Bleiben wir im Gespräch! - FALTER.natur #130
Na, das ist ja ziemlich hoch hergegangen. Vergangene Woche erklärte Florian Klenk an dieser Stelle, warum er glaubt, die Letzte Generation ...
Der Verein gegen Tierfabriken (VgT) deckt alle paar Wochen Fälle von verwahrlosten und gequälten Tieren auf, doch manche schlagen öffentlich besonders ein. Der Stall im niederösterreichischen Traismauer, aufgedeckt im September des Vorjahres, war so einer. Und jetzt, ein halbes Jahr später, stellt sich heraus: Die Missstände existieren wie eh und je, und das, obwohl ganz Österreich den Fall kennt – und die Behörden schon davor zehn Jahre lang genau Bescheid wussten.
September 2022: In einem Stall mit Hunderten Tieren stehen Rinder knöcheltief in der Jauche, ein Rind liegt bis zum Bauch darin. Die Mülltonnen sind voller toter Schafe und Kitze, abgemagerte Katzen und Lämmer sind im Sterben. Auch im Stall, zwischen den anderen Tieren, liegen überall Kadaver. "Es befinden sich permanent mindestens 5-10 frisch verstorbene und etwa 10 skelettierte Tiere in den Stallungen", schrieb der VGT in seiner Anzeige.
All das, nachdem die Tierschützer schon 2013 eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Bezirkshauptmannschaft (BH) St. Pölten geschickt hatten. Und die Sendung "Bürgeranwalt" im ORF den Problembetrieb schon 2014 behandelte. Rudolf Winkelmayer, engagierter Tierschützer und bis zu seiner Pension 33 Jahre lang Amtstierarzt, sagte dem FALTER schon im September: "Alles andere als eine sofortige Abnahme der Tiere ist eine durch nichts zu rechtfertigende Prolongierung von unnötigem Leid." Auch für ein Tierhalteverbot seien die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Die BH St. Pölten erklärte damals, sie werde "den Ausspruch eines Tierhalteverbotes sowie die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens prüfen." Zahlreiche Fragen - etwa danach, was sie in den letzten zehn Jahren unternommen hatte – ließ sie unbeantwortet (die gesamten Recherchen dazu lesen Sie hier).
Nun, ein halbes Jahr später, veröffentlicht der VgT aktuelle Bilder vom Februar und April: Wieder stehen Rinder zentimeterhoch in der Gülle. Wieder liegen tote Lämmer, Ziegen und Rinder zwischen den Lebenden, und wieder sind die Mülltonnen voller Tierleichen. Wie kann das sein?
Am Mittwoch saß der Bauer in St. Pölten wegen der Anzeige des VgT vom Herbst vor Gericht. Er kaufe kranke Tiere auf, die andere Bauern sonst euthanasieren würden, erklärte er, – er bewahre sie also vor dem Tod.
Wie schon im Herbst verantwortete er sich auch jetzt mit Überforderung, finanziellen und gesundheitlichen Problemen – die Familie, die auch einen Heurigen führt, hat für den Stall einen 400.000-Euro-Kredit abzuzahlen (Florian Klenk war bei dem Prozess dabei, seine Reportage lesen Sie im nächsten FALTER). Dass Landwirte aufgrund von Krankheiten oder psychischen Leiden ihre Tiere vernachlässigen, kommt gar nicht so selten vor (hier finden Sie eine Recherche dazu).
Vor Gericht zeigte sich der Bauer zwar geständig, die Tragweite scheint er aber auch jetzt nicht zu erfassen: Ja, an manchen Tagen habe er "erst um Mitternacht eingestreut". Was die knöchelhohe Kot-Urin-Mischkulanz bedeutet, erklärte ein Gutachter: Weil die Rinder den Kopf nicht ablegen können, können sie nicht schlafen.
Obwohl auch eine Haftstrafe möglich gewesen wäre, verurteilte der Richter den Landwirt zu einer Diversion: Er muss 140 Stunden gemeinnützig in einem "Tierwohlstall" arbeiten.
Aber wie geht es für die Tiere weiter? Die BH St. Pölten bescheinigte dem Betrieb zuletzt eine "positive Entwicklung". Gefordert sind nun aber auch das Land Niederösterreich und Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne), der im Vorjahr einen Bericht über die bisherigen Kontrolltätigkeiten geordert hatte.
Permanenter Schlafentzug, allein vor sich hin sterbende Tiere, Mülltonnen voller Tierleichen und all das über viele Jahre: Was braucht es noch, damit in Österreich Tiere aus unzumutbaren Zuständen befreit werden – und die Behörden endlich ihrer Aufgabe nachkommen?
Ein schönes langes Wochenende wünscht
Gerlinde Pölsler
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Die einen sehen die Landwirtschaft bedroht, falls die Bauern viel weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen dürfen. Die anderen sehen unsere zukünftige Lebensmittelversorgung genau dadurch gefährdet, wenn weiterhin gespritzt wird wie bisher: Die EU-Pläne, Pestizide drastisch zurückzufahren, spalten. Im EU-Parlament stehen zwei Österreicher im Mittelpunkt des Konflikts: Die Grünen-Abgeordnete und ehemalige Fernsehköchin Sarah Wiener, die als Berichterstatterin die Verhandlungen koordiniert. Und der ÖVP-Abgeordnete und Bauernbündler Alexander Bernhuber, der als Schattenberichterstatter die Pläne heftig kritisiert. Was den Bauern Sorgen bereitet, wie die Pestizid-Industrie mitmischt und was das alles für Insekten und die Biodiversität bedeutet, lesen Sie hier.
Von ausuferndem Pestizideinsatz berichteten auch argentinische Kleinbauern, die im Rahmen des Projekts "Alianza Österreich-Argentinien" von Welthaus Graz und der argentinischen Organisation INCUPO in Österreich waren.
"In unserer Region wird auf über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Soja angebaut", erzählte Emilse Luna, Landwirtin aus Santiago del Estero, dem FALTER, "für Fleisch, das in der EU gegessen wird." Der massive Glyphosateinsatz bewirke "verschmutztes Trinkwasser, Fehlgeburten, Behinderungen, Krebs."
Juan Carlos Figueredo von INCUPO zeigte den staatlich herausgegebenen "Atlas der Krebssterblichkeit": "Dort, wo Soja angebaut wird, ist die Krebsrate drei Mal so hoch wie im nationalen Schnitt." Erst kürzlich kam eine neue Untersuchung zum Ergebnis, dass junge Argentinier aus pestizidbelasteten Gebieten ein 2,5-mal höheres Risiko haben, an Krebs zu sterben, als diejenigen, die weit entfernt von solchen Gebieten leben. Vom Kampf argentinischer Mütter krebskranker Kinder lesen Sie hier.
"Gibt ja noch keinen Spargel bei uns. Ich wart, bis der unsrige da ist, weil ich kauf auf keinen Fall so ein ausländisches Klumpat", erklärte die Schwiegermutter unserem Autor, dem FALTER-Koch Werner Meisinger. Der schaute sich daraufhin an, wie es aussieht mit den CO2-Äquivalenten von Migrationsgemüse oder ob es besser ist, auf den Podersdorfer Spargel zu warten. Seine Für und Wider lesen Sie hier.
Sehr schlecht, vermeldete die Umwelt-NGO Greenpeace diese Woche: Österreich werde das verpflichtende EU-Reduktionsziel für 2030 erst mit 20 Jahren Verspätung erreichen. Sie bezog sich dabei auf eine Studie des Umweltbundesamtes.
Dieses relativiert: In die Studie seien nur bis 2021 beschlossene Maßnahmen eingeflossen. Seither seien etwa die C02-Bepreisung oder das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz dazugekommen. Spannend werde daher die nächste Evaluation, klar sei: "Das Thema nicht mehr ernst zu nehmen, ist aussichtslos."
Auch beim Plastikrecycling liege Österreich weit hinter den EU-Zielen, wie ein Bericht des Bundesrechnungshofs ergab: Nur ein Drittel wird wiederverwertet. Die Union peilt aber bis 2025 die Hälfte an.
Am Wochenende des 6. und 7. Mai können Vogelliebhaber wieder beim BirdRace mitmachen: Es geht darum, innerhalb von 24 Stunden möglichst viele Vogelarten zu zählen, zu bestimmen und zu melden. Für jede erfasste Vogelart spenden Sponsoren Geld für ein Artenschutzprojekt von BirdLife Österreich. Die Chancen stehen gut, derzeit besonders seltene internationale Gäste auf dem Durchzug zu erblicken. In den letzten Wochen bereits gesichtet: eine Amerikanische Krickente am Unteren Inn (Oberösterreich) oder ein Seidensänger in Kärnten.