwach ausgeprägt, aber der ist doch etwas größer und weist außerdem eine rötliche Unterschwanzdecke auf, während diese beim Kleinspecht weiß ist.
Übrigens: Klaus Nüchtern zwitschert als @ClousInTheSky auf Twitter.

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