Drogen-Hotspot Keplerplatz: Nutzlose Schutzzone? - FALTER.morgen #563
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Ein halbes Jahr Schutzzone am Drogen-Hotspot Keplerplatz: Was hat's gebracht? >> Beim Maiaufmarsch machte der SPÖ-Machtkampf Pause >> Grätzelrundgang in Atzgersdorf >> Fragen Sie Frau Andrea: Wie gendern wir die Bim?
Wetterkritik: Der Mai macht weiter, wie der April aufgehört hat: zu kalt. Heute mit vielen Wolken und Höchsttemperaturen zwischen 14 und 18 Grad.
Guten Morgen!
Haben Sie ein entspanntes langes Wochenende hinter sich? Ich wünsche es Ihnen. Auch weil Sie mir dann hoffentlich nicht übel nehmen, dass ich gleich zu Wochenbeginn mit einem unangenehmen Thema ankomme. Es geht heute nämlich um die Drogenszene am Keplerplatz.
Vielleicht erinnern Sie sich: Meine Kolleginnen Katharina Kropshofer und Daniela Krenn haben im September eine Reportage über die „Krise am Keplerplatz” geschrieben (kostenlos lesen mit 4-Wochen-Testabo). „Die Polizei machte in der ersten Augustwoche eine große Razzia, nahm fünf Männer fest und beschlagnahmte drei Kilo Cannabis und 3000 Euro in bar. Insgesamt hat die Kriminalpolizei heuer schon 21 Personen auf dem Platz festgenommen und 18,5 Kilo Cannabis beschlagnahmt”, heißt es darin.
Kurz nachdem die Reportage erschienen war, verhängten die Polizei und die Stadt eine Schutzzone am Keplerplatz mit dem Ziel, die Drogenkriminalität in den Griff zu bekommen. Sechs Monate ist das mittlerweile her. Wie hat sich die Situation seither verändert? Wirken die Maßnahmen? Und was sagen Betroffene und Experten? Das lesen Sie gleich.
Außerdem: Martin Staudinger hat den SPÖ-Maiaufmarsch besucht und dort einen befristeten Burgfrieden im Machtkampf um die Parteispitze erlebt. Florian Holzer nimmt Sie mit auf einen Grätzelrundgang durch Atzgersdorf. Und Andrea Dusl geht der Frage nach, warum Straßenbahnen männlich sind.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
Soraya Pechtl
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FEST DER FEINDE eine Sabotage von YZMA | bis 31.05., 20 Uhr
Ob Achilles gegen Hektor, Elizabeth gegen Mary, Fischer gegen Spasski oder Baby Jane gegen Blanche: wenn ich dir in die fresse haue und du mir in die fresse haust, hau ich dir wieder in die fresse, dann haust du mir in die fresse. und was passiert? unsere oberarmmuskeln werden stärker. das ist was wir wollen. Wenn wir nur kuscheln, passiert nichts!
Karten für das Stück gibt es hier.
Schutz und Schatten
Der Keplerplatz in Favoriten gilt als Drogen-Hotspot. Seit einem halben Jahr sind dort nun verstärkt Polizistinnen und Sozialarbeiter im Einsatz. Hat sich die Situation seither verbessert?
Es dauert keine zehn Minuten. „Brauchst du was? Brauchst du was?”, fragt ein junger Mann mit nahöstlichem Akzent. Es ist Donnerstagnachmittag und ich sitze in der Sonne auf einer Bank vor der Kirche am Keplerplatz.
Nein danke, ich brauche nichts. Zumindest nichts von dem, was der Mann anzubieten hat. Also zieht er zur nächsten Passantin: „Brauchst du was? Brauchst du was?” Auch sie verneint. Seine Drogen wird er heute wohl schwer los. Andere scheinen mehr Erfolg zu haben.
Ein paar Meter weiter steht eine Gruppe junger Männer mit Bierdosen in der Hand, im Sichtschutz der Kirchenmauer. Einer steckt einem anderen einen Geldschein zu und nimmt etwas entgegen. Was es ist, bleibt unter den Handflächen der beiden verborgen.

Der Keplerplatz in Favoriten gilt als Drogen-Hotspot. „Im Winter war es weniger, aber jetzt wo es wärmer wird, kommen sie wieder”, sagt Maria.
Der Keplerplatz in Favoriten gilt seit einiger Zeit als neuer Drogen-Hotspot Wiens. 279 gerichtlich strafbare Handlungen zählte die Polizei alleine im ersten Halbjahr 2022 – also 1,5 jeden Tag. Rund 60 Prozent davon betrafen Drogenbesitz oder -verkauf. Anrainerbeschwerden häuften sich.
Also hat die Polizei vor sechs Monaten eine Schutzzone am Keplerplatz verordnet. Seit 4. Oktober sind die Beamten uniformiert und zivil im Einsatz. Sie können Personen, die sie als verdächtig einstufen, kontrollieren und gegebenenfalls wegweisen. Wer sich nicht daran hält, muss mit Geldstrafen rechnen. Auch Sozialarbeiter sind täglich vor Ort, versuchen Streitigkeiten zu schlichten und bieten suchtkranken Personen Hilfe an.
Bleibt die Frage: Hat die Schutzzone auch etwas gebracht?
Das kommt darauf an, wen man fragt.
Die Polizei zieht eine positive Bilanz. „Die Lage hat sich statistisch betrachtet deutlich gebessert”, heißt es von der Pressestelle. Im November 2022 waren noch 126 Straftaten angezeigt worden, diesen März 2023 nur mehr 35. „Dies entspricht einem Rückgang von mehr als zwei Drittel”, so die LPD Wien.
Auch Ewald Lochner, Leiter der Sucht- und Drogenkoordination Wien, sieht Verbesserungen: „Die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter nehmen wahr, dass es eine multiple Nutzung des Raumes gibt. Der Keplerplatz ist nicht mehr so besetzt wie vorher”, sagt er. Bevor die Schutzzone in Kraft trat, sei vor allem der illegale Handel mit Cannabis ein Problem gewesen. Anrainer und Familien hätten den Platz gemieden, jetzt kämen sie wieder zurück. Ob die Schutzzone aber tatsächlich etwas bringt, sei derzeit noch schwer abzuschätzen. „In den kalten Wintermonaten ist auf dem Platz grundsätzlich weniger los. Eine valide Aussage kann man daher erst nach dem Sommer treffen”, so Lochner. Auch deshalb wurde die Schutzzone kürzlich um weitere sechs Monate verlängert.
Die Anrainer sind allerdings skeptisch, dass sich nachhaltig viel verbessern wird. An einem der ersten schönen Apriltage wimmelt es am Platz von biertrinkenden jungen Männern. Wer an der Kirche vorbeigeht, hat sofort den Geruch von Cannabis in der Nase. „Im Winter war es weniger, aber jetzt wo es wärmer wird, kommen sie wieder”, sagt Maria*, die seit 40 Jahren an einem Würstelstand am Keplerplatz arbeitet. Die Polizei sei zwar regelmäßig im Einsatz – kürzlich seien die Beamten um drei Uhr Nachmittag mit Sturmgewehren aufgetaucht. Aber sobald die Exekutive wieder abziehe, kämen die Männergruppen zurück.
„Es hat sich nicht wirklich etwas verändert, seit die Schutzzone in Kraft ist”, meint Maria.
Wer sind wir ohne Arbeit?
Felix ist Ende dreißig, Single und Unternehmer. Dann kommt die Pandemie, es bleiben die Aufträge aus. Er muss die Firma schließen und seine Wohnung monatlich für acht Tage vermieten. Felix zieht also von Gästecouch zu Gästecouch, verstrickt sich vor Scham in bizarren Geschichten, wird sich selbst fremd, fällt und fällt. Wo schlägt er auf? Wer kann ihn halten?
David Schalkos neuer Roman »Was der Tag bringt« ist ein bestechender Kommentar auf unsere sich radikal verändernde Arbeitswelt.
Scheuba fragt nach ...
bei Antonia Stabinger
Florian Scheuba berichtet in der aktuellen Folge von Zudeckungsjounalismus und zitiert dazu aus dem Hauptwerk der WKStA über Aufstieg und möglichen Fall der österreichischen Boulevard-Demokratie. Mit der Kabarettistin Antonia Stabinger spricht er über die Bühnentauglichkeit weiblicher Schwellkörper und Selbstironie-Probleme im ORF.
Verkehr und mehr
Die ganz geheime Grätzelstudie zur Verkehrsberuhigung im Volkertviertel, über die wir vergangene Woche ausführlich berichtet haben, ist inzwischen veröffentlicht – sie ist aber bei weitem nicht das einzige einschlägige Papier, das von der Stadt unter Verschluss gehalten wird. Der Verkehrsplaner Ulrich Leth hat inzwischen 30 (in Worten: dreißig) Verkehrsstudien entdeckt, die „in irgendwelchen Schubladen vergammeln oder aus Schutz vor angeblichen ,Fake news' zurückgehalten werden” und eine Liste darüber erstellt. Abrufbar ist sie hier.
Gut möglich, dass Sie heute im Stau stehen, wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind. Der Feiertagsverkehr dürfte sich mittlerweile zwar beruhigt haben, aber Aktivisten der „Letzte Generation” blockieren ab heute wieder Wiens Straßen. In den kommenden drei Wochen wollen die Klimaschützer jeden Tag den Frühverkehr lahmlegen und sich in gewohnter Manier an die Fahrbahn kleben. Wo die Protestaktionen stattfinden, ist im Vorfeld nicht bekannt. Aber der Ring soll nicht betroffen sein, sagt ein Sprecher. Auch Öffis sollen nicht gestört werden.
Mit etwas sanfteren Mitteln will der 18. Bezirk die Verkehrswende schaffen. Heute startet die Aktionswoche „Währing fährt Rad”: Mit einer Kampagne und Aktionen vom 2. bis 6. Mai soll der Radverkehrsanteil in Währing weiter gesteigert werden. Zum Auftakt findet ein sogenannter Cycle-Cinema-Abend statt. Heute um 21 Uhr wird am Johann-Nepomuk-Vogl-Platz bei freiem Eintritt und gratis Popcorn die Komödie „Gegen den Strom” gezeigt. Das Besondere: Den Strom für den Film erzeugen dabei Radlerinnen und Radler. Morgen stehen ein Fahrradparcours im Ebner-Eschenbach-Park (von 14 bis 17 Uhr) sowie eine Radtour zu Währings Märkten (ab 16 Uhr) am Programm. Mehr zu den Aktionen und weitere Details finden Sie hier.
Kennen Sie eine Straße, auf der Autos regelmäßig zu schnell unterwegs sind? Oder eine Gegend, in der der Verkehrslärm besonders stark ist? Anderes gesagt: Haben Sie einen Vorschlag, wo es Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung braucht? Dann können Sie diesen hier in der Online-Karte des VCÖ eintragen. Die Mobilitätsorganisation sammelt bis Ende Mai die Einträge und übermittelt sie dann an die Bezirke.
Reportage

Befristeter Burgfrieden
Beim gestrigen Maiaufmarsch machte der Machtkampf in der SPÖ Pause.
Wenn man es nicht besser wüsste, dann hätte man beim gestrigen Maiaufmarsch am Rathausplatz nicht geahnt, dass die SPÖ momentan von einem Machtkampf durchgebeutelt wird: Es muss zumindest eine stillschweigende Übereinkunft gegeben haben, Szenen wie 2016 zu vermeiden, als der damalige Parteichef Werner Faymann ausgebuht, beschimpft und ausgepfiffen wurde. Dieses Jahr ging das sozialdemokratische Hochamt jedenfalls präzise choreografiert, störungsfrei und wenigstens an der Oberfläche in ostentativer Einigkeit über die Tribüne. Von dort aus spulte das amtierende Parteiestablishment um Pamela Rendi-Wagner routiniert ein Breitbandprogramm ab, das einer linkstraditionellen Volkspartei alle Ehre macht: Teuerung, hohe Energiepreise, Rechtsruck und Rassismus (dagegen); Sozialstaat, Gleichberechtigung und Klimaschutz (dafür).
Der Konflikt um die Parteiführung fand lediglich in Nebensätzen und Zwischentönen statt: Die Prophezeiung Rendi-Wagners, dass „die Zeit der internen Selbstbeschäftigung bald vorüber sein wird“, blieb eigentlich der deutlichste Hinweis darauf; die Beteuerung von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, dass „wir hier, egal was manche Medien schreiben, die meisten sind“, wird wohl auch eine subtile Botschaft in Richtung der Parteirebellen gewesen sein.

Einzige erkennbare Unmutsäußerung: Die SJ mit ihrer Forderung nach mehr Basis-Mitbestimmung (© FALTER/Staudinger)
Letztere – der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler – wahrten ihrerseits den Burgfrieden, indem sie sich am 1. Mai der Wienerstadt fern- und jeglicher Führungsansprüche enthielten. Ein paar Unterstützer Bablers drückten sich an den Rändern der Kundgebung herum und versuchten eher erfolglos, die Zeitschrift „Der Funke“ unter die Leute zu bringen (was auch am stolzen Preis von 3 Euro gelegen haben könnte).
Die einzige offenkundige Unmutsäußerung kam von der Sozialistischen Jugend (SJ), die sich während der Rede von Rendi-Wagner mit einem stattlichen Transparent still, aber tapfer gegen eine leichte Brise stemmte: „Echte Mitbestimmung statt Stimmungsbild – Jetzt die Basis an die Macht!“ hieß es darauf – es ging darum, dass die Entscheidung über den SPÖ-Vorsitz letztlich durch einen Parteitag getroffen wird (was offenbar Rendi-Wagner einen Vorteil verschaffen soll) und nicht simpel durch eine Mitgliederbefragung (bei der Babler bessere Chancen eingeräumt werden).
Zum Schluss sang man gemeinsam eine Strophe der „Internationale“, und als die SJler doch noch zwei Strophen dranhängten, war das Establishment bereits damit beschäftigt, die Tribüne zu verlassen.
Im Grätzel
Carré Atzgersdorf

Alle Lokale finden Sie unter dem Link am Ende des Beitrags. (© ARGE KARTO)
Atzgersdorf war bis jetzt ein kulinarischer Ground Zero. Und es ist interessant zu beobachten, wie ein rasanter Zuzug meist junger Familien im Stadtentwicklungsgebiet Carré Atzgersdorf diese Situation verändert.
Von der S-Bahn-Station Atzgersdorf kommend wäre da zuerst einmal das Desi Dhaba Restaurant, das Angebot schlängelt sich durch sämtliche indische Standards. Ins Gebäude einer alten Klavierfabrik zog vor ein paar Jahren die wunderbare Craft-Brauerei 100 Blumen ein. Alexander Forstingers Biere zählen schon lange zum Besten, was in Wien gebraut wird.
Vor zwei Jahren beschloss die bisherige Grafikdesignerin Socheata Scheidel, die gastronomische Situation Atzgersdorfs zu bereichern, startete ihr Champa und bietet hier nun vietnamesische und Khmer-Küche an. Wirklich gut. Über die Scherbangasse kommen wir dann direkt zum Atzgersdorfer Kirchenplatz und hier zu Sabina Anna Pekareks Genuss-Spiegel: Ein sympathisches kleines Kultur-Café, in dem man die Biere der nahen Brauereien bekommt.
Den gesamten Grätzelrundgang von Florian Holzer lesen Sie hier.
Wir NEOS managen Krisen und gestalten die Zukunft.
Wir machen Wien klimaneutral und haben vereinbart – RAUS AUS GAS BIS 2040. Wir investieren 5mal so viel in den Radwegeausbau und bauen 15mal so viele PV-Flächen als Rot-Grün vor uns.
Ohne NEOS: Mutlosigkeit und Stillstand
Mit NEOS: Optimismus und Mut
Frage des Tages
Seit wann gibt es in Wien Eissalons?
Seit 1690
Seit 1750
Seit 1810
Auflösung des Tages: Zur Ausbildung der Wiener Feuerwehr für den Ernstfall wurde eine ganze U-Bahn-Station (kein Hafenkran und auch kein Kanalabschnitt) detailgetreu nachgebaut – und zwar neben dem Kraftwerk Leopoldau. Dort werden vorwiegend Einsätze nach U-Bahn-Unfällen geübt.
Event des Tages

Literatur
Michael Stavarič schreibt an sich keine Wohlfühlliteratur, keine Prosa, von der man sich gemütlich in den Schlaf wiegen lassen kann. Für seinen jüngsten Roman „Das Phantom“, den er heute zusammen mit der Germanistin Daniela Strigl vorstellt, hat er sich in den Kopf einer Thomas-Bernhard-Figur begeben. Nun darf gerätselt werden, wie das zu verstehen ist. Handelt es sich um eine Bernhard-Hommage oder eine Parodie – ja womöglich sogar ein bisschen von beidem? (Sebastian Fasthuber)
Gesellschaft für Literatur, 19.00
Buchtipp
Ivo Andric: Das Fräulein
Seine weit ausholenden Panoramen „Die Brücke über die Drina" und „Wesire und Konsuln" komplettierte der jugoslawische Nobelpreisträger und Diplomat Ivo Andrić (1892-1975) in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs mit einer scharf gezeichneten individualpsychologischen Studie. Im Halbdunkel einer feuchten, kaum geheizten Wohnung sitzt das ältliche „Fräulein"; der geliebte Vater war aus Gram über seinen unverschuldeten wirtschaftlichen Untergang früh verschieden.
Die Lieblingstochter schwor ihm am Totenbett ewige Sparsamkeit, sie meinte, sich durch diese „Tugend" an der Welt zu rächen. Mit der Zeit schlägt sie in das Laster des Geizes um, ihre letzten Jahre verbringt sie in Einsamkeit und Isolation. Andrić ist eine böse Charakterstudie gelungen - allerdings mit patriotischen und antisemitischen Untertönen. (Thomas Leitner)
Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at
Fragen Sie Frau Andrea

Wie gendern wir die Bim?
Liebe Frau Andrea, woher kommt es, dass Immigranten aus Bundesländern westlich des Wienerwaldes die Öffis zunehmend falsch gendern? Deutsche machen das sowieso, aber wieso auch Ösis? Immer öfter höre ich Sachen wie „nimm doch die Zwei und steig beim Stubentor aus", oder „die 43er kommt schon wieder nicht daher". In meiner Welt (ich darf mich als echte Wienerin outen) ist das „der" Zwara und „der" 43er. Straßenbahnen sind männlich. Wie sehen Sie das? (Sabine Keybel, Neubau, per E-Mail)
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In Wien bezeichnet man Straßenbahnzüge traditionell männlich (© Heribert Corn)
Liebe Sabine,
ich bin ganz bei Ihnen. Sehen wir uns die Sache aus wienerischer Perspektive an. Wie Sie richtig bemerken, bezeichnete man in Wien Straßenbahnzüge traditionell männlich. Man fährt im 31er, im 46er, im 71er.
In den Buchstabenlinien (früher gab es wesentlich mehr von ihnen) gibt es Hinweise auf den Grund für den maskulinen Genus. Man spricht vom D-Wagen, sprach vom N-Wagen und vom O-Wagen. Das grammatikalische Geschlecht des Transportmittels Wagen war auf die Linien übertragen worden, auf denen die Wägen verkehrten. Vor der Elektrifizierung waren es pferdegezogene Wägen, die auf den Gleisen verkehrten. Die Linien selbst (und die meisten ihrer Endstationen) sind noch älteren Datums. Auf ihnen verkehrten, noch vor dem Bau eines Schienennetzes für die Pferdetramway, die sogenannten Stellwägen. Kleine, von Pferden gezogene, aber schon straßenbahnartige Fuhrwerke für eine kleine zweistellige Fahrgastanzahl.
Im Bus, sprachlich aus Omnibus (lateinisch „für alle") entstanden, sehen wir die zweite Traditionslinie des öffentlichen Verkehrs in Wien.
Weil Bus maskulinen Genus ist, werden auch die Fahrzeuge selbst nach ihren Linien bezeichnet. Wienweit sprechen wir also vom 3A, vom 5A, vom 13A. Linienbusse von Privatunternehmern tragen das Suffix B.
Die Züge der Wiener U-Bahn-Linien sind ebenfalls weiblichen Geschlechts. Wir fahren, auch wenn wir den Waggon bezeichnen, in dem wir uns befinden, von „der U2", der „U4", der „U6".
Taxis hingegen sind sächlichen Geschlechts, während man (zu Zeiten seiner Hochkonjunktur) auch in Wien „einen" Uber bestellte.

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