Hetze am Brunnenmarkt: ÖVP-Chef Karl Mahrer ist ein Rassist - FALTER.morgen #538

Versendet am 24.03.2023

Der Chef der Stadt-ÖVP betreibt mit einem Video über den Brunnenmarkt ungenierte Ausländerhetze – abseits der Fakten >> Wiens lustigste Bibliothekarin >> Wochenend-Events von Lisa Kiss >> Grundkurs Kochen: Grießschmarrn

Wetterkritik: Dass es im März wettermäßig ein Auf und Ab ist, wie bei einer Achterbahnfahrt im Prater – gegessen. Aber wäre es, to whom it may concern, vielleicht möglich die Ab-Phasen nicht unbedingt auf das Wochenende zu terminisieren? Ab heute nachmittag dichte Wolken, Samstag und Sonntag dann spürbar kühler bei maximal 15 Grad und zeitweise kräftigem Wind.


Guten Morgen!

Gestatten Sie mir ein persönliches Werturteil: Karl Mahrer ist ein Rassist. Ich schreibe das hier nicht einfach so hin. Ich kenne den derzeitigen Chef der ÖVP Wien seit zwanzig Jahren, weil ich früher oft über Polizeifolter berichtet habe. Mahrer zog hier klare Linien und ich hätte ihm, dem ehemaligen Vize-Chef der Wiener Polizei, dieses Etikett nie verliehen.

Aber seit einigen Tagen sehe ich es anders. Warum? Mahrer macht mit einem Video über den Brunnenmarkt gegen Ausländer mobil. Und zwar nicht etwa, weil sie extremistisch oder kriminell sind, also ein unliebsames Verhalten setzen. Sondern nur deshalb, weil sie Ausländer sind und es wagen, hier zu arbeiten und „ungestört ihre Kultur zu leben". Genau so formuliert es Mahrer und stört diese Menschen. Er greift sie nur aufgrund ihrer Herkunft an. Genau das ist Rassismus.

Sie merken schon, ich reagiere scharf. Das ist deshalb so, weil der Brunnenmarkt auch mein Grätzel ist. Ich beobachte sehr genau, was hier passiert und wie die Stadt regiert. Ich kenne die Lokale, die Standler, die Bäcker, Wirtsleute, Bezirkspolitiker. Natürlich gibts hier all die Probleme einer verdichteten Großstadt, vor allem an Schulen. Themen, denen sich die Politik annehmen muss. Aber nicht so wie Mahrer. 

Mahrer mag keine Ausländer am Brunnenmarkt, weil sie genau das tun, was die ÖVP will: sie betreiben freie Marktwirtschaft. Mahrer aber verachtet sie, weil sie anders aussehen, anders essen und anders beten, als er selbst. Mahrer schürt deshalb Neid: mit Vorurteilen und Unwahrheiten. 

Er tut das, um in jenem FPÖ-Milieu zu fischen, das er die „schweigende Mitte“ nennt. Manche Journalisten, etwa ein Kollege vom Kurier, meinen nun, man solle Mahrers „spalterischen Opa-Content“ nicht weiter breiten, denn: „Ist es nicht wurscht?“ 

Nein, es ist nicht wurscht. Warum erzähle ich ihnen gleich. Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Anna Goldenberg stellt Ihnen Wiens lustigste Bibliothekarin vor. Und im Grundkurs Kochen kredenzen wir zum Winterausklang Gries.

Ein schönes Wochenende wünscht

Florian Klenk


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Mahrers Mär

… und die Fakten.

Schauen wir uns Mahrers Propaganda genauer an. Sein Video nennt sich „Brunnenmarkt einst und heute“ und Mahrer behauptet darin, er habe mit Anrainern und Standlern gesprochen. Und die hätten ihm Folgendes erzählt: „Syrer, Afghanen, Araber“ hätten „die Macht über den Brunnenmarkt“ übernommen. Da gebe es zum Beispiel das Gerücht über „einen Syrer“, der „hat fünf Stände am Brunnenmarkt“ und er wolle „einen sechsten und einen siebten“ und er habe gesagt: „Ich zahle jeden Preis, ich habe Geld genug“.

Der Text enthält alle rechten Codes, wie sie auch die Identitäre Bewegung verbreitet. Da sind die "anderen" (die Afghanen und Araber), die hier „die Macht übernehmen“, "die Syrer", die „jeden Preis“ zahlen, weil sie „Geld genug“ haben und das Wiener Wahrzeichen „aufkaufen“. Mahrers Klientel versteht es: die arabischen Clans bedrängen nicht nur unser Wien, sondern auch unsere Bauern, die hier entrechtet werden.

So sieht lauf ÖVP-Chef Mahrer ein „Sinnbild gescheiterter Integration“, eine „No-Go-Area“ und eine „Unsicherheitszone“ aus – der Brunnenmarkt im 16. Bezirk (© FALTER/Christopher Mavrić)

Nirgendwo findet sich für Mahrers Behauptungen ein Beleg. Im Gegenteil: am Samstag ist der Yppenplatz voll mit Bauern. Mahrer war offenbar noch nie hier.

Aber der Wiener ÖVP-Chef legte auf Twitter noch nach. Am Brunnenmarkt würden sich Zuwanderer „zunehmend von der Mehrheitsgesellschaft abschotten“. Der Brunnenmarkt, twittert er, sei ein „Sinnbild gescheiterter Integration“, eine „No-Go-Area“ und eine „Unsicherheitszone“. Er hätte nur in eines der vielen Cafés gehen müssen, um sich eines Besseren zu belehren.

Und dann macht er noch etwas wirklich Hinterhältiges: Er stellte eine diskursive Verknüpfung zwischen den Marktstandlern und allen Sexualstraftaten her, die in Ottakring von 2020 auf 2021 angeblich „um 50 Prozent“ gestiegen seien.

Beginnen wir mit der Polizeistatistik: In der Corona-Zeit kletterte die Zahl der Anzeigen wegen Sexualstraftaten in ganz (!) Ottakring von 68 auf 105. Pro Jahr. Davon betrafen allerdings 24 Anzeigen wegen Kinderpornografie am Computer – also Delikte, die nicht im öffentlichen Raum begangen wurden, schon gar nicht am Brunnenmarkt. Wegen des Vergehens „sexueller Belästigung“ wurden 22 Anzeigen erstattet – bei 102.000 Einwohnern eine erstaunlich geringe Zahl, zieht man in Betracht, dass der äußere Gürtel und seine Lokale zu Ottakring zählen.

No-Go-Area? Der Brunnenmarkt zählt pro Woche laut Marktamt 80.000 Besucher. Das sind rund vier Millionen Menschen pro Jahr. Er ist damit der am meisten besuchte Markt, am Samstag findet man am Yppenplatz in den bosnischen, türkischen oder Wiener Lokalen keinen freien Stuhl.

Niedergang der Marktkultur? Gäbe es keine „Syrer und Afghanen“, wäre das Grätzel tot, schreibt Clemens Neuhold vom profil, selbst ein Brunnenmarkt-Anrainer. Und sogar das ist gewagt, denn die 171 Marktstände werden von Kleinunternehmern aus 46 Nationen bewirtschaftet – hier ist also nicht „alles gleich“, wie Mahrer insinuiert. Und am Wochenende kommen die von Mahrer vermissten „heimischen Landwirte und Nahversorger“ und bieten Kraut, Speck und Rüben feil.

Die Stadt Wien hat hier auch nie „weggesehen“. Im Gegenteil, sie hat fett investiert. 2010 wurde der Markt um vier Millionen Euro generalsaniert. 600.000 Euro hat die Stadt die Modernisierung und Begründung des Yppenplatzes investiert. 2019 erfolgte die Sanierung der angrenzenden Neulerchenfelderstrasse. Sie wurde um fünf Millionen Euro begrünt, mit Sitzmöbeln versehen und fußgängerfreundlich gestaltet. Die Ottakringerstrasse wurde 2013 saniert: 6,2, Mio Euro flossen in breitere Gehsteige und einen Radweg. Bei der Josefstädterstraße werden Obdachlose nicht vertrieben, sondern im "Josi" betreut.

Am Markt selbst wurde die Nordzeile 2019 zur Fußgängerzone. Die Thaliastrasse wird gerade zu einem „Klimaboulevard“, das kostet 18 Millionen. 200 Bäume, Sitzmöbel, Präriebeete gibt es hier jetzt – und natürlich das Kinderfreibad.

Beim Brunnenmarkt finden Kulturfestivals statt, das Volxkino, die Kunsttankstelle und die Brunnenpassage öffnen hier die Türen. Die Passage gehört der Caritas. Mahrer war hier vor ein paar Jahren und warnte vor Zündlern, nun ist er selbst einer.

Caritas-Direktor Klaus Schwertner richtet Mahrer daher Folgendes aus: „Wir erleben den Brunnenmarkt als Erfolgsbeispiel, wie Integration in einer Millionenstadt gelingen kann. Es ist höchst befremdlich, dass nun eine Partei, die gerne Integration vor Zuzug fordert, es Marktstandlern gleichzeitig zum Vorwurf macht, wenn sie Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen. Ich glaube, dass es weniger der Brunnenmarkt ist, der sich in den vergangenen Jahren geändert hat, als vielmehr Karl Mahrer selbst.“

Unsicherheitszone? Ja, für die FPÖ und die ÖVP. Die Blauen haben im Sprengel Yppenplatz bei der Nationalratswahl nur mehr 4,2 Prozent bekommen, die ÖVP 13 Prozent. Wo sich Menschen unterschiedlicher Kulturen begegnen, haben die Angstmacher keinen Auftrag. Da wird grün gewählt - die Ökos haben im Sprengel Yppenplatz mit 45 Prozent ihre Hochburg.

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Stadtgeschichten

Anna Goldenberg

Wiens witzigste Bibliothekarin

Monika Reitprecht twittert die lustigsten Kundenbegegnungen in den Büchereien Wien. Nun hat sie ein Buch geschrieben.

Einem Speibsackerl verdankt Monika Reitprecht ihren ersten und einzigen Shitstorm. Ein Buch des brasilianischen Autors Paulo Coelho war in einer Zweigstelle der Büchereien Wien zurückgegeben worden. Darin lag eines der weißen Papiersäckchen aus dem Flugzeug, das der Nutzer sichtlich als Lesezeichen verwendet hatte. Am 21. März 2015 setzte Reitprecht dazu einen Tweet samt Foto ab: „Wir haben nun Lesezeichen speziell für Paulo-Coelho-Bücher.“

Twittert trocken mit leichter Schärfe, verschroben, aber lebensnah und intellektuell ohne Arroganz über ihre Abenteuer als Bibliothekarin: Monika Reitprecht (© FALTER/Heribert Corn)

Die spirituellen Geschichten des brasilianischen Bestsellerautors finden die einen erhellend, die anderen zu platt. Ein ganzer Artikel auf orf.at widmete sich damals den Reaktionen auf Reitprechts Tweet. Ein Grund, die Jahreskarte zu verlängern, schrieb eine Userin. „Das ist eigentlich nicht die Rolle einer öffentlichen Bücherei“, befand hingegen Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren.

„Ich darf die Bücher schlecht finden“, verteidigt sich Reitprecht. Und sie darf das posten, im Namen der Büchereien Wien mit den 38 Zweigstellen und 1,3 Millionen Büchern, DVDs, E-Books und weiteren Medien. Seit 2009 befüllt die 49-Jährige die Facebook- und Twitter-Kanäle des städtischen Bibliotheksnetzes, eigentlich gemeinsam mit einer Kollegin; doch Reitprecht ist es, die dieser Tage ihr bereits zweites Buch mit den besten Postings veröffentlicht.

„Den Titel hab ich leider vergessen aber es ist blau“ heißt das Neue, und besteht hauptsächlich aus solchen Kundenanfragen, und den schrägsten Ausreden für zu spät zurückgebrachte Bücher. Garniert sind die Zitate mit Reitprechts - in der Regel unausgesprochenen - Antworten. „,Es ist mir nicht möglich, das Buch zurückzugeben, da ich es noch nicht ausgelesen habe.' - Sie haben damit den schwachen Punkt des Konzepts Leihbücherei getroffen.“ „'Das E-Book „Kapitalismus“ funktioniert nicht!' - Wenn es nur das E-Book wäre.“ Trocken mit leichter Schärfe, verschroben, aber lebensnah, intellektuell ohne Arroganz. Der Humor kommt an: Immerhin 69.000 Nutzer folgen ihr auf Facebook, 23.000 auf Twitter. Aber wer ist Österreichs bekannteste Bibliothekarin?

In Wien-Liesing aufgewachsen, lasen ihr die Eltern vor, ging sie oft mit der Mutter in die Bücherei, um sich die Bücher von Christine Nöstlinger auszuleihen. Reitprecht studierte Geschichte und Politikwissenschaften und sah sich danach in einer wissenschaftlichen Bibliothek oder einem Verlag. Aber dann war bei den Büchereien Wien eine Stelle frei. 1999 begann sie in der Hauptbücherei, damals noch mit Sitz in der Josefstädter Skodagasse.

Seit 2009 steht sie nicht mehr hinter der Theke. Stattdessen kümmert sie sich um die Website, Facebook und Twitter sowie die E-Books. Kundenbegegnungen hat sie nun per Mail; in ihre Postings fließt aber auch ein, was ihr Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirken erzählen. Anfangs blieben die Inhalte brav - Veranstaltungsankündigungen und Links zu Buchrezensionen; doch die frechen Beobachtungen sorgten für Klicks, die Bücherei ließ sie gewähren.

Das Klischee der strengen, verstaubten Bibliothekarin will Reitprecht aufbrechen, mit ihrem Humor und auch, indem sie erklärt, was ihr Job beinhaltet. Den Umgang mit Menschen zum Beispiel. Und so flapsig sie auf den sozialen Medien daherkommt, so überlegt ist sie im Gespräch. Die bekannteste Bibliothekarin des Landes ist keine Selbstdarstellerin, sondern höflich, ja ein wenig vorsichtig. „Die Bücherei ist ein sozialer Treffpunkt“, sagt sie dann. Ein älterer Herr geht fluchend vorbei: „So ein depperter Scheißdreck!“ Reitprecht grinst, ihr Kommentar kommt prompt: „Wir haben viele zufriedene Kunden!“ Anderthalb Stunden später ist der Tweet gepostet.

Die ganze Geschichte lesen Sie im Falter (mit 4-Wochen-Testabo kostenlos). Das Buch können Sie unter faltershop.at bestellen.


Falter-Radio am Wochenende

Samstag, 25.3.2023

„Ich bin so feministisch, wie ich es hinkriege“

© Victor Pattyn

Der Musiker Herbert Grönemeyer im launigen Gespräch mit FALTER-Musikjournalist Gerhard Stöger über sein neues Album „Das ist los“, Klima, Kapitalismus, die Sozialdemokratie und Feminismus als Hoffnung.


Sonntag, 26.3.2023

Nina Chruschtschowas Abrechnung mit Putin

Kreisky Forum

Nina Chruschtschowa, Russland-Expertin und Urenkelin des ehemaligen sowjetischen Parteichefs Nikita Chruschtschow, prangert Russlands Kriegskurs an und zeichnet ein düsteres Bild der Entwicklung ihres Landes. Das Gespräch mit dem Historiker Phillip Blom in der Akademie für Angewandte Künste in Wien hören Sie ab Sonntag hier.


Frage des Tages

Im Spätmittelalter gab es unterschiedliche Lederhersteller, unter anderem die Gruppe der Rotgerber, Weißgerber und die Sämischgerber. Worin unterschieden sie sich?

1. Sie verwendeten andersfarbiges Leder

2. Sie unterschieden sich in der Art der Herstellung

3. Die Bezeichnungen ließen auf die soziale Herkunft der Gerber schließen

Auflösung von gestern: Unser Satellitenbild zeigt das Erholungsgebiet Wienerberg in Favoriten.

© Geoland


Wochenendevents

Lisa Kiss

Theater

Bei der Quizshow „Pimmelrad“ drücken die Mitratenden wackelige Dildos als Buzzer. Wer beantworten kann, dass Frauen das Bier erfunden haben, hat gute Chancen, eine „lebenslange Mitgliedschaft im Patriarchat“ zu gewinnen. Sophie Benedikte Stockers Doku-Theaterstück „Herstory. No more excuses. No more abuses“ ist eine Collage über Frauen*. Aufs lustige Ratespiel folgen Anekdoten zu Grapschern in der U-Bahn und Geschichten über gewalttätige Lebensgefährten. Dazwischen brüllen die sechs Schauspielerinnen Parolen im Chor, singen und tanzen zur Livemusik von Jana Schulz und schwingen Brandreden. (Sara Schausberger)

Werk X Petersplatz, Fr, Sa 19.30


Theater

Cäsar will etliche Gesetze ändern und ein paar Kleinigkeiten abschaffen: die Befristung der Legislaturperiode etwa. Die Idee finden Antonius, Brutus, Casca und Cassius nicht so toll. „Cäsars Büro“ von Kaja Dymnicki und Alex Pschill versetzt die Handlung über die Ermordung des tyrannischen Autokraten ins Amerika der 1970er. Ensemble, Maske und Kostüme sind der Hit! (Sara Schausberger)

Bronski & Grünberg, Sa, So 19.30


Musik

Unter dem Titel Sinnesrauschen veranstaltet das Haus der Musik in Kooperation mit der Vienna Songwriting Association im überdachten Innenhof ein Frühlingsfest im Zeichen von Alternative- und Songwriterpop. Please Madame servieren freundlich-melodischen Alternativepop. Bei Christl gibt es Singer/Songwriter-Stoff mit ästhetischem Eigensinn und Haltung. Cousines Like Shit mögen Nico, Romy Schneider und charmant wackelige englische Songs einfacher Bauart; Good Wilson englischsprachigen Gitarrenpop zwischen verträumt und melancholisch. (Sebastian Fasthuber)

Haus der Musik, Sa 19.00


Sonntagsausflug

Im einstigen kaiserlichen Jagdgebiet des Lainzer Tiergartens ließ Kaiser Franz Joseph die Hermesvilla oder das „Schloss der Träume“, wie Kaiserin Sisi die entzückende Villa nannte, für seine Frau errichten. „Ein Sonntag für Elisabeth“ würdigt die Kaiserin an ihrem liebsten Rückzugsort: Los geht es mit einem Familienworkshop, in dem zuerst die kaiserlichen Appartements erkundet werden, anschließend gestalten Kinder ab acht Jahren ihre eigene Korrespondenz, stilecht mit Feder und Tinte. Danach folgen Führungen und eine Lesung. (Barbara Fuchs)

Hermesvilla, So 9.00 (Eintritt frei)


Letzte Gelegenheit

Die Ausstellung „Ölrausch und Huzulenkult“ im Volkskundemuseum arbeitet ein exotisches und doch aufschlussreiches Kapitel osteuropäischer Geschichte auf. Erdölingenieure und Spekulanten fielen um 1880 in Galizien und der Bukowina ein, um die Bodenschätze auszubeuten (die Gebiete gehörten damals zum Habsburgerreich und sind heute Teil der Ukraine). Zur selben Zeit bereisten Ethnografen die schwer zugänglichen östlichen Karpaten, um die Traditionen der dort lebenden Huzulen zu erforschen. Der in Kolomea/Galizien ansässige Fotograf Julius Dutkiewicz lieferte Investoren Aufnahmen von Ölfeldern und fütterte die westliche Imagination mit Stoff vom Wilden Osten. 

Volkskundemuseum, Fr–So 10.00 bis 17.00 (bis 26.3.)


Buch

Mathias Enard: Der perfekte Schuss

Mit zwei gewichtigen und virtuosen Werken hat Mathias Enard, Jahrgang 1972, in den letzten Jahren Publikum und Kritik überzeugt. Für den verspielten Gelehrtenroman „Kompass“ erhielt er 2015 den Prix Goncourt. Bereits 2008 hatte er in dem mindestens so beeindruckenden, interpunktionslosen Erzählfluss „Zone“ den Mittelmeerraum als eine „ausgeweitete Kampfzone“ dargestellt. Der nun in deutscher Übersetzung, im französischen Original bereits 2003 erschienene Text „Der perfekte Schuss“ kann als Präludium zu dieser breiten Kriegsschilderung verstanden werden.

Der Scharfschütze, der als Protagonist und Ich-Erzähler im Zentrum des Geschehens steht, könnte eine Figur aus den Balkankriegen sein. Die Biografie des Autors legt allerdings nahe, ihn im Libanon zu verorten: Enard hat jahrelang im Nahen Osten, und da vor allem in Damaskus und Beirut gelebt. Erzählt wird also aus der Innensicht eines Snipers; eines verkommenen Individuums, geformt durch eine von Gewalt und den Wahnsinn der Mutter bestimmte Kindheit … (Thomas Leitner)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at.

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SINNESRAUSCHEN 2023

SAVE THE DATE: 25. März 2023, 19 Uhr

Es ist wieder Festivalzeit im Haus der Musik! Nach dreijähriger Pause präsentiert das HdM Sinnesrauschen endlich wieder große Melodien herausragender Indie- und Alternative-Acts. Eine Kooperation mit der Vienna Songwriting Association.


Grundkurs Kochen

Fällt des Winters Abschied schwer, muss Grieß in rauen Mengen her

© FALTER/Archiv

Es soll Menschen geben, die sich schwer tun mit diesen ersten Sonnenstrahlen, die sich durchs Fenster kämpfen, mit dieser Verheißung der kommenden, nicht eingemummten Zeit. Weil sie den Schnee so mögen. Und die Kälte. Und das Zusammensein zu Hause.

Wahrscheinlich fehlt ihnen der Winter nur, weil man diese Speise nach stundenlangem Stapfen durch eisige Landstriche besser verdauen kann als nach einem durchschnittlichen Tag im Strandbad: den Riebel.

Der Riebel, nicht die Käsknöpfle, hat Generationen von Vorarlbergern groß und stark werden lassen, dieser einfache, schmackhafte und vor allem billige Grießbrei, den sich die Bauern jenseits des Arlbergs schon in der Früh zum Frühstück einverleibten.

Für den Großstädter bei entsprechend geringerem täglichen Kalorienverbrauch empfiehlt sich, nach dem Mahl eine Pause einzuplanen oder zuvor der körperlichen Ertüchtigung zu frönen. Ansonsten putzt einen dieser Kalorienberg schnell weg.

Wie geht’s? 300 Gramm Weizengrieß (der Profi verwendet eigenen Riebelgrieß) in einem halben Liter Milch aufkochen lassen, eine Prise Salz nicht vergessen. Die Masse abkühlen lassen und danach mit viel Butter in einer Gusseisenpfanne anbraten, sodass der Grießbrei in kleine Kugeln zerfällt. Wenn notwendig, Butter nachschießen. Und es ist immer notwendig. Auf einem Teller anrichten, mit Zucker bestreuen. Wer mag, kann dazu Kompott reichen. Entsprechend Gestrickte können Rosinen („Wiberle“) schon während des Anbratens dazufügen. Als Getränk passen dazu vor allem Kaffee oder schwarzer Tee. Hat man besonders gierig zugelangt, hilft auch ein klassisches „Stamperle“ Obstbrand.


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