Wie ich in meinen Garten kippte - FALTER.natur #103
Ich möchte Ihnen eine kleine persönliche Geschichte erzählen. Ich darf seit mehr als 10 Jahren in einem Garten leben. Ich hatte das ...
Wenn ich am Morgen aufstehe, hat sich wieder Wasser an den Fenstern gesammelt. Ganz hab ich's noch nicht kapiert, warum. Im Internet steht, es hat mit Luftfeuchtigkeit, der Heizung und der kalten Glasfläche zu tun, aber auch, wenn ich's nicht verstehe, muss ich das Wasser wegwischen. Wir lüften dann die Zimmer, soll man ja machen, wegen dem drohenden Schimmel. Also Fenster auf, frische kalte Luft rein, und wenn die Fenster nicht mehr beschlagen sind, sofort wieder zumachen. Erstens, weil man sonst zu viel Energie verschwendet, aber vor allem zweitens, weil es so saukalt ist.
Beim Lüften gibt es einen Trick: Alle Fenstern und Türen gleichzeitig aufmachen, weil dann die Luft am besten strömen kann. Denn wenn eine Tür geschlossen bleibt, kommt die frische Luft nicht in den Raum dahinter. Dann bleibt die Luft dort schlecht. Der Raum mit der schlechtesten Luft ist bei uns die Abstellkammer, sie hat kein Fenster und die Tür ist fast immer zu. Wenn der Schimmel kommt, dann vermutlich dort. Ein Raum mit schlechter Luft ist ein schlechter Raum.
Mit dem Lebensraum ist es genauso. Wenn er zugemacht wird - nehmen wir statt der Tür eine Autobahn oder einen riesigen Monokultur-Acker - kann nichts mehr fließen. Arten können also nicht mehr wandern, sie bleiben eingesperrt. Gut ist das nicht. Wenn Populationen auf engem, begrenztem Raum leben und unter sich bleiben müssen, nimmt die Inzucht zu und die genetische Vielfalt ab. Die Fitness und Fruchtbarkeit sinkt, die Sterberate steigt. Biologen nennen das den "Aussterbestrudel" (engl: "extinction vortex"), weil sich bei kleinen Populationen das Aussterben immer schneller beschleunigt.
Damit es gar nicht erst soweit kommt, ist es wichtig, Türen zu öffnen, damit sie wegkönnen, wenn ihnen die Luft ausgeht. Für den aktuellen Falter habe ich mit einem der wichtigsten Biologen des Landes gesprochen, Wolfgang Rabitsch. Er ist im österreichischen Umweltbundesamt nicht nur Experte für böse, fremde Arten, sondern auch für jene, die weltweit ausschließlich in Österreich leben. Man nennt sie - Kreuzworträtselfans aufgepasst: Endemiten. Österreich hat so viele davon, dass unserem Land in Mitteleuropa eine Sonderstellung zukommt (warum, können Sie im Interview hier nachlesen). 150 Pflanzen- und 575 Tierarten findet man nur in Österreich, von der Bayerischen Kurzohrmaus über den Weißpunktierten Mohrenfalter bis hin zur Clusius-Schafgarbe.
Wenn der Weltbiodiversitätsrat IPBES davor warnt, dass eine Million Arten in absehbarer Zukunft aussterben könnte, tragen wir für unsere Endemiten die alleinige Verantwortung. Wie können wir sie also am besten schützen? Indem wir ihnen den Raum (zurück)geben, den sie brauchen. "Erweiterung von Schutzgebieten und die Ausweisung von neuen", schlägt Rabitsch also vor. Anders gesagt: Türen auf, Wege frei machen! "Damit würde Österreich zum Schutz der globalen Biodiversität beitragen", sagt Rabitsch. In einem ersten großen Schritt sollten die beiden Nationalparks Kalkalpen und Gesäuse miteinander verbunden werden, denn die seien beide Endemiten-Hotspots, rät Rabitsch.
Der Biologenwunsch ans Christkind könnte vielleicht tatsächlich in Erfüllung gehen. Im Entwurf der Biodiversitätsstrategie, die das Umweltministerium bis Februar fertigstellen will und ein Fahrplan im Kampf gegen das Artensterben werden soll, ist die Ausweisung von Schutzgebieten angedacht. Die Regierung hat sich bereits heuer der High Ambition Coalition for Nature and People angeschlossen, die 30 Prozent der Land- und Meeresfläche bis 2030 unter Schutz stellen will. Nun befürchten BiodiversitätsexpertInnen, dass ein ambitionierter Entwurf der Biodiversitätsstrategie auf den letzten Metern noch verwässert werden könnte.
Aber warum sollten wir den Raum der Natur überhaupt schützen, wenn wir mit dem Platz auch lässige neue Straßen und vor Lebensfreude strotzende Parkplatzlandschaften für neue Einkaufszentren bauen könnten? Weil Lebensraumzerstörung uns dahin gebracht hat, wo wir heute sind. Nämlich zuhause, eingesperrt, im Lockdown. Das können Sie hier, hier und hier nachlesen.
Ein schönes Wochenende! Und Lüften nicht vergessen!
Benedikt Narodoslawsky
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Natürlichen Lebensraum zu schützen, ist nicht nur für die Artenvielfalt zentral, sondern auch fürs Klima. WissenschaftlerInnen haben eine Weltkarte mit jenen Gebieten erstellt, die unglaublich viel Kohlenstoff speichern und unbedingt unangetastet bleiben müssen, damit wir eine Klimakatastrophe abwenden können. Den Überblick finden Sie im Guardian.
In Österreich hat das Umwelt- und Verkehrsministerium gerade eine wichtige Entscheidung im Sinne des Bodenschutzes getroffen. Nach einer Evaluierung des Ministeriums wird die Friesacher Straße B317 zwischen der Kärntner Stadt St. Veit an der Glan bis zur steirischen Marktgemeinde Scheifling nicht zur Klagenfurter Schnellstraße (S37) ausgebaut. Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) argumentiert, die Verkehrsentwicklung habe sich seit den Planungen vor 15 Jahren verändert, die Klimakrise und der Bodenverbrauch habe sich verschärft. Der Standard berichtet hier darüber.
Vor wenigen Wochen habe ich einem großen Überblickstext beschrieben, wie die Klimakrise Kriege befeuert. Dass der Kampf gegen die Klimakrise aber auch Staaten zusammenbringen kann, zeigen gerade Israel und Jordanien vor. Beide Nachbarländer lebten seit 1994 in einer Art kalten Frieden nebeneinanderher, nun arbeiten sie zusammen. Jordanien liefert sauberen Strom, Israel im Gegenzug sauberes Wasser. Die Geschichte, die Hoffnung gibt und zeigt, dass man in einer globalen Krise Grenzen im Kopf überwinden muss, hat die Süddeutsche Zeitung hier aufgeschrieben.
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Seit wenigen Tagen ist es amtlich: Die Sozialdemokratie ist in der Frage Stadtstraße/Lobautunnel gespalten. Von der Jungen Generation in der SPÖ Wien gibt's ein "klares Nein zur Stadtstraße Aspern und der S1-Spange" und "ein klares Nein zur Lobauautobahn." Und auch die linke Vordenkerin Barbara Blaha vom Momentum Institut sagt im Gespräch mit Barbara Tóth: "Die SPÖ steht in dieser Frage auf der falschen Seite der Geschichte, weil sie annimmt, das Öko-Thema sei nur etwas für die Besser-Esser. Dabei ist Klimapolitik per se Sozialpolitik, weil gerade ihre Leute die Klimakrise als Erstes spüren und unter ihren Folgen am meisten leiden werden." Wer Blaha selbst zuhören will: Sie ist am 30. November um 19 Uhr zu Gast beim AK-Gespräch mit Peter Huemer zum Thema "Politik für die Vielen - Neue Ansätze für Klima und Demokratie", das die AK mit dem Falter veranstaltet. Hier können Sie das Gespräch livestreamen.
Wie geht es den Stadtstraßen-BesetzerInnen eigentlich, jetzt, wo der Winter kommt? Soraya Pechtl vom Falter.Morgen hat die AktivistInnen auf der Baustelle in der Donaustadt besucht und hat dort gleich eine Nacht verbracht. Ihren "embedded"-Bericht finden Sie (kostenlos) hier, den Falter.Morgen-Newsletter können Sie (ebenso kostenlos) hier abonnieren.
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Im Jänner 2022 startet die Climate Ranger Academy von Glacier. In dem 4-wöchigen Klimaschutzprogramm lernst du von Top-Expert*innen wie Marcus Wadsak die Grundlagen des Klimawandels und erfährst, wie du Klimaschutz in deinem Unternehmen vorantreiben kannst. Hol dir jetzt mehr Infos!
Im Naturressort hat sich Gerlinde Pölsler für den aktuellen Falter angesehen, wer in Wien noch Stopfleber verkauft – jene umstrittene Delikatesse, für die auf grausame Weise Gänsemägen gefüllt werden, um damit schonend Menschenmägen zu füllen. Pölsler hat mehrere Anbieter kontaktiert und bekam sehr unterschiedliche Reaktionen – manche ignorierten sie, ein Spitzenkoch war sehr sauer und eine Gastronomin will die berüchtigte Delikatesse nun von der Speisekarte nehmen. Pölslers Bericht lesen Sie hier.
Peter Iwaniewicz ließ sich wiederum vom letzten Natur-Newsletter inspirieren und begab sich auf Witzesuche. Er wurde aber nicht wirklich fündig, zum Schluss reichte seine Recherche angesichts der traurigen Tier-Nachrichtenlage nur für eine Pointe. Deshalb hier noch ein Witz für die ganze Familie: Ein Wachhund zum andern: "Hörst du nichts?" - "Doch." - "Und warum bellst du dann nicht?" - "Na, dann höre ich nichts mehr ..."
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Wer noch gut hört und Vogelstimmen erkennen kann, ist beim internationalen Projekt "Lifeplan" gefragt. Ziel des Projekts ist es, dass Menschen einem Computerprogramm beibringen, wie welcher Vogel klingt. Im Projekt würde "der Stand der biologischen Vielfalt erstmals weltweit nach einheitlichen Standards erfasst", erklärt das Umweltbundesamt. Unter anderem unterstützen die Universität Wien, die Tiroler Landesmuseen und der Nationalpark Kalkalpen das Projekt. Alle Infos dazu gibt's hier.
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