Bleiben wir im Gespräch! - FALTER.natur #130
Na, das ist ja ziemlich hoch hergegangen. Vergangene Woche erklärte Florian Klenk an dieser Stelle, warum er glaubt, die Letzte Generation ...
Gewöhnlich mit Kunstausstellungen und Kulturpolitik beschäftigt, möchte ich mein Gastspiel im Naturressort für ein Gedankenspiel nutzen. Ich schlage vor, dass Wiens größte Museen, das Naturhistorische und das Kunsthistorische, ein Jahr lang vertauscht werden. Das NHM würde dann KHM heißen und umgekehrt.
Die Kulturvermittlung spricht gern davon, dass Wahrnehmungsgewohnheiten aufgebrochen werden sollten. Bei diesem dadaistischen Feldversuch wäre das eine realistische Option. Denn wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, Natur und Kunst zu trennen, was nicht immer der Fall war. Als die Habsburger im 16. Jahrhundert damit begannen, außergewöhnliche Dinge zu sammeln, besaßen Artificalia (Gemälde, Plastiken) und Naturalien denselben Rang. Die Kunst- und Wunderkammern vollzogen noch nicht jene folgenreiche Trennung, die in der Errichtung zweier kaiserlicher Museen Ende des 19. Jahrhunderts in Wien ihren imperialen Ausdruck fand.
Mit dem Label Kunsthistorisches Museum und Naturhistorisches Museum sollten auch die Beschriftungen vertauscht werden. Ein Gemälde des Barockmalers Peter Paul Rubens bekäme dann etwa die Beschriftung: "Weißfleck-Widderchen (Amata phegea) aus der Unterfamilie der Bärenspinner". Die Götter und Helden der Alten Meister würden so auf ein irdisches Maß zurechtgestutzt. Der Falter, ein Meisterwerk der Proportion und Materialgerechtigkeit, wiederum zöge unter dem Titel Peter Paul Rubens: „Wunder des Hl. Ignatius von Loyola“ (1615/1616) die ihm gebührende Aufmerksamkeit auf sich.
Aufgeklärte Geister hielten das in den barocken Kunstkammern kultivierte Staunen für etwas, das den Gebrauch des Verstandes beeinträchtigt. Ein Weißfleck-Widderchen von Rubens könnte jene Neugierde stiftende Verwunderung reaktivieren, die auf den Märschen durch die Ausstellungssäle oft verloren zu gehen droht.
In symmetrischer Monumentalität stehen sich die Museumstanker auf dem Wiener Maria-Theresien-Platz gegenüber. Sie symbolisieren auch die Gleichwertigkeit, die das wissensverliebte 19. Jahrhundert beiden Kategorien entgegenbrachte. Ein Namenstausch könnte darauf hinweisen, dass sich dieses Kräfteverhältnis seither einseitig verschoben hat. Überall auf der Welt und auch in Österreich wird ein Kunstmuseum nach dem anderen gebaut, während die Vermittlung von Naturwissen an Bedeutung verliert.
Dieses Ungleichgewicht wirkt umso bedauerlicher, als die wichtigen Fragen der Gegenwart nicht im Kunsthistorischen, sondern im Naturhistorischen behandelt werden. In meiner Wahrnehmung verwandeln sich Museen wie das KHM immer mehr in Fossiliensammlungen, die es verlernt haben, Fragen aufzuwerfen.
Die scheinbar unveränderliche Natur hingegen erfährt einen gewaltigen Aktualitätsschub. Das Naturhistorische Museum überblickt Millionen Jahre – und die im Hinblick auf die Erderhitzung noch verbleibenden Jährchen. Und für die Schöpfungs-PR gilt ohnehin: Hießen Wolf und Biber Picasso oder Tizian, hätten sie eine bessere Presse.
Matthias Dusini
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