Kindergarten-Essen: Mehr zahlen? Ja! - FALTER.morgen #579

Versendet am 25.05.2023

Warum die Erhöhung des Essensbeitrags für Wiener Kindergartenkinder nicht das Problem ist, das die ÖVP und andere gerne daraus machen würden >> Nach dem Skandal um den Verein Auslandsdienst: Der neue Leiter im Interview >> Der Fassadenleser über einen würfeligen Dachausbau im 16. Bezirk

Wetterkritik: Der Mai ist endlich so, wie wir ihn haben wollen: Sonnig und warm, aber nicht zu warm (heute mit 24 Grad). Nicht falsch verstehen: Jeder und jedes Monat kann sein, wie und was er will. Aber uns ist ein lauer Frühling definitiv lieber als ein kühler, verregneter. 


Guten Morgen!

Alles wird teurer, die Wohnung, die Zugkarte, die Milch. Und jetzt hat auch noch die Stadt Wien angekündigt, den Essensbeitrag für Kindergartenkinder ab Herbst zu erhöhen. Knapp 80 Euro sollen Eltern künftig für Gabelbissen, Mittagessen und Nachmittagsjause monatlich hinlegen. Das Rathaus argumentiert mit der starken Teuerung. Gestern hat der Gemeinderat die Anpassung beschlossen.

Kritik prasselte von Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) herab, die das alles „einen Hohn” nannte. Man dürfe die hohe Teuerung nicht an Kinder weitergeben. Eltern murren. Und sind nicht gerade die Kleinsten in der Gesellschaft die Schützenwertesten, jene, die man von Marktlogiken und formalistischen Zwängen - die Essenspreise sind inflationsindexiert - tatsächlich ausnehmen müsste? Wären nicht sie es, die es „uns wert sein müssten”?

Genau so ist es. Nur hat das wenig mit dem Essensbeitrag im Kindergarten zu tun. Im Gegenteil sogar. Warum? Unten gleich mehr dazu.

Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Vor zwei Wochen hat eine Falter-Recherche von Lina Paulitsch dafür gesorgt, dass Andreas Maislinger, der langjährige Leiter des Vereins Auslandsdienst, wegen schwerer Vorwürfe den Hut nehmen musste. Inzwischen wurde ein Nachfolger für ihn bestellt – er heißt Tobias Aigner und hat Paulitsch das erste Interview gegeben. Und unser Fassadenleser Klaus-Jürgen Bauer hat sich diese Woche in Ottakring umgesehen und dort ein Haus mit einem Würfel auf dem Dach entdeckt.

Einen schönen Tag wünscht Ihnen

Eva Konzett


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Lasst uns für unsere Kinder zahlen - wenn wir es können

Die Stadt Wien erhöht die Essensbeiträge für Kindergartenkinder. Wenn sie nur generell auch ein Betreuungspauschale einheben würde!

Im Jahr 2009 hat die SPÖ zeitgerecht zur kurz darauf stattfindenden Bürgermeisterwahl den Gratiskindergarten eingeführt. Seither fördert die Stadt jeden Kinderkrippenplatz für unter Dreijährige mit 677,37 Euro, den Regelkindergartenplatz mit 455,32 Euro pro Monat. Auch bei den privaten Trägern. Wer sein Kind in einer städtischen Einrichtung unterbringt (was zugegebenermaßen nicht immer ganz einfach ist) zahlt überhaupt nur den Essensbeitrag.

Julia aus dem Zweifachakademikerhaushalt kriegt gratis dasselbe Betreuungsangebot wie Thommi mit der Alleinerzieherinnenmama. Und das ist das größte Problem. Nur weil alle dasselbe haben, ist es nämlich noch längst nicht gerecht. 

Knapp 80 Euro sollen Eltern künftig für Gabelbissen, Mittagessen und Nachmittagsjause monatlich hinlegen (© APA/ HARALD SCHNEIDER)

Das ganze passiert in einer Zeit, wo die Wiener Kindergärten längst überfordert sind: Die Stadt ist schneller gewachsen als man in den Neubauvierteln die Kindergärten eröffnen hätte können. Elementarpädagoginnen berichten von einem System, das an der Kippe steht. Mehrfach sind sie (sowie im Rest Österreichs) auf die Straße gegangen. Zuletzt streikten die Kindergartenpädagoginnen im Jänner, da blieben die Türen der städtischen Einrichtungen geschlossen. Und das obwohl die zuständige MA 10 knapp eine Milliarde Euro pro Jahr in die Wiener Kindergärten steckt.

Da stellt sich schon die Frage, ob man das Geld nicht gezielt für eine hochwertige Betreuung ausgeben sollte, für mehr Fachpersonal, für treffsichere Förderung. Und dafür nach Einkommen gestaffelt Beiträge auf den Kindergartenplatz einhebt und zweckgebundene Mehrerlöse bekommt.

Zuviel Geld kann der Kindergarten kaum haben. Er ist die wichtigste Bildungseinrichtung im Leben eines Kindes.

Es geht nicht darum, dass die Schwächsten mehr zahlen, sondern die Einkommensstarken weniger bekommen. Und am Ende mehr Geld für alle da ist.

Vom Essensbeitrag sind ärmere Familien bereits ausgenommen. Die Einkommenshöchstgrenze für die Befreiung wird zeitgleich mit der Erhöhung im Herbst auf 1864,94 Euro netto angehoben. Das ist richtig.

Man sollte dieses Modell auf den ganzen Kindergarten ausweiten. Michael Häupl hat es in einem Interview mit dem Falter 2003 einmal so ausgedrückt. Die Tochter des Generaldirektors braucht keinen gratis Kindergarten.”

Nur um diesen für die eigene Wiederwahl knapp zehn Jahre einzuführen.

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Falter-Radio

Wie weit nach rechts driftet die ÖVP?

Tóth, Strobl, Sachslehner (v.l.n.r.) mit Moderator Löw

Herbert Kickls FPÖ liegt in Umfragen vorne, Türkis-Blau in drei Bundesländern erhöht die Sorge vor einer rechtsextremen Regierung in Wien. Zu recht? Sie hören in der aktuellen Podcast-Folge die Wiener Gemeinderätin Laura Sachslehner (ÖVP), die linke Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl und Falter-Journalistin Barbara Tóth im Gespräch mit Raimund Löw und den ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) in einem Interview.


Stadtnachrichten

Transparenz in Theorie und Praxis: Die Grünen haben gestern im Gemeinderat im Rahmen einer Dringlichen Anfrage den Antrag gestellt, eine Veröffentlichungspflicht für alle Gutachten, Studien und Umfragen einzuführen, die von der Stadt extern in Auftrag gegeben werden. Hintergrund ist einerseits die jahrelange Geheimhaltung einer Grätzelstudie über das Volkertviertel, über die Sie hier schon mehrfach gelesen haben – und andererseits die Tatsache, dass mindestens ein weiteres Dutzend Papiere zum Thema Mobilität vom Rathaus unter Verschluss gehalten werden.

„Was glaubt ihr, wer lehnte diesen Antrag ab?“, postete Grün-Gemeinderätin Heidi Sequenz am Abend auf Facebook. Richtig geraten: Njet sagen (wenig überraschend) die SPÖ – und ihr Koalitionspartner, die selbsternannte Transparenzpartei Neos.


Die Wiener Linien sind zufrieden mit sich selbst: Im vergangenen Winter war die Situation bei den Verkehrsbetrieben höchst angespannt – die Fahrgäste ärgerten sich über Unpünktlichkeit und lange Wartezeiten, im Unternehmen selbst herrschte Personalmangel. Ein Fünf-Punkte-Programm, das Anfang Jänner präsentiert wurde, sollte Abhilfe schaffen. Fünf Monate später ziehen die Wiener Linien eine positive Bilanz.

Eigenen Angaben nach wieder zu 99 Prozent pünktlich: Die Wiener Linien (© PID/Christian Fürthner)

Demnach finden inzwischen wieder 99 Prozent der Fahrten pünktlich statt. Es werden mehr U-Bahn-, Bim- und Bus-Lenkerinnen ausgebildet als je zuvor (heuer rund 750 nämlich. Die Drop-Out-Quote bei den Schulungen stark zurückgegangen, auch weil die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen substanziell verbessert wurden.

Die Wiener Linien sind aber weiterhin intensiv auf Personalsuche – Mitte Juni wird eine Recruiting-Bim in Wien unterwegs sein, in der Interessierte direkt einen Lebenslauf-Check durchführen können. Wer sich jetzt schon bewerben möchte, kann das auf der Website der Wiener Linien tun.


Wohnen Sie in Mariahilf, Währing oder Floridsdorf – und haben Sie Anstöße, was man tun könnte, um den Klimaschutz in Ihrem Bezirk voranzutreiben oder die Folgen der Erderwärmung zu verringern? Dann können Sie noch bis einschließlich Sonntag beim „Wiener Klimateam“ Ihre Ideen für vier Handlungsfelder einreichen – klimafreundliche Mobilität, erneuerbare Energien, Stadtraumgestaltung und Nachhaltigkeit im Alltag. „Von Reparaturcafés im Grätzl über Photovoltaik-Anlagen auf Gemeindebauten bis hin zu Anreizen für mehr Zu-Fuß-gehen oder mit dem Fahrrad fahren haben die Wienerinnen und Wiener schon ganz viele kreative Ideen eingebracht, wie man das Klima verbessern kann“, sagt Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) – mehr geht aber immer. Das Online-Formular für Einreichungen finden Sie hier (eine Registrierung auf der Beteiligungsplattform der Stadt Wien ist dafür erforderlich). 

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Ludwig, wir wissen, wo dein Auto steht

Nämlich im Stau auf der 2erLinie. Die SPÖ will auch nach dem U-Bahn-Bau nur Blechlawinen, Lärm und flirrende Sommerhitze vom Karlsplatz bis zur Universitätsstraße. Die Jahrhundertchance zur Umgestaltung wird vergeben. Klimaschutz und moderne Stadtplanung? Fehlanzeige!

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Interview

Lina Paulitsch

„Mir war die Kritik bekannt, ich würde das aber nicht als System sehen“

Nach Falter-Enthüllungen ist Andreas Maislinger als Vorsitzender des Vereins Auslandsdienst zurückgetreten. Tobias Aigner soll ihm nachfolgen. Was hat er mit dem Verein vor? Und wie will er die Vorfälle um Maislinger aufarbeiten? 

Im Verein Auslandsdienst überschlagen sich die Ereignisse. Auslöser: Eine Recherche im Falter, die das verstörende Verhalten des Vereinsvorsitzenden Andreas Maislinger schilderte. 

Der Verein Österreichischer Auslandsdienst ist ein Prestige-Projekt der Republik. Als „kleine Botschafter“ werden Jugendliche an internationale Holocaust-Gedenkstätten entsandt, um die Aufarbeitung der NS-Zeit voranzutreiben. Das Sozialministerium förderte den Verein zuletzt mit 1,2 Millionen Euro pro Jahr. 

Im Falter wurden am 10. Mai schwere Vorwürfe von 14 Personen gegen Maislinger dokumentiert – im Wesentlichen ging es dabei um Drohungen, die der Vereinsvorsitzende ausgestoßen haben soll, wenn etwas nicht nach seinem Willen lief. Einigen Jugendlichen schickte er SMS, in denen er seinen Suizid angekündigt haben soll, um emotionalen Druck auszuüben. Anderen soll er angedroht haben, sie nicht ins Ausland zu entsenden. 

Zwei Tage nach Erscheinen der Recherche trat Maislinger auf Druck des Sozialministeriums zurück. Der neue Vorsitzende, den Maislinger selbst vorgeschlagen hat, heißt Tobias Aigner, Jahrgang 1988. Aigner war Vorsitzender der Sozialistischen Jugend in Salzburg, aktuell arbeitet er als Jurist bei der Österreichischen Gesundheitskasse. 

Tobias Aigner, der neue Vorsitzende des Vereins Auslandsdienst (© privat)

Die Zukunft des Vereins steht weiter in den Sternen. Aktuell fließen keine Fördergelder. Am gestrigen 24. Mai gingen drei parlamentarische Anfragen der SPÖ und der Neos ein, die auf die Verantwortlichkeit des Ministeriums abzielen. Dem zuständigen Ressort waren die Anschuldigungen spätestens seit Herbst 2022 bekannt.  

Ein Gespräch über Aigners Pläne, strukturelle Änderungen und seine Kenntnis der Vorwürfe. 

FALTER.morgen: Herr Aigner, Sie sind am 18. Mai zum neuen Vorsitzenden des Vereins Auslandsdienst berufen worden. Warum gerade Sie? 

Tobias Aigner: Ich bin seit Jahren im Dunstkreis des Auslandsdienst unterwegs, auf Veranstaltungen, bei Konferenzen und als Tutor. Ich komme selbst aus Braunau (Anm.: Adolf Hitlers Geburtsort), es gibt für mich keine bessere Idee der Aufarbeitung. Nach Erscheinen des Artikels bin ich von Mitgliedern des Vereins angerufen worden und wurde gefragt, ob ich aushelfen kann.

Das Sozialministeriums wollte den Verein nur dann weiter fördern, wenn Andreas Maislinger zurücktritt. Das ist passiert. Trotzdem fließt derzeit kein Geld an den Verein. Was ist die Bedingung der Politik? 

Aigner: Das Ministerium wünscht sich eine umfassende forensische Aufarbeitung.

Wie wird die forensische Aufarbeitung der Vorwürfe aussehen? 

Aigner: Ich bin zwar Jurist und halber BWLer, aber ich bin kein Experte, wie man solche sensiblen Situationen handhabt. Deshalb werden wir eine externe Person hinzuziehen. Ich habe auch Kontakt zu den Menschen aufgenommen, die die Vorwürfe erhoben haben. Alle sind bereit und willig, zur Klärung der Ereignisse beizutragen. 

Die Betroffenen sagen, dass das Fehlverhalten des Vorsitzenden nur innerhalb einer Struktur stattfinden konnte, die ihn schützte. Muss man sich im Rahmen der Aufarbeitung auch anderen Mitarbeitern widmen? 

Aigner: Was zu bedenken ist: Andreas Maislinger ist 25 Jahre Vorsitzender des österreichischen Auslandsdienst gewesen, er war Initiator und Ideengeber für den Verein Gedenkdienst. Auch mir war die Kritik immer schon bekannt, ich würde das aber nicht als System sehen …

Zum gesamten Interview geht es hier.


Frage des Tages

Was zeigt unser Satellitenbild?

© Geoland

Auflösung von gestern: Beeindruckende 61 Prozent der in Österreich geernteten Melanzani kommen aus Wien (nicht 25 oder 48).


Lokaltipp

Leitenbauer (1070)

In der Neubaugasse, gab es seit 2012 ein etwas obskures Delikatessen-Sammelsurium namens G’schäft, Marketing-Mann Georg Leitenbauer ging dort immer wieder auf ein Achterl Wein. Während der Lockdowns erkrankte der G’schäft-Betreiber schwer, was Leitenbauer dazu bewog, gemeinsam mit einer anderen Stammkundin vorübergehend einzuspringen. Der Gesundete ging dann aber in Pension und Leitenbauer dachte sich, „keine Bullshit-Jobs mehr, ich mach das jetzt“.

Er entrümpelte die denkmalgeschützten Wiener-Werkstätten-Auslagen, entfernte die Zwischendecke, vor allem aber ging er auf die Suche nach Produkten, die der Bezeichnung „Wurstkultur“ würdig sind: Leberkäse von Hannes Hönegger aus dem Lungau, Prosciutto und Culatello (ein entbeinter, 30 Monate in der Schweinsblase gereifter Prosciutto) aus Bayern, wahnsinnig gut. Dazu ein schönes Glas Wein aus der Vinothek oder ein Glas Prosecco aus dem Fass. Auf Lahner!

Die gesamte Lokalkritik von Florian Holzer lesen Sie hier.


Event des Tages

Gerhard Stöger

Kunst

Die Information „The artist will be present“ ist bei der Vernissage in der Galerie Krinzinger am Donnerstag weit mehr als ein bloßer Zusatz: Genau so betitelte Marina Abramović 2010 ihre legendäre Performance im New Yorker MoMA, bei der sie drei Monate lang anwesend war und dem Publikum tief in die Augen schaute. In Wien stellt der Kunststar bis 29. Juli am Körper tragbare Skulpturen aus, die sie „Energy Clothes“ nennt. (Nicole Scheyerer)

Galerie Krinzinger, Do 19.00

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Gemeinsam für unsere Demokratie / Über Europa reden!

25. Mai, 18 Uhr in der Wiener Urania

Wir laden Sie zu einem Dialog mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, ein. Melden Sie sich hier an, kommen Sie vorbei und fragen Sie die Präsidentin des Europäischen Parlaments über die Zukunft der EU, die Prioritäten des Parlaments, internationale Politik und Themen, die junge Menschen am meisten beschäftigen.

Jetzt anmelden!


Buchtipp

Norbert Mappes-Niediek: Krieg in Europa

Für sein neues Buch wählte Norbert Mappes-Niediek den Titel "Krieg in Europa", und wäre da nicht der Zusatz "Der Zerfall Jugoslawiens", man würde nahezu automatisch an den Krieg in der Ukraine denken. Als am 24. Februar vergangenen Jahres russische Panzer über die ukrainische Grenze rollten, war in vielen westlichen Medien die Rede vom ersten großen Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Geflissentlich übersahen sie jene Tragödie, die die 1990er-Jahre des vorherigen Jahrhunderts markierte - die Kriege in Ex-Jugoslawien.

Kriege gleichen einander darin, dass sie unvorstellbares Leid verursachen. Sie müssen erzählt werden, Fakten gehören von Lügen und Propaganda getrennt. Dies gilt auch heute, mehr als 30 Jahre nach dem Beginn der Kriege in Jugoslawien. Unermüdlich produzieren die Nachfolgestaaten der Region auch heute ihre nationalistischen Narrative über den Krieg, wo sie sich alle als Opfer der jeweils anderen stilisieren. Das Buch von Mappes-Niediek dekonstruiert so manche dieser Mythen.

Dem deutschen Journalisten und Südosteuropa-Kenner Mappes-Niediek ist eine minutiöse, kenntnisreiche und eindringliche Geschichte der Jugoslawien-Kriege gelungen. (Verdan Džihić)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Fassadenleser #114

Klaus-Jürgen Bauer

Living in a Box 

Die Bachgasse in Ottakring ist nach dem hier bereits seit dem Jahr 1881 unterirdisch dahinfließenden Ottakringer Bach benannt. Die Straße ist recht einheitlich bebaut: mehrgeschossige, historistisch gegliederte Wohnhäuser aus der Zeit zwischen 1880 und 1914, dazwischen einige wenige Neubauten. In der Zwischenkriegszeit und in der Nachkriegszeit wurden einige Fassaden in dieser Gegend von ihrem ornamentalen Schmuck erleichtert. Dafür gab es viele Gründe: der Wunsch nach glatter Modernität, Kriegsschäden, fehlende Handwerker, Kosten der Pflege.

Glatte Modernität und ein Würfel am Dachaufbau in der Bachgasse (© Klaus-Jürgen Bauer)

Viele Häuser dieser Gegend erfahren gerade tiefgreifende Veränderungen. Historistische Fassaden verschwinden unter dicken Paketen von Vollwärmeschutz. Die (Plastik) Fenster liegen nach diesen Veränderungen deutlich tiefer als bei den Bauten des 19. Jahrhunderts.

Auf diese plastifizierten Oberflächen werden sehr einfache Leisten und Gesimse aufgeklebt, die ebenfalls meist aus Erdölderrivaten gepresst sind. Die Farbgestaltung dieser neuen Dämmfassaden erfolgt meist freihändig nach Geschmack der Auftraggeber. Auch die frei komponierten Würfel des Dachaufbaus werden kaum von Gestaltungsüberlegungen, sondern von der baurechtlichen Möglichkeit der Unterbringung von Terrassen sowie von den Vorgaben des Energieausweises bestimmt. Jede Zeit hat eben ihre Regeln und Konventionen.

PS: Klaus-Jürgen Bauer hat auch mehrere Bücher geschrieben, die im faltershop.aterhältlich sind.


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