Klage für mehr Bodenschutz - FALTER.natur #104
Wer gerade auf der B65 durch Fürstenfeld fährt, sieht folgendes Bild: Ein Supermarkt reiht sich an den nächsten, daneben noch ein ...
Vor fast genau einem halben Jahrhundert – am 7. Dezember 1972 – knipste Harrison Schmitt ein Foto für die Ewigkeit. In der Apollo 17 nahm er auf dem letzten bemannten Flug zum Mond die Erde in den Fokus: eine blaue Kugel vor schwarzem Hintergrund, durchzogen von weißen Wolkenbändern, in der Mitte Madagaskar und die südliche Landmasse Afrikas, unten das Eis der Antarktis. Die NASA veröffentlichte das Foto unter dem technischen Namen AS17-148-22727, weltweit bekannt wurde es aber unter einem anderen Begriff: "Blue Marble", die blaue Murmel.
Für die junge Umweltbewegung wurde die Murmel zur Ikone. Sie drehte den Blick um: Die Menschen schauten nicht mehr von der Erde ins All, sondern vom All auf die Erde. Keine nationalen Grenzen waren sichtbar, sondern nur ein gemeinsamer, lebendiger und strahlender Lebensraum mitten im weiten, toten Nichts. Wunderschön, kostbar und zugleich verletzlich.
Fünfzig Jahre nach der "Blue Marble" fotografierte die NASA die Erde mit ihrem Satelliten Deep Space Climate Observatory. Wissenschaftler verglichen nun im australischen Onlinemedium "The Conservation" das alte Foto mit den neuen und analysierten, was sich seither verändert hat:
Madagaskar war vor 50 Jahren noch grün gewesen, nun ist die Insel über weite Strecken braun geworden. Das antarktische Eisschild hat sich verkleinert, die dunkelgrüne Vegetation in den afrikanischen Tropen ging zurück, der dunkle Schatten des Tschadsees in der nördlichen Sahara schrumpfte, die Grenze der Waldvegetation hat sich verschoben. "Dies deckt sich mit den Anzeichen einer Wüstenbildung in der nordafrikanischen Sahelzone", schreiben die Wissenschaftler. "Der Beweis für 50 Jahre Umweltzerstörung liegt vor unseren Augen."
Schon in den 1990ern konnte man die Umweltsünden vom All aus sehen, erzählte mir Franz Viehböck. Seine Rakete war am 2. Oktober 1991 von Kasachstan in den Weltraum geflogen, hier ein kurzer Auszug aus dem Gespräch, das anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums erschien.
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Herr Viehböck, Sie haben als einziger Österreicher die Erde vom All aus gesehen. Was hat Sie da oben am meisten überrascht?
Franz Viehböck: Zunächst einmal, wie blau die Erde ist. Man weiß zwar, dass drei Viertel der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt sind, aber das ist auf Landkarten immer verfälscht dargestellt, weil dort die Landmassen überproportional groß sind. Das hat man so im Hirn gespeichert. Erst wenn man die Kugel sieht, zeigt sich das wirkliche Bild - das Blaue. Das Nächste ist, wie dünn die Atmosphäre ist. Sie ist vergleichbar mit der Schale eines Apfels. Wenn man weiß, dass diese dünne Schicht uns hier auf der Erde schützt, sensibilisiert einen das sehr stark.
Welche Umweltsünden haben Sie vom All aus gesehen?
Viehböck: Viele, leider Gottes. Ich habe in der Schule noch vom Aralsee in Kasachstan und Usbekistan gelernt. Das war immer ein schöner, großer, blauer Fleck im Atlas. Über die Jahrzehnte hat man es geschafft, dieses Meer auszutrocknen, durch Menschenhand verursacht. Wasser ist von Zuflüssen für sinnlose Bewässerungen von Pflanzen abgezweigt worden, die sehr viel Wasser in einem Wüstenklima brauchen. Das sieht man von oben. Man sieht auch sehr klar die verschmutzten Flüsse.
Wie schauen die aus?
Viehböck: Grau, braun. Wenn sie ins blautürkise Meer fließen, sieht man, wie lange es braucht, bis sich der Schmutz auflöst. Sehr krass waren auch die Brände in den Urwäldern, speziell in Brasilien. Da konnte man die einzelnen Flammenherde sehen, weil durch den Wind eine Rauchwolke entstanden ist. Von oben sieht man einen weißen Strich und weiß genau, wo das Feuer ist. Und schließlich die Ölfelder in Kuwait. Damals ist der Golfkrieg zu Ende gegangen, die Ölfelder wurden angezündet, um dem Feind einen idiotischen Schaden zuzufügen. Das hat über Monate gebrannt. Man hat den ganzen Golf von Persien gesehen, bedeckt von einer grau-schwarzen Wolke. Das hat grausig ausgeschaut. Diese Momente sind mir nahegegangen.
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"Was wir hier unten auf der Erde so leicht vergessen, was uns der Blick von oben aus dem Orbit aber bewusst macht: dass unser Planet in der Tat eine winzige lebensfreundliche Welt ist, die allein durch einen unendlichen, lebensfeindlichen Kosmos treibt; und dass er – nicht nur in unserem Sonnensystem mit seinen acht Planeten –, soweit wir das wissen können, die einzig bewohnbare aller Welten ist", schreibt der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht in seinem Wälzer "Das Ende der Evolution".
Die blaue Murmel kugelt weiter durchs All. Sie ist nach wie vor die schönste von allen. Die beste, die wir uns vorstellen können. Die einzige, die wir haben.
Benedikt Narodoslawsky
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Der Mensch hat nicht nur die Erde verändert, sondern auch ihre Bewohner:innen. Wie gravierend, vielfältig und umfassend sich etwa die menschengemachte Klimakrise bereits heute auf die Tierwelt auswirkt – auch in Österreich – beschreibe ich in der aktuellen Natur-Aufmachergeschichte. Darin lesen Sie über schrumpfende Fische, aggressive Ameisen und den ersten Wiener Goldschakal, der vergangene Woche mit gebrochenem Genick in der Donaustadt gefunden wurde.
Die Klimakrise ist nur eine von vielen menschlichen Einflüssen, die das Leben der Tiere verändert haben. Ein Weiterer ist der Lärm. Wale verlieren durch den militärischen Einsatz von Sonaren ihre Orientierung, in Städten müssen Vögel lauter singen, nahe der Autobahn verändern Frösche ihre Stimme – was wiederum die Fortpflanzung beeinflusst. Österreichs Jagdverbände riefen in den vergangenen Tagen die Waldbesucher:innen also dazu auf, sich leise im Wald zu verhalten, weil die Tiere Ruhe brauchen. In seiner FALTER-Tierkolumne stellt Peter Iwaniewicz die ketzerische Frage, ob bei diesem Appell auch die Jäger:innen selbst mitgemeint sind, oder ob "Jagdhorngesäusel und leises Büchsenknallen" die Tiere im Wald eh nicht stören.
Falls Sie das Thema "Klimakrise und Tiere" interessiert, empfehle ich Ihnen das Buch "Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen" des Naturschutz-Biologen Thor Hanson. Es ist sowohl inhaltlich wie auch erzählerisch richtig stark und nicht umsonst für das Wissenschaftsbuch des Jahres nominiert. Wenn Sie nicht genug bekommen: Die Wildtierbiologin Lisa Warnecke veröffentlichte vor drei Jahren "Tierisch heiß", in dem sie beschreibt, mit welchen Strategien Tiere auf die zunehmende Hitze reagieren.
Für alle, die kein Geld ausgeben wollen, gibt's hier kostenlosen Lesestoff anlässlich des gestrigen Welttags der Feuchtgebiete: Die beiden Umweltschutzorganisationen Global 2000 und der Naturschutzbund Österreich haben gemeinsam mit der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung den österreichischen Mooratlas herausgebracht. Moore sind enorm wichtig fürs Klima und die Biodiversität. Das Nachschlagewerk liefert Daten und Fakten wie diesen: "Weltweit bedecken Moore 3 Prozent der Landfläche – binden aber etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Biomasse aller Wälder der Erde zusammen." Sie können den Bericht hier downloaden.
Noch ein Tipp, mit dem Sie Klima, Ressourcen und Geldbörserl schonen können: Der Handel mit Secondhand-Kleidung boomt. Lief das Projekt früher einmal unter Fürsorge, gehört fescher Stoff aus zweiter Hand heute zum Lifestyle hipper Menschen. Mehr über den Boom erfahren Sie im Artikel "Vintage for Future" von Daniela Krenn und Nathalie Großschädl.
Und weil wir schon beim Thema Trend und Klimaschutz sind: Katharina Kropshofer hat sich im Stadtleben-Ressort angeschaut, was hinter dem Kachelofen-Trend steckt. Sie beantwortet dabei auch die Frage, wie gut die Heizform fürs Weltklima wirklich ist.
Vielen Dank für die wertschätzenden Reaktionen auf den letzten Natur-Newsletter, in dem es um Umweltungleichheit und ums Tempolimit ging. Am Mittwoch haben führende Verkehrswissenschaftler:innen die Debatte um die Geschwindigkeitsbegrenzung weiter befeuert, sie schrieben einen offenen Brief an die Bundes- und Landespolitiker:innen. Unter dem Motto "Für unsere Kinder, unsere Umwelt, unsere Zukunft" fordern sie 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Freilandstraßen und 30 km/h im Ortsgebiet. Eine Reihe von Organisationen und Promis unterstützen die Forderung bereits öffentlich. Hier geht's zur Infoseite der Wissenschaftler:innen.
Falls Sie selbst Ihre Stimme nützen wollen: Fast eine Million Menschen haben den Aufruf von Greta Thunberg und Co an fossile Konzerne unterzeichnet, "unverzüglich die Erschließung neuer Öl-, Gas- und Kohleförderstätten zu beenden und die Energiewende hin zu erneuerbarer Energie, die wir alle so dringend brauchen, nicht länger zu verhindern." Hier können Sie die Petition unterschreiben.
Kommen Sie gut ins Wochenende!