Geheimtreffen: Energieriesen beraten in Wien über Gaszukunft - FALTER.morgen #539

Versendet am 27.03.2023

In Wien trifft heute das Who's Who der Gasbranche zusammen: Die Konferenz sorgt bei Umweltschützern und Journalisten für Kritik >> 73 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um den SPÖ-Parteivorsitz. Kann das gutgehen? >> Grätzelrundgang in der Neutorgasse

Wetterkritik: Wettertechnisch sind wir im April angekommen. Zu Wochenbeginn kühlt es deutlich ab – heute mit maximal 10 Grad – dazu gibt's Regen und stürmischen Wind. Aber das sind gute Nachrichten: Denn March winds and April showers/ Make way for sweet May flowers", heißt es im Song April Showers.


Guten Morgen!

Der Ort wird nicht verraten, nur ausgewählte Journalisten dürfen berichten, Presseanfragen werden nicht beantwortet (zumindest unsere nicht). Man könnte meinen, dass in Wien heute die Mitglieder eines Geheimbund zusammentreffen – und nicht die führenden Energieunternehmen Europas. Vom 27. bis 29. März beraten hier Konzerne wie OMV, Vattenfall, BP und andere auf Einladung des Energy Council bei der „Europäische Gaskonferenz“ über die Zukunft der Gasversorgung. 

Unbemerkt blieb das Treffen trotz aller Geheimniskrämerei nicht. Klimaaktivisten kamen den Veranstalter auf die Schliche und schlugen Alarm. Am Wochenende haben NGOs eine Gegenkonferenz veranstaltet, den Donaukanal grün eingefärbt (was es damit auf sich hat, erzähle ich Ihnen weiter unten) und für heute sind weitere Protestaktionen geplant. 

Aber ist das Treffen wirklich so böse? Worum geht es überhaupt? Und was kritisieren die Aktivsten? Darüber gleich mehr.

Außerdem: Tessa Szyszkowitz, unsere Frau in London, hat ein warnendes Beispiel für die SPÖ, die ihre Führungskrise per Mitgliederbefragung zu überwinden versucht – bei der Labour Party in Großbritannien ist das schon einmal ziemlich schiefgegangen. Und Florian Holzer nimmt Sie mit auf einen Rundgang im nördlichsten Eck der City – in der Neutorgasse.

Einen angenehmen Wochenbeginn wünscht Ihnen

Soraya Pechtl


Sie lesen den FALTER.morgen, den Früh-Newsletter aus der FALTER-Redaktion. Melden Sie sich hier an:

Anzeige

Kaffee trifft auf gesüßten Milchschaum

Die J8 von Jura greift den Kaffeetrend Sweet Latte auf. Der Vollautomat aromatisiert luftig-leichten Milchschaum mit Sirup in der gewünschten Geschmacksrichtung, Süße und Intensität. Das „Coffee Eye“ – der intelligente Tassensensor – zeigt an, welche Kaffeevariationen je nach Tassenplatzierung zur Auswahl stehen.

Die J8 ist in Midnight Silver, Piano Black und Piano White im autorisierten Fachhandel erhältlich.

Geballte Energie 

In den kommenden Tagen treffen in Wien die Manager der größten Gaskonzerne Europas und heimische Politiker zusammen. Die Konferenz sorgte bereits im Vorfeld für Proteste und heftige Kritik. 

Die Fakten zur Konferenz 

Seit 2010 trifft sich das Who is Who der Energiebranche einmal im Jahr in verschiedenen Städten der Welt. Im Vorjahr tagte man übrigens auch schon in Wien.

Neben Chefs und Managern von Energieunternehmen wie OMV, Vattenfall, RWE, BP, Eni, Uniper und Unternehmensberatern stehen Finanzkonzerne wie Raiffeisen International, BlackRock und die ING Bank auf der Gästeliste. Und auch Politiker kommen: Laut einer offiziellen Teilnehmerliste nehmen Vertreter des österreichischen Wirtschafts-, Finanz- und  Klimaministeriums teil - auf Fachebene, um sich über den über den gemeinsamen Gaseinkauf und erneuerbare Energien auszutauschen, wie Leonore Gewesslers Büro betont. 

Am Samstag vormittag färbten Klimaaktivisten als Zeichen des Protests gegen die Gaskonferenz den Donaukanal grün © Extinction Rebellion Austria/Twitter

Und worum geht’s? 

Kurz gesagt: Um die Zukunft der Energieversorgung in Europa. Das Thema hat ja seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine stark an Bedeutung gewonnen. Wenig überraschend also, dass die (großteils) US-amerikanischen und europäischen Konzerne darüber beraten wollen, wie sie die Versorgung weiterhin sicherstellen können. Natürlich nicht aus rein altruistischen Gründen, sondern weil das eben ihr Geschäftsmodell ist. 

Auf der Agenda stehen drei Schwerpunkte: Heute geht es um das Flüssigerdgas LNG. Konkret: welche Rolle es künftig in Europa einnehmen soll (ein großer Teil kommt derzeit aus den USA), wie klimaneutral es ist und wie und zu welchem Preis Europa es einkaufen kann. 

Morgen werden die selben Fragen im Hinblick auf Erdgas, das bisher großteils aus Russland kam. behandelt. Und am Mittwoch dreht sich dann alles um den als klimafreundlich geltenden Wasserstoff. 

Klingt erst einmal nachvollziehbar. Warum dann die Aufregung?

Kritik kommt von zwei Seiten: einerseits von Umweltschützern, aber auch von Journalisten. Fangen wir mit Letzteren an. 

Wenn die größten Energieversorger Europas zusammentreffen und auch noch Politiker dabei sind, sollte die Öffentlichkeit erfahren, was dort besprochen wird. Schließlich verfolgen die Konzerne Eigeninteressen und könnten versuchen, die Politiker zu beeinflussen. Die Energiekonferenz scheint aber lieber auf Medien verzichten zu wollen. 

Vorige Woche berichtete der Journalist Christian Bunke von der linken Schweizer Wochenzeitung WOZ, ihm sei die bereits erfolgte Akkreditierung nur wenige Tage vor der Konferenz wieder entzogen worden. Die Begründung: „Es hätten sich kurzfristig zu viele Menschen angemeldet.” Der Presseclub Concordia kritisiert dieses Vorgehen gegenüber FALTER.morgen: „Journalist:innen unter fadenscheiniger Begründung keinen Zutritt zu gewähren, zeugt von einem unterentwickelten Verständnis der Pressefreiheit. Wir regen die teilnehmenden öffentlichen Institutionen dazu an, bei den Veranstaltern auf eine weniger restriktive Akkreditierungspraxis hinzuwirken.” Aber nicht nur linke Journalisten werden von der Konferenz ausgeschlossen, auch Nachrichtenagenturen berichten, dass ihnen der Zugang verwehrt worden sei. 

Welche Medien überhaupt zugelassen werden, beantwortete der Sprecher der Konferenz nicht. Auf der Homepage werden aber einige offizielle „Medienpartner” gelistet. Darunter World Pipelines, ein Magazin, das über Gas- und Ölpipelines berichtet, und der Carbon Economist, der sich mit der Energieindustrie befasst.

Die Umweltschützer kritisieren hingegen, dass die Konferenz überhaupt stattfindet. Sie meinen, die Konzerne würden „Greenwashing” betreiben. Grünes Gas sei ein „Lüge”. Die Gasindustrie verursache „mehr Leid und Tod als jede kriminelle Organisation”, meint etwa „Extinction Rebellion”. Es sei vor allem Gas, das zur Erderhitzung beiträgt. Besonders umstritten ist der Einsatz von Flüssigerdgas als Übergangslösung, weil LNG mehr CO2 freisetzt als Kohle. Die Aktivisten fordern daher den vollständigen Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien. 

Als Zeichen des Protests haben Aktivisten vom Bündnis „BlockGas" gestern die Zufahrt zum Privatjetterminal am Flughafen Wien blockiert.„Extinction Rebellion” hat am Samstag die Salztorbrücke besetzt sowie den Donaukanal mit dem biologischen Mittel Uranin eingefärbt. Die Polizei erwartet für heute weitere Straßenblockaden. Laut den Aktivisten sind „hunderte Demonstrierende” aus der ganzen Welt angereist. Unterstützung bekommen sie auch von rund 150 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern wie Helga Kromp-Kolb und Wittgenstein-Preisträgerin Christa Schleper, die sich in einer Stellungnahme solidarisch mit den Protestierenden zeigen.

Anzeige

Geschenkideen fürs Osternest gesucht?

Egal ob großes oder kleines Osternest, das Team von SONNENTOR Wien Neubaugasse hilft dem Osterhasen garantiert auf die Sprünge! Neben Produktneuheiten wie den Schokoladen Parade Keksen und dem Tschin Tschin Sirup erfreuen auch beliebte Klassiker wie das Eierspeisgewürz und der Frühlingskuss® Kräutertee das Osterfest. Noch mehr Inspiration gesucht?

Unser Team berät Sie gerne persönlich, damit das passende Mitbringsel gefunden wird.

A propos Gas, Strom und so weiter …

Die Wien Energie hat im vergangenen Jahr offenbar hohe Gewinne gemacht – und das, obwohl ihr die Stadt und der Bund zwischendurch mit Kreditlinien in Milliardenhöhe aushelfen mussten. In den ersten drei Quartalen stand ein Plus von 226 Millionen Euro vor Steuern in den Büchern des Unternehmens, berichtet das profil in seiner aktuellen Ausgabe.

Die Umsatzerlöse übertrafen mit 3,3 Mrd. Euro bereits nach drei Quartalen den gesamten Umsatz des Jahres 2021. profil beruft sich bei seinem Bericht auf Unterlagen, die „vom Beteiligungsmanagement der Stadt Wien auf Basis von Informationen der Wiener Stadtwerke erstellt worden sein dürften“ und die als „Jahresreporting 2021“ bzw. „Quartalsreportings“ aus dem Jahr 2022 bezeichnet werden.

Die Unterlagen lassen auch darauf schließen, dass sich die Verschuldung der Wien Energie zwischen Dezember 2021 und März 2022 abrupt erhöht hat, und zwar von 6,9 auf mehr als acht Milliarden Euro.

Unter anderem seien die „Forderungen und Verbindlichkeiten für Derivate“ angestiegen – das wäre ein dringendes Warnzeichen hinsichtlich der Termingeschäfte an der Strombörse gewesen, die letztendlich zur finanziellen Schieflage geführt haben.

Wie zu erwarten, weist die Wien Energie den Bericht des Magazins vehement zurück: Einzelne Zahlen würden aus dem Kontext gerissen und verkürzt dargestellt. „Wir kommentieren diese internen und vertraulichen Berichte u.a. genau aus diesen Gründen nicht weiter. Wir werden selbstverständlich die Jahresbilanz 2022 entsprechend veröffentlichen“, so das Unternehmen in einer Stellungnahme.

Am Freitag muss Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) der Untersuchungskommission in Fall Wien Energie Rede und Antwort stehen.


Stadtnachrichten

Das könnte ein langer Stimmzettel werden. 73 Kandidatinnen und Kandidaten (es sind nur vier Frauen darunter) haben sich bis Freitag Mitternacht für den SPÖ-Parteivorsitz beworben. Ob bei der Abstimmung im April tatsächlich alle zugelassen werden, wollen der SPÖ-Vorstand und das Präsidium heute entscheiden. Eine Überlegung ist, Mindestanforderungen zu stellen (etwa in Form von Unterstützungserklärungen) oder Kandidaten zu streichen. 

Wenn Sie übers Wochenende den Überblick verloren haben, hier nochmal eine kurze Zusammenfassung, was seit Freitag passiert ist:

  • Der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler gab seine Kandidatur bekannt.

  • Nikolaus Kowall, der die Mitgliederbefragung erst ins Spiel brachte, hat seine Kandidatur daraufhin zurückgezogen. „Mein Credo war, wenn wer Gewichtiger als Alternative zu Pam und Dosko in den Ring steigt, dann lasse ich der Person den Vortritt”, schrieb der stellvertretende Vorsitzende der SPÖ Alsergrund auf Twitter.

  • Zu den ernsthaften Kandidaten gesellten sich auch solche, die die Abstimmung offensichtlich torpedieren wollten: So kündigten der ehemalige Präsidentschaftskandidat und einstige BZÖ-Politiker Gerald Grosz und der Rechtsextremist Martin Sellner ihren Parteieintritt und ihre Bewerbung an. Beide wurden aber abgelehnt. 

Neben der amtierenden Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeschef Hans Peter Doskozil ist Babler wohl der aussichtsreichste Kandidat. Babler leitet in Niederösterreich eine Reformkommission, die für mehr parteiinterne Demokratie und für eine Öffnung der SPÖ in Richtung Zivilgesellschaft sorgen soll. Im Februar erklärte er in einem Gespräch mit dem Falter, wieso die SPÖ ihre Glaubwürdigkeit verloren hat.

Andreas Babler in seinem Bürgermeisterbüro in Traiskirchen. Im Hintergrund ein Bild des linken Liedermachers Sigi Maron (© Christopher Mavrič)

Falter: Herr Babler, Inflation, Teuerung, steigende Mieten. Wie kann man als Sozialdemokratie bei so einer Themenlage so historisch scheitern?

Andreas Babler: Weil wir zwar die richtigen Überschriften haben, sei es im Kampf gegen die Teuerung oder für leistbares Wohnen, aber die Leute nehmen uns nicht mehr ab, dass wir diese Forderungen auch in unserer sozialdemokratischen DNA haben. Das ist, kurz gesagt, unser Problem.

Wer ist dafür verantwortlich?

Die Antwort auf Personen zu reduzieren, ist zu einfach. Natürlich gab es Fehler in der Kommunikation und in der Wahlkampfführung. Die SPÖ verliert aber schon seit Jahrzehnten an Glaubwürdigkeit. Das liegt auch daran, dass die SPÖ-Spitze über viele Jahre des Regierens nur versuchte, die Regierungsbeteiligung positiv zu verkaufen, statt klar zu sagen, das ist unsere SPÖ-Forderung und das ist der Kompromiss, den wir in der Regierung erreichen konnten.

Die SPÖ ist längst in der Opposition. Da muss es doch andere Gründe geben?

Die SPÖ braucht vor allem eine Re-Ideologisierung, auch wenn das retro klingen mag. Als Gesamtpartei müssen wir das, was wir an Überschriften liefern, wieder glaubwürdig leben.

Das ganze Interview lesen Sie hier (kostenlos mit 4-Wochen-Probe-Abo), hier geht’s zur Podcast-Version.


Andere Städte

Tessa Szyszkowitz

Not amusing

Die Aussicht auf mehr Mitbestimmung hat der SPÖ Tausende neue Mitglieder gebracht, die Roten jubeln. Aber Vorsicht: Bei ihrer Schwesterpartei, der Labour Party in Großbritannien, ist das vor nicht allzu langer Zeit gründlich schiefgegangen.

Bei der SPÖ liegt ein Hauch von Revolution, von Neubeginn in personeller und programmatischer Hinsicht in der Luft. „Es kam einiges in Bewegung: Innerhalb von 24 Stunden sind bundesweit rund 2.000 Menschen in die SPÖ eingetreten. Hunderte Nachrichten haben mir auf allen Kanälen Unterstützung angeboten, von der Teilnahme am Straßenwahlkampf bis zum Einbringen der beruflichen Expertise“, twitterte Parteirebell Nikolaus Kowall.

Ups, das ging schief: Der infolge einer Mitgliederbefragung an die Spitze der britischen Labour-Partei geratene Jeremy Corbyn erwies sich als Niete

Sprachlich, aber auch inhaltlich ging es so vor ein paar Jahren auch in Britannien zu. 2015 kandidierte Jeremy Corbyn (ein Altlinker und EU-Skeptiker) als Parteichef, um „den Labour-Party-Mitgliedern eine Stimme zu geben“. Sein Vorgänger Ed Miliband hatte kurz zuvor Maßnahmen gesetzt, um neue Leute in die Partei zu holen. Man konnte für drei Pfund als „registered supporter“ dabei sein und dann den Parteichef mitbestimmen.

Die Folge: Corbyn bekam bei der Wahl zwar nur wenige Stimmen aus der Parlamentsfraktion, wo er vor allem als Verhinderer aufgefallen war. Aber 57 Prozent der neuen Labour-Unterstützer und 49 der regulären Parteimitglieder votierten für ihn.

Nach seinem Antritt als Oppositionschef dachten alle, das Geheimrezept für einen neuen linken Aufbruch gefunden zu haben. Der Corbyn-Effekt war enorm, die Parteimitgliedschaft erhöhte sich von 200.000 kurzfristig auf 500.000. Im Sommer 2017 hallten „Oh-Jeremy-Corbyn“-Chöre, die auf dem Hit „Seven Nation Army“ des Chicagoer Rockduos White Stripes beruhten, über das Musikfestival Glastonbury in Somerset.

Doch der Höhenflug war von kurzer Dauer. Corbyn stellt sich als Sektierer heraus, der weder die Partei noch die Opposition politisch und organisatorisch führen konnte und zudem ein massives Antisemitismus-Problem nicht in den Griff bekam. Traditionsreiche Parteien schwanken oft zwischen Sklerose und Stabilität, aber Parteistrukturen machen auch Sinn. Quereinsteiger oder Hinterbänkler, die plötzlich in der ersten Reihe landen, tun sich oft schwer, die in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen. Corbyn musste 2019 zurücktreten.

Sein Nachfolger Keir Starmer, ein ehemaliger Staatsanwalt von England, zeigt gerade, dass die Erneuerung auch aus der Mitte der Partei(strukturen) kommen kann. Labour führt in den Umfragen mit mindestens 15 Prozent vor der konservativen Regierung. Der Slogan „Jez we can“ („Jez“ ist eine in Großbritannien gängige Kurzform vom „Jeremy“) dagegen ist heute in Britannien längst in Vergessenheit geraten.

Anzeige

Warum müssen Frauen* den Großteil der unbezahlten Haus- und Kindererziehungsarbeit machen? Warum sind Kapitalismus und Feminismus ein Widerspruch? Wieso brauchen wir Feminismus, um das Klima zu retten?

In ihrem Dokumentarfilm FEMINISM WTF (What the Fuck) schlüsselt Katharina Mückstein auf, welche Themenvielfalt 2023 unter dem Begriff Feminismus verhandelt wird, und wie wir alle zum Aufbrechen von Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen beitragen können, um eine solidarische Gesellschaft der Vielen zu sein.

Ab 31. März landesweit im Kino


Grätzelrundgang

Neutor (1010)

© ARGE KARTO

In den vergangenen 40 Jahren siedelten sich im Neutor- und Gonzaga-Viertel vor allem Büros und Versicherungen an: viel Platz, breite Straßen, trotzdem erster Bezirk, perfekt. Und von diesen Büros lebte immer auch eine kleine Lokalszene ganz gut. Zumindest war das bisher so: Mit Corona und Homeoffice dünnte sich das Angebot nämlich ganz schön aus.

Es kam aber auch Neues, etwa das Daihachi. Das Sushi-Lokal des in Taiwan geborenen Kuo-Jung Pan versteckte galt - obwohl es ein Chinese leitet - seit jeher als Geheimtipp in der japanischen Community Wiens. Vor drei Jahren übersiedelte das Lokal in die nie wirklich funktionierende Bar des Hotel Kempinski.

Im LE'O wiederum gibt's alles, was sich Schlipsträger des mittleren Managements von einem Lokal erwarten: Afterwork, Thunfischtatar, Steak und Ziegelwände. Seit der Übernahme durch Robert Glock wurde auch die Küche etwas zurückgefahren beziehungsweise auf die Kernkompetenz Steak reduziert.

Lola versucht die, die noch hier arbeiten, nach Büroschluss mit spanischen Tapas abzuholen, halt nur von Montag bis Freitag. Im Arikei sorgen Sooyeon Valentina Lee und ihr Team dafür mittags für wirklich sehr gute koreanische Mittagsmenüs. Das 2019 aus dem EN entstandene Lokal wurde auch wirklich hübsch, schade, dass der Laden um 14 Uhr die Luken schließt.

Da gönnt uns Ahmed Mohamed Samy Elashry Youssof in seinem Café Giovanni etwas mehr Zeit. Vor sieben Monaten machte er seine orientalisch gehaltene Kaffee-Bar hier auf. Das Besondere ist nicht nur die Kaffeemühlen-Sammlung, die er im Eingangsbereich zur Schau stellt, sondern auch, dass er seine Kaffees selbst röstet.

Den ganzen Grätzelrundgang von Florian Holzer finden Sie hier.


Frage des Tages

Von welchem Begriff leitet sich die Bezeichnung Prater ab?

  1. Von der früher häufig verwendeten Schreibweise „praten“ für „braten“ (wegen der vielen Imbissstände)

  2. Vom Lateinischen „pratum“ für „Wiese“

  3. Vom Namen der italienischen Provinz Prato, aus der zahlreiche Maronibäume zur Aufforstung des grünen Praters importiert wurden

Auflösung von Freitag: Die Gruppe der Rotgerber (mit Fichtenrinde), Weißgerber (mit Salz) und die Sämischgerber (mit Fett oder Tran) unterschieden sich in der Art, wie sie Leder hergestellt haben (mit der Farbe und der sozialen Herkunft haben die Bezeichnungen nichts zu tun).


Event des Tages

Lisa Kiss

Theater

Der eine Krimiautor präsentiert dem anderen eine Idee: Mord durch Missgeschick. Das Opfer wird ausgesperrt und erfriert ganz von allein, während der Täter sich um sein Alibi kümmert. Der Partner dankt und probiert den perfekten Mord am ungeliebten Kollegen gleich einmal aus. Edward Taylors Thrillerkomödie „Murder by Misadventure“ aus den 90ern ist pure Unterhaltung, handwerklich gekonnt inszeniert von Richard Baron und echt britisch dargebracht von einem vierköpfigen Ensemble. (Martin Pesl)

Vienna’s English Theatre, 19.30


Buchtipp

Judith Hermann: Wir hätten uns alles gesagt

Dass Judith Hermann schreiben kann, weiß man seit ihrem Debüt „Sommerhaus, später“ (1998), dessen sensationeller Verkaufserfolg das ewige Mantra des Buchhandels widerlegt, die Leute würden keine Erzählungen lesen wollen. Die Geschichten um einen jugendlichen Freundeskreis, in dem man viel raucht, trinkt und in pathetischer Ratlosigkeit schwelgt, treffen das Lebensgefühl der Jahrtausendwende: „Alles war traurig und erleuchtet.“ Nun liefert Hermann einige Realien zur Ersatzfamilie nach, zu Marco, dem malenden Eigenbrötler, und zur charismatischen Ada. War die Autorin mit ihr befreundet? Hat sie sie „gekannt“? –„Einfacher wäre es zu sagen, ich habe Ada geliebt.“ (Daniela Strigl)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Feedback

@„Karl Mahrer ist ein Rassist” von Florian Klenk – FALTER.morgen #538

Und wie ich Ihnen ein Werturteil gestatte. Ich bin froh, dass Sie bei dieser unsäglichen Aktion und Person klar Stellung beziehen. Herr Mahrer ist ein Rassist. Bei den derzeitigen Vorkommnissen, von Niederösterreich über die „Zukunftsrede" von Nehammer bis zu der offensichtlichen Hetze von Mahrer, wird einem Angst und Bange. Vor allem, da die anderen Parteien dem scheinbar nichts entgegenzusetzen haben. Der Falter mit seiner klaren Haltung ist hier eine dringend benötigte Wohltat.

Mariana Dötzl


Meine Lebensgefährtin ist Kroatin, ich bin in Wien geboren und habe in zweiter Generation Migrationshintergrund (Tschechien und Ungarn). Ich spreche nur Deutsch und würde auch weiter Deutsch sprechen, auch wenn ich wegen einer rassistischen Regierung Österreich verlassen müsste. Kroatien wäre meine erste Wahl, logisch. Dann würde ich weiter Schnitzel essen und granteln, aber auch Kroatisch lernen, schnell und so gut ich es schaffe.

Ich schäme mich und bin traurig, dass so viele Menschen die Fremdenfeindlichkeit bis in die Politik im Landhaus in St. Pölten salonfähig machen.

Ein letzter Satz. Als ich nach einer Meinungsverschiedenheit mit der Kreissäge beinahe den linken Daumen verloren hätte war es Hassan, der Betreiber des Kebabstandes in Breitenfurt, der mir sofort Hilfe beim Einkauf und der täglichen Versorgung mit Lebensmitteln anbot. 

Wehret den Anfängen ist kein Schlagwort mehr, sondern dringende Pflicht aller noch denkenden Menschen in Österreich.

 Josef Kerschbaum 


@„Der subversive Müllunterstand” von Klaus-Jürgen Bauer– FALTER.morgen #537

Was man hier alles erfährt. Ein Müllunterstand, der sich der Doktrin form follows function widersetzt. Schönheit statt Funktion! Die Subversion kommt oft von unerwarteter Seite.

Roger Hackstock


FALTER
Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.
Weitere Ausgaben:
Alle FALTER.morgen-Ausgaben finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!