Wie ich in meinen Garten kippte - FALTER.natur #103
Ich möchte Ihnen eine kleine persönliche Geschichte erzählen. Ich darf seit mehr als 10 Jahren in einem Garten leben. Ich hatte das ...
Neulich war ich mit den Kindern im Tiergarten Schönbrunn. Als wir vor den Geparden standen, fuhr hinter uns jemand mit dem Rad vorbei. Schlagartig erwachte der Jagdinstinkt einer Großkatze, sie spitzte die Ohren und begann im Gehege parallel zum Fahrrad mitzulaufen. Es war irgendwie gruselig, aber irgendwie auch sehr cool. Essen auf Rädern und so.
Für mich ist der Gepard ein Wunder der Natur. Die elegante Großkatze ist das schnellste Tier an Land. Seine Wirbelsäule ist extrem elastisch, durch seine spezielle Galopp-Lauftechnik berühren die Beine kaum den Boden, und wenn doch, dann stößt er sich vor allem mit seinen starken Hinterbeinen ab (LeserInnen mit Rainmain-Gedächtnis wissen das schon). Laut dem Zoo Schönbrunn zeigt das Tacho bei seinen kurzen Sprints 90 km/h. Usain Bolt schaffte einmal 44,7 km/h.
90 km/h, das ist also irre schnell. Aber manchen reicht das nicht. Als der Klimarat Anfang Juli seine 93 Empfehlungen vorstellte, war auch der Punkt "Geschwindigkeit auf Straßen reduzieren" darunter. Die BürgerInnen, die Österreichs Bevölkerungsquerschnitt im Kleinen abbildeten und sich ein halbes Jahr lang intensiv mit Klimapolitik beschäftigten, forderten folgende Tempolimits: "auf Bundes- und Landstraßen 90 km/h, innerorts auf Hauptstraßen 50 km/h und auf Nebenstraßen 30 km/h." Ein Meinungsforschungsinstitut ließ daraufhin den 90er auf der Bundesstraße in einer Umfrage für die Gratiszeitung Heute abtesten. Drei von fünf Befragten waren dagegen.
Ganz ehrlich: Ich verstehe das einfach nicht. Es geht dabei um einen Unterschied von 6 Minuten und 40 Sekunden auf 100 Kilometer. In einer Zeit, wo wir mit einer historischen Energiekrise konfrontiert sind und die Spritpreise durch die Decke gehen, in der Flieger nicht landen können, weil ihnen unter dem Fahrgestell die Rollbahn wegschmilzt, in einer Zeit, in der halb Europa brennt, die Hitzewelle in wenigen Tagen allein in Portugal 1000 Menschen dahinrafft, dem Norden Italiens das Wasser ausgeht und ich mit heruntergelassenen Rollos in einer viel zu heißen Wohnung diesen Text schreibe, schaffen wir noch immer keine Mehrheit für lächerliche 10 km/h weniger auf der Bundesstraße? Brettern die meisten Menschen noch mit Scheuklappen über den Asphalt oder sind sie bereits komplett blind?
Ein Tempolimit wäre die einfachste, billigste, sozialste und schnellste Variante, das Klima zu schonen. Und es würde dabei helfen, die Energiekrise ein Stück weit zu entschärfen, wie der Standard hier treffend kommentiert. Mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat nun auch das erste politische Schwergewicht die Chance erkannt und ein Tempolimit ins Spiel gebracht. Dass sich ausgerechnet das Grüne Klimaschutzministerium in der Debatte so defensiv verhält, ist enttäuschend.
Der VCÖ, der sich für eine umweltgerechte Mobilität einsetzt, hat jedenfalls schlagende Argumente zusammengetragen, was passieren würde, wenn statt 130 km/h auf der Autobahn ein Hunderter gelten würde: weniger Spritverbrauch, weniger klimaschädliche Gase (um jeweils etwa ein Viertel), weniger Feinstaub (etwa ein Drittel), weniger Stickstoff-Emissionen (etwa die Hälfte), weniger Lärm, kürzere Bremswege, weniger Unfälle. Kurzum, es wäre billiger, sauberer, sicherer. Laut einer Profil-Umfrage vom Juni sind trotzdem zwei Drittel gegen den Hunderter auf der Autobahn.
Was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Über unsere Resilienz? Mich jedenfalls lässt das ratlos zurück. Klar nervt es auf der Straße, wenn es langsamer vorangeht. Aber hui, Überraschung: Selbst das könnte ein Tempolimit entschärfen. Laut VCÖ kommt es beim Hunderter zu weniger Staus als bei 130 km/h: "Auch wenn es paradox klingen mag: In Summe kann ein niedrigeres Tempolimit dazu führen, dass die Kfz-Lenkenden schneller ans Ziel kommen." Man kann das mit dem Beispiel der Rolltreppe veranschaulichen: Dieses Video erklärt, dass es in Stoßzeiten besser ist, auf der Rolltreppe stehenzubleiben als zu gehen, weil der Rückstau für alle dadurch kürzer wird.
Es muss das falsch verstandene Gefühl von Freiheit sein, dass die Debatte so vernunftbefreit geführt wird. Hier kommt noch eine Überraschung: Auch 130 km/h ist eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Sie ist völlig willkürlich (in den Niederlanden und in Norwegen gilt zum Beispiel längst ein Hunderter auf der Autobahn). Wenn es um die angebliche Zeitersparnis geht, warum demonstriert die Masse dann nicht seit Jahren für 160 km/h auf der Autobahn? Ich glaube, wir haben uns einfach nur daran gewöhnt. Und wir tun uns enorm schwer, für ein höheres Gut zurückzustecken. Das ist angesichts der Themenlage mindestens ernüchternd bis maximal frustrierend.
Mir würde 90 km/h jedenfalls locker reichen. Dann wäre der Mensch noch immer so schnell wie der beste Sprinter der Welt.
Benedikt Narodoslawsky
„{miteinander} artenschützen“
2022 steht bei dm drogerie markt ganz im Zeichen des Artenschutzes. Deshalb unterstützt dm dieses Jahr in Kooperation mit GLOBAL 2000, dem Naturschutzbund und der Stadt Salzburg gleich mehrere ökologische Projekte in Österreich. Mehr zur Initiative „{miteinander} artenschützen“ erfahren Sie hier.
Wir werden uns jedenfalls als Gesellschaft anpassen müssen, denn die Klimakrise ist längst da. Auf Einladung des Dachverbands Nationalparks Austria habe ich vergangene Woche ein paar Tage in den Hohen Tauern verbracht, Österreichs ältestem Nationalpark. Mit ein paar KollegInnen und ein paar ForscherInnen bin ich durchs Osttiroler Innergschlöß und das Salzburger Obersulzbachtal umhergewandert und habe mit meinen KollegInnen mitangesehen, wie die Erderhitzung die Alpen verändert hat: Gletscher schmelzen, die Baumgrenze verschiebt sich, Arten wandern, Lebensräume verschwinden. Wie wir Spuren in der nahezu unberührten Natur in den Hohen Tauern hinterlassen, ohne sie je betreten zu haben, lesen Sie im Natur-Ressort.
Und weil es wichtig ist, sich auch über andere Medien zu informieren, finden Sie hier die Geschichten meiner KollegInnen von der APA, FM4 und den Salzburger Nachrichten.
Nachhaltige Gebäude gewinnen in der Gas- und Klimakrise immer mehr an Bedeutung. Das Masterprogramm Nachhaltiges Bauen von TU Wien und TU Graz gibt Studierenden interdisziplinäres Know-How für den Wandel in der Baubranche. Komm zur nächsten Info-Session und erfahre mehr!
Der sozialdemokratische EU-Kommissar für Klimaschutz, Frans Timmermans, hat sich vor kurzem den Fragen der Studierenden an der Universität für Bodenkultur in Wien gestellt und erklärte, was die EU gegen das Artensterben und die Klimakrise tun will. Er appellierte dabei, beiden Krisen denselben Stellenwert einzuräumen und es als gemeinsame Aufgabe zu sehen, sie zu meistern. "Wenn wir es nicht schaffen, dann geht es um die Existenz der Menschheit", sagte der EU-Vizekommissionspräsident aus den Niederlanden, der nebenbei bemerkt exzellent Deutsch und Englisch spricht. Hier können Sie das Gespräch nachhören.
Noch drastischer formulierte es UN-Generalsekretär António Guterres diese Woche in einer Rede beim Petersburger Klimadialog in Berlin: "Wir haben die Wahl: Gemeinsam handeln oder gemeinsamer Suizid. Es liegt in unseren Händen." Ich bin fürs Team "Gemeinsam handeln"!
Mit Freilandei ist noch mehr Liebe dabei!
Weil gute Qualität einfach besser schmeckt. Richtig gute Backwaren brauchen richtig gute Zutaten.
Deshalb kommen die Eier bei Ölz aus kontrollierter Freilandhaltung. Denn nur die besten Zutaten verleihen dem Ölz Butter Zopf seinen herrlichen Geschmack.
Wie es im Artenschutz gehen kann, zeigt Ruanda vor. Das Land macht aus der Rettung der Berggorillas ein Geschäft. Wer die mächtigen Menschenaffen sehen will, muss einiges hinblättern. Ein Teil des Geldes fließt in die Gemeinden nahe des Nationalparks. Dort sind dank der Tourismus-Einnahmen Schulen und Gesundheitseinrichtungen entstanden. Zugleich werden arme Familien unterstützt, um sie nicht in die Wilderei zu treiben. Der Erfolg: Berggorillas sind "die einzige Menschenaffenart, deren Bestand in freier Wildbahn zunimmt", schreibt Geo in diesem lesenswerten Artikel. Sie sind nun nicht mehr vom Aussterben bedroht. Wie wichtig es ist, Soziales und Ökologie zusammenzudenken, hat auch Jane Goodalls Schimpansen-Rettungsprogramm in Tansania bewiesen. Es zielt darauf ab, "Menschen zu schützen, damit sie die Umwelt besser schützen können." Wie ihr das gelang, lesen Sie im großen Falter-Interview vom Mai.
Und wer noch eine gute Nachricht braucht: Auch der Spix-Ara, der bereits in der Wildnis ausgestorben war, ist zurückgekehrt. In einer spektakulären Rettungsaktion sammelten NaturschützerInnen die seltenen Papageien aus privaten Sammlungen und züchteten sie. Die erste Population daraus macht sich gerade im Heimatland Brasilien breit und fühlt sich allem Anschein nach sehr wohl. Was der Animationsfilm Rio mit der Rettungsaktion zu tun hat, erzählt Ihnen der Guardian.
Bei aller Euphorie darf man aber den großen Trend nicht aus den Augen lassen: Der geht leider in die andere Richtung. Die Rote Liste, die weltweit die bedrohten Tier- und Pflanzenarten dokumentiert, wird länger. "Von den insgesamt mehr als 147.500 erfassten Arten fänden sich fast 41.500 in Bedrohungskategorien – mehr als jemals zuvor", berichtet der ORF.
Wenn Sie nach dieser Achterbahnfahrt der Gefühle wieder eine Erfolgsstory brauchen: Wolfgang Rössler schreibt im Politik-Ressort über den Putenbauern Martin Kattner, der sich lange vor der Energiekrise vom russischen Gas lossagte und nun seinen Stall mit Biomasse heizt. "Wirtschaftlich war das aus damaliger Sicht uninteressant. Ich wollte etwas für die nachkommenden Generationen machen", erzählt Kattner über seine visionäre Entscheidung. "Der Filius hat klargemacht, dass er den Hof nur übernehmen wird, wenn wir zuvor auf erneuerbare Energien umsteigen." Rösslers Reportage lesen Sie hier.
Stichwort Geflügel: Daniel Jokesch hat mit wenigen Strichen mein Lebensgefühl der letzten Tage perfekt auf Papier gebracht. Seinen Brutzel-Cartoon im Falter sehen Sie hier.
Falls Sie jetzt Appetit bekommen haben, Vorsicht! Peter Iwaniewicz verrät Ihnen in der aktuellen Ausgabe, welches Tier Sie lieber nicht abschlecken sollten. Seinen Leitfaden zur Giftigkeit von Tieren finden Sie hier.
Und weil wir beim Thema giftig sind: Der Lebensmittelhändler Spar deckte den Verein gegen Tierfabriken (VGT) mit Klagen zu, weil dieser das Unternehmen angesichts des Verkaufs von Billigfleisch mit Tierqual in Verbindung brachte. Warum Spar nicht klagen, sondern sich dieser Kritik stellen sollte, argumentiere ich in diesem Kommentar.
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