Doch geimpft? FPÖ-Kickl verliert vor Gericht – schon wieder - FALTER.morgen #553
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Ist Herbert Kickl selbst gegen Corona geimpft? Der FPÖ-Chef zog gegen dieses Gerücht vor Gericht und verlor – schon wieder >> 21 Zeugen belasten mutmaßlichen syrischen Folter-General in Wien >> Pfusch am Bau: An welchen Warnzeichen Sie dubiose Firmen erkennen >> Grätzeltour rund um den Westbahnhof
Wetterkritik: Jetzt ist es hoffentlich endlich mit der Kälte vorbei – die Woche beginnt mild mit bis zu 15 Grad: Da lässt sich auch der eine oder andere Regenschauer frohgemut ertragen.
Guten Morgen!
Keine Ahnung, ob Sie sich manchmal die Talksendung „Fellner! Live“ auf oe24 antun – wenn ja, dann Gratulation zu ihrem Nervenkostüm: Das ist ja wirklich nicht jedermanns Sache.
Am Mittwoch vergangener Woche war dort jedenfalls Herbert Kickl zu Gast: „Ich denke schon, dass die ganze Auseinandersetzung mit dem Thema Corona ein wirklicher Meilenstein ist”, sagte der FPÖ-Chef über das Programm der neuen schwarz-blauen Landesregierung in Niederösterreich.
Mit dem Thema Corona setzte sich kürzlich auch das Oberlandesgericht Wien auseinander. Auch da ging es um die „Fellner! Live“ und Herbert Kickl. Statt eines Meilensteines gab es allerdings eine Blamage für den FPÖ-Chef. Welche und warum, darüber gleich mehr.
Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Hat der österreichische Verfassungsschutz einen syrischen Folter-General als Flüchtling ins Land geschmuggelt? Martin Staudinger referiert Zeugenaussagen, die darauf hindeuten. Wie erkennt man dubiose Baufirmen? Soraya Pechtl hat bei der Finanzpolizei einschlägige Warnhinweise gesammelt. Was tun, wenn man am Westbahnhof den Zug versäumt und sich die Zeit vertreiben will? Florian Holzer wartet mit Tipps aus dem umliegenden Grätzel auf.
Einen angenehmen Wochenbeginn wünscht
Josef Redl

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Impftirade
FPÖ-Parteichef Herbert Kickl scheitert mit einer Klage gegen den PR-Berater Wolfgang Rosam.
Und das kam so: Am 16. September 2021 war der PR-Berater Wolfgang Rosam bei oe24. Zehn Tage später stand in Oberösterreich die Landtagswahl an. Meinungsumfragen prognostizierten einen Erfolg für die neu gegründete Partei MFG, deren zentrales politisches Anliegen die Aufhebung von Corona-Maßnahmen war. Konkurrenz also für Herbert Kickl, der sich demonstrativ an die Seite der Maßnahmenkritiker gestellt hatte und stolz betonte, nicht gegen Covid-19 geimpft zu sein.
„Es gibt ja ganz böse Zungen, muss ich aufpassen, was ich jetzt sage. Ich sage jetzt nicht, dass es so ist, aber ich habe gehört, er wäre schon geimpft“, sagte PR-Berater Rosam damals in der Politikplauderei mit Niki Fellner, dem Sohn des oe24-Gründers.

„Ich sage jetzt nicht, dass es so ist, aber ich habe gehört, er wäre schon geimpft“ (© Screenshot FALTER)
Man könnte meinen, dass jemand, der so viel austeilt wie Herbert Kickl, auch ein bisschen einstecken kann. Kickl klagte Rosam auf Unterlassung und Widerruf. Im Sommer 2022 entschied das Handelsgericht Wien allerdings gegen Kickl: „Politiker müssen einen höheren Grad an Toleranz zeigen, besonders wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen”, hieß es im Urteil damals. Es kommt dabei nicht darauf an, ob Kickl tatsächlich geimpft ist, oder nicht.
Eine peinliche Niederlage, die Kickl nicht auf sich sitzen lassen wollte. Er bekämpfte das Urteil. Und verlor nun auch vor dem Oberlandesgericht Wien auf ganzer Linie. „Im Hinblick auf das zum damaligen Zeitpunkt in der Öffentlichkeit gegebene große Interesse an der Haltung von Politikern zum Thema ,COVID-Impfung' lag ein berechtigtes Interesse an der inkriminierten Äußerung vor”, heißt es in der OLG-Entscheidung vom 28. März, die dem Falter vorliegt. Außerdem habe Rosam das Gerücht nicht selbst in die Welt gesetzt und sich auch davon distanziert.
Herbert Kickl muss Wolfgang Rosam nun Verfahrenskosten von 2.354,44 Euro ersetzen.
Einladung zur Vernissage "Schönheit der Vielfalt"
21. April 2023 von 14 bis 16 Uhr im Kristallgarten Gut Guntrams
Der international ausgezeichnete Naturfotograf Bernhard Schubert präsentiert schöne Aufnahmen aus Österreich und führt um 14.30 Uhr durch die Ausstellung, dazu gibt es Frizzante und süßen Bienenstich.
Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen zu Gut Guntrams finden Sie hier oder unter info@guntrams11.at
Recherche

Torturen aus 1001 Nacht
2015 schmuggelten österreichische Verfassungsschutz-Agenten einen angeblichen Flüchtling aus Syrien ins Land. Inzwischen weiß man: Der Mann hat ein Foltergefängnis geleitet.
Sie wurden geschlagen, mit Elektroschocks traktiert, mit Säure übergossen; mit einem Foltergerät namens „Fliegender Teppich“ renkten ihnen Schergen des syrischen Regimes die Gelenke aus und brachen ihnen Knochen: Ehemalige Häftlinge des Geheimdienst-Gefängnisses der Provinzstadt ar-Raqqa erinnern sich an entsetzliche Torturen.
Sie können heute darüber erzählen, weil sie überlebt haben und es geschafft haben, nach Österreich zu flüchten. Jetzt müssen sie allerdings damit leben, dass sich ein Mann, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest mitverantwortlich für ihre Qualen war, ebenfalls hier aufhält. Mehr noch: dass er unbehelligt in Wien herumspaziert.

Undurchsichtige Figur: Khaled al-H. (© privat)
Es ist Khaled al-H., jener Geheimdienstoffizier, den der österreichische BVT auf Ersuchen des israelischen Mossad illegal ins Land geschmuggelt und als Asylwerber ausgegeben hat. Wir haben am Freitag berichtet: Mehrere BVT-Agenten stehen derzeit in diesem Fall vor Gericht. Am Freitag haben sie durch ihre Verteidiger beteuert, vom Verdacht gegen ihren Schützling die längste Zeit nicht einmal etwas geahnt zu haben – was schon sehr seltsam ist: Ein Nachrichtendienst, der nicht auf die Idee kommt, den Hintergrund einer Person zu überprüfen, die der Mossad in Österreich verstecken will? Das ist unprofessionell, naiv – oder beides und noch viel mehr.
Wobei, es stimmt schon: Al-H. ist eine äußerst undurchsichtige Figur. Man weiß, dass er General des GID war – das ist der wichtigste zivile Geheimdienst von Diktator Bashar al-Assad. Und dass er sich 2013 ins Ausland abgesetzt hat. Was man nicht wirklich weiß: Auf wessen Seiten der mittlerweile 60-Jährige zu welchem Zeitpunkt stand.
Al-H. selbst behauptet einem Bericht des Magazins The New Yorker zufolge, er habe Gefangene gut behandelt und sogar den Aufständischen gegen das Regime geholfen. Die US-Zeitschrift vermutet zudem, er sei möglicherweise als israelischer Spion tätig gewesen. Oppositionelle bezichtigen ihn wiederum, noch nach seiner Flucht gespitzelt zu haben – möglicherweise sogar während seiner Zeit in Österreich. Es gibt aber auch Vermutungen, dass er im Westen für den Fall eines Regimewechsels in Syrien als Personalreserve für höchste Ämter gegolten habe.
Klar ist jedenfalls: Al-H. hat ein Gefängnis in ar-Raqqa geleitet, in dem nachweislich mit den eingangs beschriebenen Methoden gefoltert wurde.
Ob er persönlich Hand angelegt hat? Vielleicht. „Mein Mandant bestreitet die Vorwürfe. Er hat niemandem Gewalt angetan. Weder hat er gefoltert noch andere foltern lassen", so sein Anwalt Timo Gerersdorfer vor zwei Jahren im Standard.
Inzwischen haben sich allerdings Zeugen gemeldet, die erzählen, sie seien mit al-H.s Wissen misshandelt worden – direkt in seinem Büro. Und dort sei sogar ein „Fliegender Teppich“ gelegen. Gesammelt hat die belastenden Aussagen die Wiener Anwältin Tatiana Urdaneta Wittek im Auftrag des Centre for the Enforcement of Human Rights International (Cehri). Die NGO hat sich der Aufgabe verschrieben, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Weltrechtsprinzips zu verfolgen. Dabei geht es vereinfacht darum, dass jeder Staat für die Verfolgung von Völkerstraftaten verantwortlich ist – auch wenn das Verbrechen nicht auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde.
21 Zeuginnen und Zeugen vertritt Urdaneta Wittek mit der Unterstützung der Open Society Justice Initiative (OSJI), bei acht von ihnen wurden immer noch nachweisbare Verletzungen medizinisch begutachtet. Das Ergebnis steht vorerst aus.
Für die Anwältin ist aber klar: Al-H. (für den selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt) ist aufgrund seiner Funktion die Vorgänge im Gefängnis verantwortlich. Zudem habe er darüber entschieden, welche seiner Häftlinge zu weiteren Verhören in die syrische Hauptstadt Damaskus überstellt wurden – was mehr oder weniger einem Todesurteil gleichkam.
Jetzt will Urdaneta Wittek erreichen, dass al-H. in Österreich vor Gericht gestellt wird. Im BVT-Verfahren (das heute fortgesetzt wird) gilt er nur als Zeuge; ein Antrag der Anwältin, ihre im Gefängnis von ar-Raqqa gefolterten Klienten im Verfahren als Privatbeteiligte zuzulassen, wurde von der vorsitzenden Richterin vorerst abgelehnt.
Ob es trotzdem gelingt, al-H. den Prozess zu machen? Das wird sich zunächst daran ermessen lassen, ob er seiner Zeugenladung nachkommt – dann weiß man nämlich, ob er noch in Österreich und für die Justiz greifbar ist.
Stadtnachrichten

Was gestern eigentlich nur eine Kinderbuchlesung von Drag Queens für Familien hätte sein sollen, hat zu Demonstrationen und einem Großeinsatz der Polizei auf der Linken Wienzeile geführt.
Der Grund war eine groß angekündigte Kundgebung von rechten und rechtsextremen Gruppierungen: Unter anderem aufgrund eines Aufrufs von FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp waren Freiheitliche, Angehörige der Anti-Corona-Szene, neofaschistische Identitäre und katholische Fundamentalisten vor die Türkis Rosa Lila Villa gezogen, wo die Lesung stattfand. Der Aufmarsch, zu dem wohl die gesamte rechte Szene angerückt war, fiel im Vergleich zur Menge auf der anderen Seite dann aber recht überschaubar aus.

Größenvergleich: Linke Gegendemo gegen rechte Anti-Trans-Demo (© Ewa Ernst-Dziedzic/Twitter, APA/Eva Manhart)
Dort hielten linke Gruppierungen, die als Reaktion auf die Ankündigung Nepps ebenfalls zu Demonstrationen aufgerufen hatten, bis in den Nachmittag hinein vor der Villa die Stellung – unter anderem auch, um die Besucherinnen und Besucher der Lesung zu schützen. Die konnte letztlich ungestört stattfinden. Eltern wurden von Helferinnen und Helfern mit ihren Kindern an den Öffi-Stationen abgeholt und direkt zum Eingang gebracht.
Währenddessen schwangen die Rechten Reden, die sich oft in Richtung Corona verloren und beglückwünschten sich zum „Stopp der Frühsexualisierung, den wir hiermit erreicht haben!“
Polizeiaktionen …
… gegen die Rechten: Anzeige gegen eine Person, die offenbar den Hitlergruß gezeigt hatte.
… gegen die Linken: Pfefferspray gegen Demonstranten, die versucht hatten, den Weitermarsch der Rechten Richtung Innenstadt zu blockieren.
GEMISCHTER SATZ im Kosmos Theater
Die Veranstaltungsreihe in der gemütlichen Kosmos-Bar serviert am 23.4. mit NAU, HAUMMAS NET SCHE? einen literarisch-musikalischen Abend mit Texten von Christine Nöstlinger und Live-Musik, am 24.4. lesen Beate Hausbichler und Noura Maan aus GERADEGERÜCKT und am 25.4. gibt Priska Seisenbacher mit ihrer Reisereportage FRAUEN IM KARAKORUM einen Einblick in das Leben im Hochgebirge Pakistans.
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Frage des Tages
Welche Großstadt liegt am weitesten von Wien entfernt?
Wladiwostok
Auckland
Buenos Aires
Auflösung von Freitag: In Nordamerika gibt es insgesamt 14 Städte namens Wien oder Vienna.
Pfusch am Bau, Teil IV

„Problematische Situation“
An welchen Warnzeichen man dubiose Baufirmen erkennt.
Im Jänner 2022 wuchs das Firmengeflecht der Exakt Real um eine Perfect Primus Holding. Ihr Geschäftsführer ist wieder Mustafa D., der auch Chef der Ispergasse GmbH ist. „Ich möchte keine Fragen über mich oder meine Geschäfte beantworten”, schreibt er. Und versichert, seine Geschäfte seien in Ordnung. Um mehr über die Perfect Primus zu erfahren, fuhr der Falter zur Adresse auf ihrer Webseite, einer kleinen Seitenstraße in der Brigittenau. Dort befindet sich aber kein Bauunternehmen, sondern ein Lebensmitteldiscounter.
Im Firmenbuch hat die Perfect Primus vor wenigen Monaten eine neue Anschrift eingetragen: O’Brien-Gasse 54 in Floridsdorf. Dort steht ein heruntergekommenes Zinshaus, die Fassade bröckelt, Rolläden im Erdgeschoss sind heruntergezogen, ein Fenster ist mit Klebeband verpickt. Auf den Türschildern ist weder Mustafa D.s Name noch Perfect Primus zu lesen. Wer läutet, bekommt keine Antwort. Ist das wirklich der Sitz der Perfect Primus?
Mustafa D. antwortet nicht.

Hier in der O'Brien-Gasse soll die Primus Holding ihren Firmensitz haben
Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei, brütet fast jeden Tag über Unternehmenskonstruktionen wie jenen von Ismail B.s Exakt Real. Zum Einzelfall könne er nichts sagen, allgemein gelte: „Wenn ich an der Adresse nichts Vernünftiges finde, wenn dort nur ein Postkasten ist, sind das Zeichen für eine problematische Situation”, sagt er. Auch Namens- und Adressänderungen seien „sehr schlechte Zeichen. Das deutet darauf hin, dass man versucht, Spuren zu verwischen”, meint Lehner.
Welche Spuren sind das bei Ismail B.? Ein bekanntes Modell beschreibt Wilfried Lehner so: „Errichtungsgesellschaft und Grundbesitzgesellschaft sind geteilt, damit man auf der einen Seite die Gewinne hat und auf der anderen die Verluste.” Wenn die Gesellschaft mit den Verlusten pleite geht, sind die Leidtragenden am Ende die Käufer. Und solche Kostenverschiebungen seien schwer nachzuweisen.
Blick in die Unternehmergeschichte von Ismail B.: Vor einem Jahr ging die Cosmo Rei GmbH insolvent, eine Beteiligungsgesellschaft, bei der er zeitweise Geschäftsführer und Gesellschafter war. Ein Konkursverfahren wurde gar nicht erst eröffnet, weil zu wenig Geld da war, um Schuldner zu bedienen. Dasselbe bei einem Reisebüro und dem Bauhandel Satroba GmbH, bei denen B. eine Zeit lang Geschäftsführer war. Auch die Profibau Exakt GmbH von B.s Bruder ging pleite und die Bilanzen der Exakt Real trüben das Bild des erfolgreichen Unternehmers weiter.
Etwa die Hälfte der Projektgesellschaften hat gar kein oder nur geringes Anlagevermögen - also Grundstücke oder Häuser. Eigenkapital ist auch kaum vorhanden, viele Gesellschaften schrieben im Vorjahr sechsstellige Verluste, nur zwei nennenswerte Gewinne. Der höchste ist ausgerechnet jener der Ispergasse GmbH mit 35.000 Euro im Jahr 2021, gefolgt von der Holding mit 34.000 Euro. Wie kann die Projektgesellschaft in Floridsdorf die erfolgreichste der Holding sein und trotzdem kein Geld für den Weiterbau haben?
Wer Ismail B. diese Fragen stellt, bekommt eine laute, aber unbefriedigende Antwort. Erst auf schriftliche Anfrage werde er dazu Stellung beziehen: Der Gewinn sei 2022 „sicher” wieder in das Projekt geflossen, aber der Betrag sei im Vergleich zu den Millionenbeträgen, die das Haus kostet, marginal. Weiter geht er nicht auf die Zahlen ein.
Die Geschichte Ismail B.s steht für ein größeres Problem: In den vergangenen Jahren haben sich viele halbseidene Unternehmer in Wien breitgemacht. „Die Zahlen sind während des Baubooms stark angestiegen”, sagt Wilfried Lehner von der Finanzpolizei. Es ist nicht immer einfach, dubiose Unternehmen von seriösen zu unterscheiden.
Morgen: Was die Coronakrise mit alldem zu tun hat.
Im Grätzel
Christian-Broda-Platz

© ARGE Karto
Der größte Platz des sowohl sechsten als auch siebenten Bezirks ist zugleich einer der unbekanntesten: Das ehemalige Mariahilfer Platzl, das 2005 ein partizipatives Verfahren und ganz viel „Evaluierung“ erfuhr, wurde umgestaltet und 2007 als Christian-Broda-Platz eröffnet. Mit zahlreichen roten Galgen und Beton-Sitzmöbeln, auf die sich niemand setzen will. Der sinnloseste Platz der Stadt, geeignet nur als Versammlungsort für Demos.
Das prägendste Lokal am Platz war das Café Westend, das ja leider geschlossen wurde. Allerdings wird gerade umgebaut, drinnen brennt Licht und der Bauarbeiter, der herauskam, meinte: „Na klar wird wieder aufgesperrt ...“ Na, man wird sehen. Seit zwei Jahren befindet sich nebenan das Laolao: Das Restaurant spezialisierte sich auf die nordostchinesische Nudel-Tradition, die Teigwaren werden in einer einsehbaren Showküche spektakulär von Hand gezogen. Auf der anderen Seite dann ebenfalls etwas Erfreuliches, da machten vor zwei Jahren „Daniel from Vienna und Riccardo from Treviso“ ihre kleine 3rd-Wave-Espresso-Bar The Good Coffee Society auf.
Und dann der unumstrittene Gewinner am Platz: das XXX Lutz-Restaurant. Die einzige Filiale der Möbelhauskette mit dem großen Werbebudget, in der es keine Möbel gibt, sondern des Wieners liebste Speis, das billige Riesenschnitzel.
Den gesamten Grätzelrundgang von Florian Holzer mit allen in der Karte erwähnten Lokalen lesen Sie hier.
Event des Tages

Lesung
Ein Reifenplatzer auf dem Weg in den Urlaub, alles aus dem Lot: Das ist der Ausgangspunkt von Thomas Oláhs Roman „Doppler“, der vom Sommer nach dem Unfall im Familienauto erzählt. Weil Vater, Mutter und der kleine Bruder mit Pflegen und Gepflegtwerden beschäftigt sind, verbringt der Ich-Erzähler seine Ferien alleine bei den Großeltern auf dem Land – in der bäuerlichen Welt der 1970er-Jahre. Wenn Oláh heute aus diesem leicht fiebriger Sommernachtstraum vom Ende der Kindheit liest, werden vor allem Angehörige der Generation X vieles (und wohl auch sich selbst) wiedererkennen: Kittelschürzen, Puch-Mopeds, den titelgebenden Doppler; die schweigende Präsenz der Nazi-Zeit und die gleichzeitig heimelige und brutale Gesellschaft. (Martin Staudinger)
Café Central, Arkadenhof, 19 Uhr
Literatur
Im Frühjahr 2020 gründete die Autorin Barbara Zeman die Internet-Literaturshow „Der großartige Zeman Stadlober Leseklub“. Im Jahr darauf ging das unterhaltsame Format vor Menschen live über die Bühne – mit abwechselnden Vorleserinnen und Musik. Heute geht es um die Schriftstellerin Hertha Kräftner (1928-1951), es ist wieder die Originalbesetzung mit Schauspieler Robert Stadlober als Vorleser zu erleben. Dazu Musikeinlagen von The Zew. (Sebastian Fasthuber)
Literaturhaus, 19.00
Buch
Evke Rulffes: Die Erfindung der Hausfrau - Geschichte einer Entwertung
In ihrem klugen Sachbuch „Die Erfindung der Hausfrau - Geschichte einer Entwertung“ zeichnet die Berliner Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes nach, wann und wie unser Bild der „Hausfrau“ geprägt wurde. Die 47-jährige Autorin und Kuratorin hat dabei vor allem die Umbruchszeit des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts im Blick, ihre Analyse führt aber bis zu Paaren von heute, deren theoretischer Anspruch einer gleichberechtigten und arbeitsteiligen Beziehung oft an seine praktischen Grenzen stößt, sobald Kinder ins Spiel kommen. (Klaus Nüchtern)
Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at
Feedback
@ „Der Ruinenbaumeister“ von Soraya Pechtl, FALTER.morgen #550
Ich bin sehr froh, dass der Falter das Thema der fragwürdigen Praktiken dubioser Bauträger in Wien aufgreift. Ich habe selber 2018 2 Eigentumswohnungen von 2 unterschiedlichen, kleinen, privaten Bauträgern gekauft und erlebe seither Sagenhaftes.
Laut Auskunft des (ÖVP-nahen) österreichischen Mieter- und Wohnungseigentümerbundes ist das alles kein Einzelfall, sondern übliche Praxis. Eine der Hauptursachen dürfte sein, dass seit der Auslagerung der Bescheinigung der konsensgemäßen Fertigstellung an vom Bauträger beauftragte Ziviltechniker die Behörde selbst nichts mehr prüft: O-Ton eines zuständigen Beamten: Uns interessiert nicht, was ist, sondern die Aktenlage …
Auch die Hausverwaltungen meinen, dass diese Zustände im nicht geförderten Wohnbaubereich leider gang und gäbe sind. Und ich fürchte, die Politik wird erst reagieren, wenn es irgendwo zu einer Katastrophe kommt wegen Mängeln im Brandschutz oder der Erdbebensicherheit.
Evelyn Blau
@ „Nie mehr Schulschluss” von Nina Horaczek, FALTER.morgen #551
Himmer (und/oder Wiederkehr?) spricht von einem „Paradigmenwechsel“, dass man jetzt mit den Eltern spricht! Und ihnen rückmeldet, dass „ihr Antrag eingegangen ist“! Echt jetzt? Das ist ein Armutszeugnis sondergleichen, und zeigt nur, dass man das Thema nach wie vor nicht ernst nimmt und immer nur „auf den Bund“ abzuwälzen versucht.
Wurde Himmer und Wiederkehr befragt, welche LehrerInnen jetzt genau dort unterrichten? Und wie viele Klassen jetzt genau und wo eröffnet werden, um diese Kinder zu beschulen?
Was wird passieren: Es wird keine einzige Klasse neu eröffnet, weil es weder den Raum noch die ausgebildeten Sonderpädagogen dazu gibt, seit Jahren nicht. Daher sind auch die Angaben zu den Kosten irreführend.
Die Kinder werden einfach zusätzlich in bestehenden Klassen weitergeführt, so wie bisher auch. Ohne Rücksicht auf Klassenschülerzahlen, die sind ja bereits seit einigen Jahren egal.
Johannes Miller
@ Wetterkritik, FALTER.morgen #550
Vielleicht bin ich kleinlich, aber ich lieb’ die deutsche Sprache ... und ich habe mich an ok gewöhnt, auch an okay, aber okayes, also die Abwandlung als Eigenschaftswort, zum Aprilwetter, das tut echt weh! Und eigentlich schreit da eh der Computer! Trotzdem einen schönen Apriltag bei brauchbar feinem Wetter, ziemlich ok!
Sabine Kauffmann

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