Warum ein Mexikaner seit 40 Jahren in Wien protestiert - FALTER.morgen #627
-(34).png)
Xoko Gómora kämpft seit 40 Jahren erfolglos darum, dass Österreich ein für ihn heiliges Objekt an Mexiko zurückgibt: Was treibt ihn an? >> Das parlamentarische Ausweichquartier am Heldenplatz wird derzeit abgebaut: Was passiert damit? >> Lokaltipp: Imbiss Ghörig >> Fassadenleser über ein vergessenes Wirtshaus im dritten Bezirk
Wetterkritik: Wir freuen uns ehrlich, wenn die Hitzewellen durch ein paar kühlere Tage unterbrochen wird. Wir wollen auch nicht, dass der August den Juli vom Thron des heißesten Monats stößt. Und der Regen ist herzlichst willkommen (hoffentlich fällt dann endlich das Grillverbot auf der Donauinsel). Deshalb sind 23 Grad und dichte Wolken im August sehr in Ordnung. Wenn wir aber die Prognosen fürs Wochenende sehen, blutet unser Sommerherz schon ein wenig ... aber darüber reden wir dann morgen.
Guten Morgen!
Ich möchte Ihnen heute jemanden vorstellen: Vor drei Wochen habe ich den mexikanischen Aktivisten Xokonoschtletl Gómora, kurz Xoko getroffen. Seit den 80er-Jahren kämpft Gómora darum, dass Österreich die Federkrone von Moctezuma, die sich derzeit im Weltmuseum befindet, an Mexiko zurückgibt.
Aufmerksam wurde ich auf Gómora vor einem Jahr. Damals hatten Aktivisten in einer Guerilla-Aktion rund 50 Audio-Guides im Weltmuseum ausgetauscht und eine acht Minuten lange Rede von Gómora abgespielt (wir haben berichtet). Darin sagte der Aktivist unter anderem: „Kopilli Ketzali (der Name des aztekischen Kopfschmucks) ist kein Federschmuck, sondern eine wertvolle Krone, die die spirituelle Macht bedeutet". Sie sei durch europäische Plünderungen in den Besitz Österreichs gelangt.
Ich wollte wissen, wer dieser Mann ist und habe Gómora daraufhin angeschrieben und um ein Treffen gebeten. Was ihn antreibt und warum die Federkrone eine derart große Bedeutung für ihn hat, berichte ich Ihnen gleich. So viel vorab: Er zählt mit Sicherheit zu den ungewöhnlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin.
Außerdem: Die Container, die dem Nationalrat fünf Jahre lang als Ausweichquartier gedient haben, werden derzeit abgerissen. Was mit ihnen passiert, erfahren Sie im Anschluss. Und unser Fassadenleser Klaus-Jürgen Bauer erzählt Ihnen von einem vergessenen Café im dritten Bezirk, das einem Minister als Refugium gedient haben soll.
Einen schönen Tag wünscht
Soraya Pechtl
PS: Während alle anderen baden gehen, muss in Brüssel jemand die Stellung halten. Tessa Szyszkowitz berichtet im FALTER.maily von den kuriosen Ritualen der Europäischen Union und der Angst vor dem sogenannten „Augustfluch".

THE MINI FAMILY.
Ein guter Zeitpunkt einzusteigen!
Als sommerliche Topaktion gibt es ab sofort bis zu -20% auf alle lagernden MINI Neuwagen sowie Neuwagen-Bestellungen!
Vom klassischen 3-Türer bis zum abenteuerlustigen Countryman oder den vollelektrischen Electric bietet der MINI eine sehr interessante Modellpalette. Fahrspaß inklusive.
Steigen Sie ein!
Ihr Autohaus Göndle
Der Unnachgiebige
Der Aktivist Xokonoschtletl Gómora hat eine Lebensaufgabe: Seit vierzig Jahren fährt er nach Wien, um darum zu kämpfen, dass Österreich die Federkrone von Moctezuma an Mexiko zurückgibt. Dafür hat er sich sogar verschuldet. Was treibt den Mann an?
Wer sich mit Xokonoschtletl Gómora verabredet, braucht kein Erkennungszeichen. Der Mann trägt helles Gewand, einen Alligatorzahn um den Hals und ein Tuch, das den Ansatz seiner langen schwarzen Haare bedeckt. Seelenruhig wartet er vor der großen Uhr am Eingang des Wiener Hauptbahnhofs. Die anderen Menschen in ihren geblümten Kleidern und bunten T-Shirts eilen hastig über den Platz. Gómora passt nicht ins Bild. Und eigentlich will er auch gar nicht hier sein.
Der 72-Jährige lebt als Selbstversorger im mexikanischen Regenwald. „Zusammen mit den Pflanzen und den Tieren, wie ein Wilder”, sagt er. Nachsatz: „Mir gefällt es, ein Wilder zu sein.” Normalerweise ernährt er sich von Früchten und den Eiern, die seine Hühner legen. In dem Bahnhofs-Café in Wien bestellte er dagegen heiße Schokolade und einen Erdbeerkuchen zum Frühstück: „Wer weiß, wann ich das zum nächsten Mal bekomme", sagte er.
Mit dem hektischen Großstadtleben kann Gómora wenig anfangen. Arbeit hält er für „moderne Sklaverei”. Dass er Anfang Juli trotzdem ein paar Tage in einer Zwei-Millionen-Metropole verbrachte, hat einen Grund: Der Mann hat eine Mission.
Seit 37 Jahren kämpft er darum, dass die Federkrone von Moctezuma von Wien – die derzeit im Weltmuseum ausgestellt ist – nach Mexiko zurückgebracht wird. Regelmäßig fliegt er nach Europa, um zu protestieren und Aktionen zu planen.

Xoko Gómora kämpft seit 37 Jahren in Wien um die Rückgabe der Federkrone (© privat)
Und der Mann trifft sich in Wien immer wieder mit Politikern, Künstlern, Geistlichen und Museumsdirektoren, die er von seinem Vorhaben überzeugen will. Dafür hat Gómora sogar fließend Deutsch gelernt. „Nur so kann ich mich mit den Menschen in Wien unterhalten”, sagt er. Seine Reisen finanziert er sich durch Spenden und Darlehen. Er leiht sich auch Geld von Bekannten.
Aber warum nimmt Gómora seit Jahrzehnten diese Anstrengungen auf sich? Und was spricht dagegen, dass Österreich den Kopfschmuck zurückgibt?
Für den 72-Jährigen und die Azteken, mexikanische Ureinwohner, ist die Federkrone das heiligste Objekt ihrer Kultur. „Wie die Krone des Papstes. Sie ist den Christen so wertvoll, dass man sie nicht einmal anfassen würde”, sagt er. Die Krone soll einst dem aztekischen Herrscher Moctezuma gehört haben. Der Konjunktiv steht hier deshalb, weil einige Historiker bezweifeln, dass die Krone je in Moctezumas Besitz war. Es gibt keine Aufzeichnungen zu dem Objekt. Unklar ist auch, wie es nach Österreich gelangte. Daher sei „nicht gesichert", wer die Krone besessen habe, heißt es auf der Homepage des Weltmuseums. Gómora ist sich dennoch sicher: „Die Quetzalfedern darf nur jemand tragen, der viel Macht hat. Und auf der Krone sind hunderte dieser Federn. Sie kann nur dem Mächtigsten gehört haben”, meint der Aktivist.
Sicher ist sich der Mann auch, dass die Krone Mexiko heilen würde. Denn mit ihr würde die aztekische Kultur in sein Land zurückkehren und es von den Problemen, die europäische Kolonialisten nach Mexiko gebracht hätten (Fettleibigkeit, Analphabetismus, Alkohol- und Drogensucht) erlösen. So will es zumindest eine Sage. „In Mexiko sagt man: Wenn etwas sehr Wichtiges aus Europa kommt, wird ein neues Zeitalter anbrechen. Und in unserem Kulturkreis gibt es nichts Wichtigeres als die Federkrone.”
Und nicht nur Gómora kämpft darum, dass das Objekt wieder seinen Weg über den Atlantik findet. Auch die mexikanische Regierung will die Krone zurück. Präsident Manuel Lopez Obrador hat sie zuletzt wiederholt und offiziell zurückgefordert. Bislang ohne Erfolg. Und das hat einen Grund.
Denn die Krone ist sehr fragil. Die Materialien sind zum Teil 500 Jahre alt, viele Federn sind brüchig und zudem habe ein früherer Insektenbefall das Objekt beschädigt, heißt es vom Weltmuseum. Einen Transport würde das Objekt wohl kaum überstehen, auch weil eine geeignete Sicherung aufgrund „seiner Konstruktion und seiner Materialien praktisch nicht umsetzbar” sei, so das Weltmuseum. Ein Gutachten aus dem Jahr 2012 bestätigt diesen Befund. Aber Gómora lässt das nicht gelten. Das erste Gutachten hält er nicht für glaubwürdig. Es sei zu alt und der Gutachter – ein Professor für Mechanik und Mechatronik an der TU Wien – kenne sich mit Federn nicht aus. Allerdings bestätigen auch mexikanische Experten, dass die Krone in keinem guten Zustand ist.
Gómora fordert nun ein neues Gutachten von einem Experten, der weder Mexikaner noch Österreicher sei. Im Juli hat er sich darüber mit Jonathan Fine, dem Direktor des Weltmuseums, ausgetauscht.
Ein neues Gutachten oder die Rückgabe der Federkrone ist laut dem Weltmuseum derzeit zwar kein Thema. Aber: „Wir nehmen das Thema sehr ernst und Jonathan Fine schaut sich alle Entwicklungen in diese Richtung genau an”, meint eine Sprecherin. Fine, der demnächst Generaldirektor des Kunsthistorischen Museum wird, tritt grundsätzliche für die Rückgabe geraubter Objekte ein. Auch die Guerilla-Aktion im Vorjahr begrüßte Fine als wertvollen Beitrag (Matthias Dusini hat Fine hier porträtiert).
Vielleicht ist Gómora auch deshalb zuversichtlich. Die Krone wird ihren Weg zurück nach Mexiko finden, ist er sich sicher. Dafür gebe es bereits Anzeichen: „In der Sage heißt es, dass die Veränderung beginnt, wenn der Vulkan nahe Mexico City ausbricht”, sagt er. Und der Popocatépetl rumort derzeit gewaltig.
Falter Radio
Othmar Karas im FALTER-Sommergespräch

Raimund Löw, Eva Konzett und Othmar Karas
Der Erste Vizepräsident des Europaparlaments Othmar Karas (ÖVP) spricht in der aktuellen Folge mit Falter-Politik-Chefin Eva Konzett und Raimund Löw über den Widerstand Europas gegen den rechtsextremen Ansturm, Klimapolitik, die anstehenden Europawahlen und seine Differenzen mit der Volkspartei.
Stadtnachrichten
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dürfte die Ermittlungen in der Causa Wienwert abgeschlossen haben, wie der Standard gestern berichtete. Gleich mehreren Wiener Politikern könnte eine Anklage drohen.
Zur Erinnerung: 2018 ging die Immobiliengesellschaft Wienwert AG pleite. Die WKStA nahm nach einer Sachverhaltsdarstellung der Finanzmarktaufsicht Ermittlungen gegen das Unternehmen auf – und zwar wegen Untreue, betrügerischer Krida, schwerer Betrug, Bilanzfälschung, Korruption und Verletzung des Amtsgeheimnisses. Es soll laut dem Gutachter Matthias Kopetzky auch Spenden und Sponsorings ohne Gegenleistung gegeben haben. Der Standard zitiert: Das habe den Eindruck des „sehr offensichtlichen ,Sich-in-die-politischen-Zirkel-der-Stadt-Wien-Einkaufens'" erweckt.
Denn als Beschuldigte führt die WKStA gleich mehrere Wiener Politiker. Unter anderem den Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ): Er soll Insiderinformationen über ein Bauprojekt der Wiener Linien an den Chef der Wienwert AG weitergegeben und Sponsoringgelder in Höhe von 30.000 Euro für eine in seinem Bezirk beheimatete Band angenommen haben.
Und auch gegen ÖVP-Chef Karl Mahrer wurde ermittelt. Mahrer soll sich regelmäßig mit Wienwert-Managern getroffen haben. Seine Frau soll den Kontakt hergestellt haben. Sie habe auch Honorarnoten für ein Werbelogo an die Wienwert gelegt. Für den Gutachter sind die Leistungen nur zu einem geringen Grad nachvollziehbar.
Derzeit arbeitet die WKStA noch an ihrem Vorhabensbericht. Sowohl Nevrivy als auch Mahrer bestreiten die Vorwürfe.
Der Samartierbund hat um 40 Prozent mehr Kundinnen und Kunden in den Sozialmärkten als noch vor einem Jahr. Aufgrund der Teuerung könnten sich immer weniger Menschen den Einkauf im Supermarkt leisten. „Gleichzeitig wandern österreichweit jährlich mehr als 500.000 Tonnen an Lebensmitteln direkt von privaten Haushalten aus in den Müll", heißt es in einer Aussendung.
Oliver Löhlein, Geschäftsführer des Samariterbund Wien, appelliert daher, Lebensmittel zu retten und an Bedürftige weiterzugeben, anstatt sie in die Tonne zu werfen.
Stadtgeschichten

Ausgedient
Derzeit werden die letzten Teile des parlamentarischen Ausweichquartiers am Heldenplatz abgetragen. Was passiert nun mit den Pavillons?
Wenn Sie in den vergangenen Tagen an der Hofburg vorbeigekommen sind, ist es Ihnen wahrscheinlich aufgefallen: Die drei Pavillons, die den Nationalratsabgeordneten und Parlamentsmitarbeitern während des Umbaus des Parlaments als Ausweichquartier dienten, sind so gut wie verschwunden. Bagger tragen derzeit die letzten Teile ab. Was passiert nun damit?
.jpg)
Fünf Jahre lang nutzten die Politiker zwei Holz-Container am Heldenplatz und einen im Bibliothekshof. Nun werden sie abgetragen. (© FALTER/ Pechtl)
Fünf Jahre lang nutzten die Politiker und Parlamentsmitarbeiter zwei Holz-Container am Heldenplatz und einen im Bibliothekshof. Die 30 mal 40 Meter (Grundfläche) großen Pavillons wurden im Baukastensystem errichtet, damit sie nach der Sanierung des historischen Gebäudes am Ring weiter verwendet werden können. Darin untergebracht waren unter anderem die Parlamentsdirektion, die Lokale für die Ausschusssitzungen und Arbeitsplätze. Mitte Jänner war das neu sanierte Parlament dann fertig, die Abgeordneten zogen wieder um, die Pavillons hatten ausgedient.
Die Möbel, die im Ausweichquartier verwendet wurden, sind zum Teil mit den Politikern übersiedelt und kommen im neuen-alten Parlament wieder zum Einsatz. Die restliche Ausstattung und die Pavillons hat das Verteidigungsministerium „im Rahmen eines Sachgüteraustausches” bekommen, heißt es von der Parlamentsdirektion. Und was macht das Bundesheer mit den Containern?
Sie sollen auch weiterhin als Ausweichquartier dienen. Aber der Reihe nach.
Die STRABAG, die die Pavillons derzeit abbaut, wird sie zunächst zur Zwischenlagerung nach Baden bringen. Dann werden aus den „wiederverwendbaren Systembauteilen" in Wien (Maria Theresien Kaserne, Starhemberg Kaserne, Vega-Payer-Weibrecht Kaserne und Kommandogebäude General Körner) „vier neue Gebäude provisorisch errichtet", heißt es vom Verteidigungsministerium.
Im kommenden Jahr beginnen in den obengenannten Kasernen nämlich Generalsanierungen. Die vier Gebäude dienen den Soldaten während der Arbeiten als Ersatzunterkunft. „Nach Beendigung der Baumaßnahmen können diese Systembauteile erneut abgebaut und als Unterkunftsgebäude im Bereich der Truppenübungsplätze oder anderen militärischen Liegenschaften verwendet werden", so ein Ministeriumssprecher.
Lokaltipp
Imbiss Ghörig (1170 Wien)
„Wenn man sogar Risotto panieren kann, sollte das mit Käsknöpfle eigentlich auch gehen“, überlegten sich Jeremy Auer und Alex Pezold, die sich seit ihrer Jugend kennen, als sie gemeinsam die Tourismusschule besuchten. Die beiden entwickelten eine Art Vorarlberger Streetfood-Konzept und gaben dem einen Namen, der keiner Vorarlbergerin, keinem Vorarlberger wurscht sein kann, nämlich „Ghörig“: sechs Buchstaben, die in V-Berg quasi Handlungsmaxime sind, quasi die West-Variante von „normal“, in seiner Determiniertheit aber irgendwie viel stärker. Spezialität im Imbiss am Hernalser Gürtel sind die Ghörig Balls: zu marillenknödelgroßen Kugeln geformte Käsknöpfle, die dann noch einmal paniert, in den Fritter geworfen und mit Apfelmus und Preiselbeermarmelade gereicht werden. Das funktioniert durchaus, muss man sagen (€ 9,20 als Portion, Einzelstück € 2,50).
Die gesamte Lokalkritik von Florian Holzer lesen Sie hier.
Jetzt FALTER abonnieren inklusive Hängematte von Ticket to the Moon aus besonders leichter Fallschirmseide. Ab € 155,-
Sie haben bereits ein Abo: Hängematte um € 65,-
Frage des Tages
Was zeigt unser Satellitenbild?

Auflösung von gestern: Das Wiener Wort „Klapperln" meint Sandalen (kein Rascheln und auch kein Biermischgetränk).
Event des Tages

Literatur
„Oben Erde, unten Himmel“ und „Kaiser der Obdachlosen“: Die Titel der beiden Romane, die heute im Zentrum der sommerlichen Literaturschiene O-Töne stehen, klingen vielversprechend: Milena Michiko Flašar, der Star des Abends, widmet sich den letzten Dingen; Debütant Fabian Wakolbinger hat eine originelle Gesellschaftssatire im Angebot.
Museumsquartier, Haupthof, 20.00 (Eintritt frei)
Buchtipp
Galit Atlas: Emotionales Erbe
Die Menschen, die wir lieben und die uns großgezogen haben, leben in uns; wir erfahren ihren emotionalen Schmerz, wir träumen ihre Erinnerungen, wir wissen Dinge, die uns nicht explizit übermittelt wurden, und all dies prägt unser Leben auf eine Weise, die wir nicht immer verstehen“, schreibt die aus Israel stammende Psychoanalytikerin Galit Atlas in ihrem Buch „Emotionales Erbe“. Gleich vorweg: Eine schlüssige Erklärung für diese rätselhaften Phänomene kennt auch die Autorin nicht. Dafür zeigt sie Möglichkeiten auf, mit dem Wissen um diese Übertragung konstruktiv umzugehen. (Georg Renöckl)
Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at
Fassadenleser #123

Das vergessliche Wirtshaus
Durchschreitet man – von der Ghegastraße kommend – das ehemalige Kommandanturgebäude des Arsenals im dritten Bezirk, steht man zuerst in diesem großen, gewölbten Raum: der Einfahrt. Sie wurde ganz nach altmeisterlicher Art errichtet, mit steinernen Rippen und Ausfachungen aus Ziegel. Auch das Portal mit seinen gotischen Stäben entstand als klassische Werksteinarbeit. Dieses schöne Portal führt über eine weniger adäquate Vorlegestufe in ein Wirtshaus, das einem verflossenen Minister angeblich als tägliches Refugium diente.

Arsenal-Stuben im dritten Bezirk: Ein Wirtshaus, das einem verflossenen Minister angeblich als tägliches Refugium diente.
Das Kommandanturgebäude mit seiner nach außen hin betont burgartigen Architektur schufen die unglücklichen Entwerfer der Oper von Sicardsburg und van der Nüll zwischen 1850 und 1855. Mit diesem Bau, der ferne Erinnerungen heraufbeschwor, etablierte sich der Romantische Historismus mit seinem mittelalterlich-byzantinischen Märchenprinzessinnen-Stil in der Stadt.
Die allegorischen Figuren auf der Fassade der Kommandantur erzählen jedoch nicht von Erinnerungen, sondern geradezu von Vergesslichkeit. Die Plastiken des Arsenals – dem Mahnmal gegen die Revolution – schuf nämlich ausgerechnet der Bildhauer Hanns Gasser, der sich selbst 1848 an den Barrikadenkämpfen der Revolution beteiligt hatte, aber nur zwei Jahre später Professor an der Wiener Akademie wurde. Glücklich ist, wer vergisst ....
PS: Klaus-Jürgen Bauer hat auch mehrere Bücher geschrieben, die im faltershop.at erhältlich sind.

Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.