Behinderungen: Wenn die Stadt zum Gegner wird - FALTER.morgen #581
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Wenn die Stadt zum Gegner wird: Eine Serie über die Grenzen der Mobilität für Menschen mit Behinderung in Wien >> Erdoğan-Sieg: Favoriten in Feierstimmung >> Doskozil oder Babler? Ein SPÖ-Streitgespräch >> Grätzelrundgang mitten im Dritten >> Wer sind die Beserln im Park, Frau Andrea?
Wetterkritik: Kompliment an die Verantwortlichen – der Mai findet heuer ein perfektes Finale. Warm, aber nicht heiß; luftig, aber nicht windig; trocken, aber nicht dürr; sonnig, aber nicht grell. Heute bei ein paar Wolken zwischendurch bis zu 24 Grad and more to come.
Guten Morgen!
Wien hat viel zu bieten – Museen, die Touristen anziehen, vergleichsweise sichere Straßen, Konzerte, die den Ohren schmeicheln, Märkte und Festivals voller Leben. Was man beim Schlendern und Genießen aber leicht vergisst (wenn man überhaupt je daran denkt): Dass die Stadt für viele Menschen auch schier unüberwindliche Barrieren birgt.
Wer blind oder sehbehindert ist, dem bleiben Jugendstilfassaden, Denkmäler und auch manche Ausstellungen verborgen. Wer mit dem Rollstuhl unterwegs ist, kann viele Angebote gar nicht erst erreichen. Wer Lernschwierigkeiten hat, tut sich schwer, Tickets zu kaufen. Und wer Geräusche anders verarbeitet, wie etwa viele Autisten, der sehnt sich nach ruhigeren Orten.
Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen haben sich darüber Gedanken gemacht, wie eine Stadt aussehen müsste, die für alle gut erlebbar ist. Und ob das überhaupt möglich ist. Ihre Gedanken zu Barrierefreiheit und Wünsche für die Stadt haben sie im Schwerpunkt „Stadtvisionen” des inklusiven Mediums andererseits aufgeschrieben. Dort arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammen, sie schreiben Texte, produzieren Podcasts und Videos. Für die Dokumentation „Das Spendenproblem” wurde die Redaktion zuletzt mit dem Concordiapreis für Menschenrechte ausgezeichnet.
Im FALTER.morgen erzählen diese Woche Menschen in Kooperation mit andererseits über ihre Barrieren in der Stadt. Übrigens: andererseits hat auch einen Newsletter, der mit Geschichten und Fakten wöchentlich Einblicke in das Leben von Menschen mit Behinderungen und ihre Bedürfnisse gibt. Zur Anmeldung gehts hier.
Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Nina Horaczek gibt Ihnen eine Vorschau auf ein morgen erscheinendes Falter-Streitgespräch über die Frage, wer SPÖ-Parteichef werden soll – darüber haben zwei der wichtigsten Unterstützer von Hans Peter Doskozil und Andreas Babler debattiert: Der niederösterreichische Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander (Team Dosko) und der SPÖ-Parteirebell Nikolaus Kowall (Team Babler). Florian Holzer führt Sie (ausnahmsweise heute) in ein Grätzel mitten im Dritten. Und Frau Andrea weiß, was es mit der Bezeichnung „Beserlpark“ auf sich hat – es geht, soviel kann ich schon verraten, dabei nicht um Reinigungsvorgänge, sondern um das so genannte älteste Gewerbe der Welt.
Einen schönen Tag wünscht
Katharina Kropshofer

Ludwig, wir wissen, wo dein Auto steht.
Nämlich im Stau auf der 2erLinie. Die SPÖ will auch nach dem U-Bahn-Bau nur Blechlawinen, Lärm und flirrende Sommerhitze vom Karlsplatz bis zur Universitätsstraße. Die Jahrhundertchance zur Umgestaltung wird vergeben. Klimaschutz und moderne Stadtplanung? Fehlanzeige!
Bäumen wir uns dagegen auf! Was willst du? Umfrage beantworten & Gastro-Gutschein über 50€ gewinnen: wien.gruene.at/zweierlinie-umfrage
„Ich würde alle Pflastersteine austauschen”
Philip Mürling, Künstler

© Ursula Knapp
Welche Barrieren bemerkst du, wenn Du dich durch die Stadt bewegst?
Meine Krankheit schreitet weiter voran und erschwert es mir, mich selbst zu bewegen. Seit kurzer Zeit habe ich dafür einen Elektrorollstuhl. Es ist keine Entscheidung, behindert zu sein – es ist schon mal eine Scheißsituation.
Deshalb finde ich, man sollte versuchen, das Bestmögliche an Barrierefreiheit zu schaffen – nicht das Minimum. Dafür habe ich vor meiner Universität, der Akademie am Schillerplatz, protestiert. Es gibt dort eine Treppe am Haupteingang. Die ist für mich natürlich nicht zugänglich.
Es gibt aber auch viele unsichtbare Barrieren für einen Rollstuhlfahrer wie mich. Sie fallen einem erst auf, wenn man auf sie trifft. Oft funktioniert nämlich nicht alles wie gedacht. Manchmal fehlt eine Klingel an Orten und ich muss am Fenster klopfen, damit mir die Tür aufgemacht wird.
Eine andere unsichtbare Barriere begegnet mir, wenn ich versuche, in einem Park in die Wiese zu kommen. Da gibt es oft keinen passenden Übergang vom Gehsteig zum Weg. Die anderen können auf der Wiese sitzen und picknicken. Und ich sitze dann am Rand von der Wiese oder muss reingeschoben werden – auch viele Picknicktische kann ich mit meinem Rollstuhl nicht verwenden.
Hast Du Probleme beim Zugang zu Kulturveranstaltungen?
Ich kann nicht alle Kulturveranstaltungen in Wien besuchen, aber für mich reicht es aus. Aber oft muss ich einen mühsamen Umweg nehmen, um in ein Museum oder Theater zu kommen. Mit Geduld und Einsicht kann ich aber teilnehmen. Oft versuchen Menschen mit dabei zu helfen und sind überrascht, wie viele Probleme mit der Barrierefreiheit es noch immer gibt. Die Frage bleibt aber: Ist es mir die Mühe wert?
Wie könnte es besser gehen? Hast Du einen Vorschlag?
Wenn ich in meiner Stadt direkt etwas ändern könnte, würde ich alle Pflastersteine austauschen. Sogar mit dem Elektrorollstuhl ist es nervig, darüberzufahren. Mit Stock oder Kinderwagen ist das sicher auch ein Problem. Und natürlich die Treppe vor dem Schillerplatz bei der Akademie. Grundsätzlich geht es oft darum, Möglichkeiten für alle zu schaffen - nicht nur für mich.
Protokoll: Moritz Wildberger, Sebastian Gruber, Clara Porak (andererseits.org)
ViennaUP‘23 startet mit Überraschungsshow am Karlsplatz
Heute Abend um 21 Uhr wird die ViennaUP Homebase am Karlsplatz zum Schauplatz eines außergewöhnlichen Straßenspektakels:
Unter dem Motto „Proud to ride“ verwandelt die französische Theatergruppe Compagnie des Quidams den Karlsplatz mit einer märchenhaften Parade mit überlebensgroßen Pferdefiguren aus Licht, Luft und transparenten Stoffen in eine gigantische Bühne.
Stadtnachrichten
Wenn sich Recep Tayyip Erdoğan eine Wählerschaft aussuchen könnte, dann wären es wohl seine Landsleute in Österreich. In der Türkei wurde der Langzeit-Präsident, der seit 20 Jahren an der Macht ist, am Wochenende mit nicht gerade berauschenden 52,14 Prozent der Stimmen erneut im Amt bestätigt – die Austro-Türken sprachen sich gleich zu 74 Prozent für ihn aus.

© APA/Samuel Fischer
Ähnlich große Diaspora-Mehrheiten für Erdoğan gab es in Belgien und den Niederlanden, auch in Deutschland und Frankreich lag der Amtsinhaber mit je rund zwei Dritteln der Stimmen vorne. In Großbritannien, Schweden oder der Schweiz hätte Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu gewonnen.
Nachdem Erdoğan seinen Sieg verkündet hatte, kam es vor allem in Favoriten zu Freudenfeiern. Videos in sozialen Netzwerken zeigen hunderte jubelnde Fans des autokratisch regierenden Machthabers. Offenbar zeigten dabei auch viele Teilnehmer verbotene Symbole wie den „Wolfsgruß“, das Erkennungszeichen der rechtsextremen „Grauen Wölfe“.
In Österreich sorgten die Siegesfeiern vor allem bei FPÖ und ÖVP für Kritik, in Deutschland sprach Grünen-Politiker Cem Özdemir nach ähnlichen Kundgebungen von einer „nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie.“ (Martin Staudinger)
Politik

Rot gegen Rot
Wer soll neuer SPÖ-Chef werden? Wolfgang Zwander und Nikolaus Kowall im Streitgespräch.
Hans Peter Doskozil hat viele Zuschreibungen: Für die einen in der SPÖ ist der burgenländische Landeshauptmann ein machohafter Polterer und Rechtsabweichler. Andere Rote sehen in ihm die einzige Chance, FPÖ-Chef Herbert Kickl zu stoppen. Ein neues Attribut hat ihm nun der niederösterreichische SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander im Falter verpasst: „Er ist ein ganz sanfter Linkspopulist“, sagt Zwander im Falter-Streitgespräch dem linken SPÖ-Parteirebell Nikolaus Kowall. Dieser hat hingegen weniger freundliche Worte übrig: „Doskozil hat Kurz salonfähig gemacht und ist nun wehleidig, wenn man das anspricht.“

Schenkten einander nichts: Nikolaus Kowall (l.) und Wolfgang Zwander (© FALTER/Christopher Mavrić)
Kommenden Samstag entscheidet sich auf dem SPÖ-Parteitag in Linz, ob der neue SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler oder Hans Peter Doskozil heißt. Wir haben zuvor die beiden größten Fans aus beiden Lagern zum Streitgespräch geladen. Zwander war bis 2015 Falter-Journalist und danach Sprecher verschiedener SPÖ-Politiker. 2021 wechselte er beruflich zu Doskozil ins Burgenland, vor wenigen Monaten ging es für ihn weiter nach St. Pölten. Von Niederösterreich aus rührt Zwander nun parteiintern die Werbetrommel für den burgenländischen Landeshauptmann.
Gar nicht verstehen kann das Babler-Unterstützer Kowall. Der Wirtschaftswissenschaftler machte schon vor Jahren Schlagzeilen, weil er mit einer Brandrede auf dem Parteitag die Wiener SPÖ dazu brachte, das kleine Glücksspiel zu verbieten.
Nun hofft Kowall auf das nächste Parteitagswunder, nämlich die Wahl des Traiskirchner Bürgermeisters Babler zum SPÖ-Chef. Denn „Babler hat nie die rechtspopulistische Klaviatur gespielt“, sagt Kowall im Streitgespräch, Doskozil hingegen sehr wohl. Wie da in der Falter-Redaktion zwischen Rot und Rot die Fetzen flogen, können sie ab heute Abend auf unserer Website und morgen im gedruckten Heft nachlesen – aber immerhin gab es am Ende des Gesprächs versöhnliche Worte.
Wird es auf dem Parteitag auch ein versöhnliches Ende geben? Schwer zu sagen. Als „arschknapp“ würde Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Rennen um die SPÖ-Spitze wohl bezeichnen, die gescheiterte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fand ähnliche Worte. Zwar haben sich die SPÖ-Chefs von Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und das Burgenland (no na) längst für Doskozil ausgesprochen. Nur Vorarlberg votierte für Babler – und das Ländle ist auf dem SPÖ-Parteitag stimmenmäßig ein Zwerg.
Allerdings: Die Zeiten, als die Delegierten genau das taten, was der Landesparteichef vorgab, sind längst vorbei. Außerdem hat sich Wien als stimmenstärkstes Bundesland nicht offen deklariert – aber doch klar positive Signale in Richtung Babler-Lager gesandt.
Entscheiden werden am Samstag 609 Delegierte aus dem SPÖ-Bundesvorstand, Bezirksorganisationen, Landesorganisationen und einigen weiteren SPÖ-Teilorganisationen. Fix hinter Babler stehen die Jugend, viele Gewerkschafter und auch SPÖ-Frauen – und letztere stellen einen großen Teil der Wahlberechtigten.
Doskozil wiederum hat durchaus auch Fans unter den Gewerkschaftern. Gleichzeitig nehmen es viele SPÖ-Frauen dem burgenländischen Landeshauptmann übel, dass er die erste Parteichefin über Jahre hindurch offen attackierte.
„Man darf auch die Dynamik auf einem Parteitag nicht unterschätzen“, sagt ein langgedienter roter Gewerkschafter: „Am Ende entscheidet, wer auf dem Parteitag die bessere sozialdemokratische Erzählung hat.“
Babler-Unterstützer Kowall weiß jedenfalls schon, was er tun wird, wenn Dosozil den Kampf um die Parteispitze gewinnen sollte: „Für mich wäre ein Sieg von Doskozil ein Tal der Depression, das den ganzen Sommer dauert. Dann wird man im Herbst schauen, was er bis dahin verbrochen hat.“
Falls Sie noch kein Falter-Abo haben: Das Streitgespräch können Sie kostenlos mit unserem 4-Wochen-Testabo lesen.
Scheuba fragt nach...
… bei bei Armin Wolf

Armin Wolf (vergangene Woche bei der Verleihung der Concordia-Preise) (© APA/Georg Hochmuth)
Florian Scheuba berichtet über Viktor Orbáns Gauner-Solidarität und österreichische „Schütz-Hilfe“ für neuerdings auch wegen Millionenbetrug gesuchte Putin-Oligarchen. Mit ORF-Anchorman Armin Wolf spricht er über den Kampf gegen Fake-News, Versuche, das Internet auszudrucken und den wichtigsten Schritt zur Entpolitisierung des ORF. Hier geht's zum Podcast.
Das Buch "Der Professor und der Wolf" von Armin Wolf und Peter Filzmaier gibt es hier im faltershop.
Frage des Tages
Worüber führt die älteste bestehende Brücke Wiens?
Über den Konstantinteich im Prater
Über die Liesing im 23. Bezirk
Über den Schreiberbach zwischen Vogelsangberg und Kahlenberg
Auflösung von Freitag: Unter einem „Wiener Schluss“ versteht man ein Happy End im Theater (mit Weinabfüllungen oder Begräbnismusik hat der Ausdruck nichts zu tun). Kurioser Hintergrund: Kaiser Josef II. verfügte Ende des 18. Jahrhunderts, dass am Burgtheater keine traurigen Stücke aufgeführt werden dürfen. Daraufhin mussten zahlreiche Tragödien umgeschrieben und mit einem fröhlichen Schluss versehen werden.
Im Grätzel
Emmerich-Teuber-Platz

© ARGE Karto
Um den Emmerich-Teuber-Platz in Landstraße, der 2008 nach dem Gründer der österreichischen Pfadfinderbewegung benannt wurde, gibt’s ein paar wirklich interessante Adressen.
Die Pizzeria That’s Amore zum Beispiel. Auf den ersten Blick eine kleine, unspektakuläre Vorstadt-Pizzeria wie hunderte andere auch. Tatsächlich starteten der Ex-Do&Co-Mann Christoph Silberbauer und seine Compagnons hier 2011 mit straighter Pizza aus guten Zutaten. Ums Eck geht’s dann klein und italienisch weiter, nämlich im Laden wakeup von Mario Sciurti, der hier italienische Espressomaschinen und Kaffeebohnen aus hauptsächlich süditalienischen Röstereien verkauft.
Die Apostelgasse wird keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, dafür machte der frühere Software-Entwickler Michael Schultz Klein hier Ende 2020 ein kleines Lokal für ayurvedische, biologische, vegane Küche auf, das Sattva Vegan.
Das Landstein wurde 2012 von einem ehemaligen Rapidler gegründet, der in österreichische Weine investierte und die hier absetzen wollte. Klappte nur mittelmäßig, vorigen November übernahmen der frühere Lifestyle-Redakteur Alexander Rinnerhofer und Radiomoderator Matthias Euler-Rolle das Lokal. Das Interieur wurde luxusyachtmäßig aufgemöbelt, bei der Karte erinnert man sich mit Surf & Turf, Gemüsecurry, Backhendlstreifen und Lachsforelle mit Limettenschaum dann wieder an die guten alten 90er-Jahre.
Und noch eine erfreuliche Nachricht: Der kleine, urige Souterrain-Thai von Sri Gumpoldsberger wurde nach ihrem Ruhestand neu übernommen, optisch aufgefrischt und heißt jetzt Ton Mai Thai.
Den gesamten Grätzelrundgang von Florian Holzer mit allen in der Karte erwähnen Lokalen lesen Sie hier.
Christian Reiter über einen der einschneidendsten Fälle seiner gerichtsmedizinischen Laufbahn.
In der aktuellen Folge der 2. Staffel von „Klenk+Reiter. Der FALTER-Podcast aus der Gerichtsmedizin” geht es um den Absturz der Lauda Air in Thailand im Jahr 1991, bei dem alle Insassen ums Leben kamen. Der Gerichtsmediziner Dr. Christian Reiter erhielt damals den Auftrag, unter den Verstorbenen den Piloten und den Ko-Piloten ausfindig zu machen und auf ihre Flugtauglichkeit zum Zeitpunkt des Unglücks zu untersuchen.
Jeden Freitag neu auf falter.at/gerichtsmedizin und überall dort, wo Sie Podcasts hören.
Foto: Christopher Mavrič
Event des Tages

Gespräch
Im Podcast „Kunst & Klischee“, einmal monatlich im Live-Format, sprechen Katharina „Kevo“ Herzog und Christian Bazant-Hegemark mit Kunstschaffenden über ihre Leidenschaft zum Beruf. Im Pandemie-Jahr 2020 entstanden, sind unter anderem schon die Autorin Marlene Streeruwitz und der Musiker Voodoo Jürgens zum Plaudern vorbeigekommen. Heute erzählt der deutsche Schauspieler Lars Eidinger von seinem Werdegang und prägenden Momenten. (Nahla Hamula)
Superbude, 19.00
Kinderbuch
Noemi Schneider: Ludwig und das Nashorn
Eine „philosophische Nachtgeschichte“ nennt sich dieses Bilderbuch im Untertitel. Es wird empfohlen ab vier, aber die Grundidee dürfte erst ein paar Jahre später zu begreifen sein. Sie lieferte der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1953), der sich mit Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie beschäftigte und die Behauptung aufstellte, es lasse sich nicht nachweisen, dass kein Nashorn im Raum sei.
Noemi Schneider spielt diesen Gedanken anhand eines Disputs zwischen einem Buben namens Ludwig und seinem Vater durch. „Mit wem hast du gesprochen?“, fragt der Vater, als er ins Kinderzimmer kommt. „Mit einem Nashorn“, sagt Ludwig. Und bleibt dabei, obwohl sein Vater es weder hinter sich noch im Kasten oder unter dem Bett finden kann. Schließlich gibt der Vater auf und bescheidet, dass es zumindest in diesem Zimmer kein Nashorn gebe, höchstens im Zoo.
Wie der Sohn dem Vater in der Folge beweist, dass hinter seiner Behauptung nicht nur überbordende Fantasie oder die Lust am Schabernack steckt, sondern er schlicht und einfach Recht hat, sei hier nicht verraten. Wohl aber, dass dieses Bilderbuch – auch dank seiner poppigen, in Orange, Gelb und Türkis gehaltenen Illustrationen – ein Wurf ist. (Kirstin Breitenfellner)
Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at
Fragen Sie Frau Andrea
Wer sind die Beserln im Park?
Liebe Frau Andrea,
woher kommt das Beserl im Park? Benötigt ein „Beserlpark“ besondere Reinheit? Oder hat es mit der Größe zu tun - ein Beserl reicht zum Auskehren? Eine belesene Bekannte meinte, dass der Begriff aus der Anfangszeit der Parkpflanzungen stamme, als die Bäume noch Krewecherln waren, also wie kleine Besen aussahen. Aber stimmt das auch? Und wo zieht man die Grenze, ist zum Beispiel der Brigittapark ein Beserlpark? Er ist klein, aber sehr lebendig, da wird unter den (mittlerweile großen) Bäumen Karten gespielt, an der sonnenbeschienenen Kirchenwand gerastet, auf den Bänken davor wild gestikulierend diskutiert.
In freudiger Erwartung weiterer Aufklärung, Ihre Beate Kniescheck, per E-Mail

Der vermutlich der erste Beserlpark Wiens befand sich am Donaukanal (© Wien Museum/Sammlung Christian Hlavac)
Liebe Beate,
das Wienerische differenziert zwischen Baak (Park), Goatn (Garten), Gschdättn (Gstättn, ein brachliegendes, verwildertes Grundstück) und Besalbaak (Beserlpark).
Letztgenannter, nicht selten zwischen Hauptstraße und Nebenfahrbahn angelegt, bezieht seine Nämlichkeit allerdings nicht vom schütteren Baumbewuchs, sondern von seiner Eigenschaft als Wirkungsstätte der „Beserl“ oder „Besen“.
Darunter verstand man im alten Wien die „leichtsinnige, junge Weibsperson“, nach heutigem Verständnis die unkontrollierte Geheimprostituierte. Einige Etymologen des Wienerischen wollen auch ein spezifisches Zeitwort ausmachen. Demnach bezeichnet „beseln“ das emsige Hin-und-her-Trippeln, das Geschäftigsein.
Das 1886 erschienene Werk „Die Prostitution in Wien“ des Wiener Polizeiarztes Josef Schrank expliziert unser Thema: „Bei Tage treiben sich [die] Schanddirnen in den öffentlichen Gärten Wiens, welche bei Eintritt der Dunkelheit geschlossen werden, herum. Im Volksgarten ist die sogenannte Seufzerallee als Rendezvous für Liebesbedürftige allgemein bekannt. [...] Die gemeinsten, meist mit keinem Gesundheitsbuch versehenen Prostituierten benützen zur Ausübung ihres Schandgewerbes bei Nacht die öffentlichen Parkanlagen, besonders den Stadtpark, den Rathauspark, den Park am Franz-Josefs-Kai (Beserlpark).“
Der langgezogene Park auf der stadtnahen Donaukanalseite dürfte demnach der erste Beserlpark Wiens gewesen sein.

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