Semesterferien und Corona: „Kein Pflug hält wegen eines Sterbenden an“.
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 640
In der heutigen Kolumne erörtert Epidemiologe Robert Zangerle den Unterschied zwischen „mit“ und „wegen“ Corona ins Spital aufgenommen; er zeigt das Primat des Wintersports vor epidemiologischer Vorsicht; er gibt auch Hoffnung, was die Schwere und das Ende der Omikron-Welle betrifft; und er gibt uns mit einem bildlichen Gleichnis zu denken. A. T.
»Die Regierung hat vor zwei Tagen mehrere Lockerungsschritte für die Bereiche Gastronomie, Handel und Tourismus für den 5., 12., und 19. Februar angekündigt. Also schon wieder: Dates not data. Statt umgekehrt. „Ein bissl sehr mutig“, sich jetzt schon bei Zeitpunkten Mitte Februar festzulegen. Aber Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hält fest: „Es droht mit Omikron keine Überlastung der Intensivstationen.“ Daher könne man Öffnungsschritte setzen, bleibe aber auf der sicheren Seite: „Wir machen es behutsam und vor allem sicher.“ Besonders schneidig dabei seine Verweise auf Großbritannien und Dänemark. Es ist schon Chuzpe, das so en passant drüberzustreuen, ohne die nahezu vollständige Durchimpfung der dortigen älteren Bevölkerung anzusprechen. Das ist nämlich der entscheidende Unterschied! Wieso wird nicht abgewartet bis der Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht wird und die Fallzahlen klar sinken?
Die Nicht-Auslastung der Intensivstationen hoben vor allem die Vertreter des Wintertourismus (Landeshauptleute, Seilbahnvertreter, Funktionäre des Tourismus und andere) zuletzt penetrant hervor, immer auch mit dem manipulativen Spin, dass ohne drohende Überlastung der Intensivstationen der rechtliche Rahmen für die Aufrechterhaltung von Einschränkungen abhanden gekommen sei. Aber in dem dahinter stehenden Gesetz (COVID-19-Maßnahmengesetz) für die maßlos vielen Verordnungen (COVID-19-Maßnahmenverordnung, COVID-19-Notmaßnahmenverordnung und COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung) wird die Bewertung der epidemiologischen Situation („epidemiologische Notlage“) umfassender beschrieben:

In der 5. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung wird das dann im §1 etwas vage zu „Diese Verordnung regelt gesundheitspolitische Maßnahmen zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung“ verkürzt. Dieses einseitige Betonen der Auslastung der Intensivstationen reduziert das Verständnis des Funktionierens unseres Gesundheitssystems auf allzu einfältige Weise. Die Fokussierung auf das „Nadelöhr“ Intensivstation blendet die Rolle der Normalpflegestationen der Krankenhäuser und der ambulanten Versorgungsstrukturen (Praxen, Ambulanzen, Tageskliniken) in der Versorgung von Patienten mit Covid sträflichst aus. Deren Belastungen für das gesamthafte Funktionieren des Gesundheitssystems wurden nicht erst jetzt, sondern bereits während der bisherigen Verbreitungswellen massiv unterschätzt. Gerade das Zusammenspielen dieser Strukturen mit einem gerüttelt Maß an Interdisziplinarität ist unabdinglich vor allem für die Versorgung chronischer Erkrankungen, insbesondere wenn es sich um komplexere (Personen mit Organtransplantationen, Krebs, Autoimmunerkrankungen, HIV u.a.) Erkrankungen handelt.
Seit Wochen war klar, dass in der Omikronwelle damit gerechnet werden muss, dass Normalpflegestationen der Krankenhäuser und ambulante Versorgungsstrukturen (Praxen, Ambulanzen, Tageskliniken) überlastet werden. Schon im August 2020 machte die Seuchenkolumne den Vorschlag, allgemeine Indikatoren der medizinischen Versorgung in das Ampelsystem einzubauen, als Beispiele wurden Darmspiegelungen und operative Tätigkeiten genannt. Zuletzt hat die Corona Kommission („Ampelkommisson“) zwar nicht solche Indikatoren, aber doch einen wichtigen ergänzenden Schritt zur Beurteilung des „Systemrisikos“ gemacht und in der neuesten Einschätzung der epidemiologischen Lage in Österreich vorgenommen. Die Corona-Kommission hat versucht, die „Auslastungsgrenzen“ von Erwachsenen-Normalpflegestationen zu definieren, und zwar aufgrund von Erfahrungswerten der Bundesländer, die dort zu Stufen- bzw. Krisenplänen führten. Das war überfälliges Abrücken vom „alleinseligmachenden“ Fokus Intensivstationen. Omikron hat diese Dringlichkeit ausgelöst.
Demnach käme es bei einer Covid-spezifischen Auslastung von etwa 4 % von Normalpflegebetten (rund 1500 belegte Betten) bereits zu ersten Einschränkungen der Regelversorgung. Bei rund 8 % (rund 3.000 belegte Betten) Auslastung mit Covid Patientinnen und Patienten wäre wohl überall (Ampelkommission schreibt kryptisch „in vielen Bundesländern“) nur noch ein reiner Akutbetrieb der Spitäler gewährleistet (erneut keine elektiven Eingriffe, Routineuntersuchungen etc. mehr). Ab Covid-spezifischen Auslastungen von etwa 11 % (rund 4.200 belegte Betten) ist auch die Akutversorgung gefährdet. Fortan führt die Corona-Kommission die prognostizierte Auslastung von Normalpflegebetten als zusätzlichen Indikator des „Systemrisikos“ in ihrem Berichtswesen.
Die Corona Kommission empfiehlt, bei einer Annäherung an die genannten Schwellenwerte rechtzeitig Vorbereitungen in den Krankenanstalten in den Bundesländern zu treffen. Als weiterer Engpass sind hier insbesondere mögliche Personalausfälle aufgrund von Infektionen und Absonderungen sowie gesperrte Stationen und Betten zu berücksichtigen. Hierzu ist jedenfalls eine einheitliche Bettenzählweise und Meldung zu gewährleisten. Ein weiterer substantieller Anstieg von 3 % auf 4,4 % wird bis 9.2.2022 vom Prognosekonsortium in der Normalpflege erwartet. Ein Belegung von 4% entspräche 16,85 belegte Betten pro 100 000 Einwohner; diesen Wert haben am 30. Jänner Kärnten und Wien schon leicht überschritten.

Den Vertretern der Bundesländern in der Corona Kommission sind aber Zusammenhänge über das Funktionieren des Gesundheitssystems durch Belastungen außerhalb der Intensivstationen entweder nicht so wichtig oder nicht so bewusst, sonst hätten sie wohl nicht so „lockere“ Kommentare in der letzten Sitzung der „Ampelkommission“ abgegeben:

Oder Vertreter der Bundesländer haben diese Bewertungen wohlüberlegt gemacht, da jetzt bei Spitalspatientinnen und -patienten eine Infektion mit SARS-CoV-2 oft nur zufällig entdeckt werde. Die Menschen kommen wegen anderer Beschwerden, und bei der Aufnahme wird als „Nebendiagnose“ eine SARS-CoV-2-Infektion festgestellt, wie das Ö1-Morgenjournal vom 25. Jänner berichtete. Weil viele ohne Symptome bleiben, können diese Patienten auch in ihren Zimmern isoliert und müssen nicht auf Covid-Stationen überstellt werden, so ein Pressesprecher eines Zentrumskrankenhauses. Allerdings entpuppen sich „Hauptdiagnosen“ wie Herzinfarkt, Thrombosen und Lungenentzündung nachträglich oft als Folge einer Corona Infektion. „Mit“ oder „wegen“ Covid ins Krankenhaus, oder wie jetzt?
Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Österreich bekannt, wieviele Patienten mit der Nebendiagnose Covid-19 im Krankenhaus liegen. Wird behauptet. In der Sitzung vom 27. Jänner wird aber auf Mängel hingewiesen: „…das Land Salzburg (habe) laut Medienberichten bislang keine Patientinnen und Patienten mit Nebendiagnose COVID-19 gemeldet habe, sondern ausschließlich solche mit Hauptdiagnose COVID-19. Gemäß Schätzungen habe dies rund 25 % der Patientinnen/Patienten betroffen. Der vom Bund vorgegebenen Meldesystematik sei im Sinne der Einheitlichkeit künftig durchgängig nachzukommen.“ „Die Vertreterin aus Salzburg verweist zwischenzeitlich auf den zuvor angesprochenen Medienbericht zur Meldung von COVID-Patientinnen/-Patienten, wonach die für Salzburg angeführte Meldepraxis auch von anderen Spitälern anderer Bundesländer angewandt wurde“ (hier und hier). Stimmen die Zahlen schon wieder nicht? Oder wurden sie zur Vorbereitung der Semesterferien für den Wintertourismus klein gehalten? Wer mag das in Österreich schon mit Sicherheit ausschließen? Jedenfalls mahnt die Corona Kommission zur Gewährleistung einer einheitlicher Bettenzählweise und Meldung.
Die Dinge sind, wie so oft, komplexer als auf den ersten Blick ersichtlich, wie es der Newsletter des Schweizer Magazins Republikgut erklärt. Nicht besonders neu: Covid-Krankenhausaufnahmen sind Personen mit einem positiven Test – egal aus welchem Grund sie sich ins Krankenhaus begeben haben. So wurden sie immer schon erfasst. Diese Gruppe wird wegen der Omikron-Variante, die auch viele bereits immunisierte Leute erwischt, im Spital vermutlich zunehmen. Es wird jedoch abgekürzt argumentiert. Man tut so, als wäre grundsätzlich klar festzustellen, wer „mit“ und wer „wegen“ Covid im Spital liegt. Und es wird so getan, als wären Patientinnen „mit“ Covid für das Gesundheitswesen keine schlechte Nachricht. Beides ist falsch.
Es sind Personen mit Diabetes, denen es plötzlich schlechter geht, vielleicht wegen der Infektion mit SARS-CoV-2, vielleicht wegen der Grunderkrankung. Werden Sie im Krankenhaus „mit“ oder „wegen“ Covid aufgenommen?
Es sind ältere Personen, die das Virus nicht besonders heftig erwischt hat, die aber, allein daheim und krank, nicht klarkommen.
Es sind Personen mit Krebs, die für eine Chemotherapie oder für eine Operation ins Krankenhaus kommen und dort positiv getestet werden. Vielleicht werden sie nur „mit“ Covid dableiben. Vielleicht wird sich ihr Zustand aber „wegen“ Covid verschlechtern.
Es sind geimpfte Skifahrerinnen, die mit einem komplizierten Beinbruch und einer asymptomatischen Infektion mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus kommen.
Klar ist aber:
dass auch die Skifahrerin mit ihrem asymptomatischen Covid isoliert werden muss (kein triviales Unterfangen). Wer sie behandelt, muss Schutzkleidung tragen, die an- und auszuziehen Zeit kostet. Auch nur „mit“ Covid-19 bedeutet Mehraufwand für ohnehin schon belastete Strukturen;
dass durch die schiere Menge der Omikron-Infektionen großer Druck auf Krankenhäuser und Spitäler entstehen könnte. Dieser Druck fällt nun auf weniger Schultern als zuvor, weil Personal fehlt: wegen Berufswechseln, Burnouts, Covid-19-Infektionen. Spärlich gibt es dazu auch aktuelle Zahlen, in Vorarlberg waren 4% der Beschäftigten im Krankenhaus Anfang letzter Woche infiziert und damit isoliert. In Quarantäne war wirklich niemand? Auf der Medizin III mussten zur gleichen Zeit 6 von 40 Fachärzten wegen Isolation/Quarantäne Ihren Dienst fernbleiben (Richard Greil im Ö1 Mittagsjournal vom 27. Jänner).
Mehr Infizierte im Spital und weniger Personal bedeutet mehr verschobene, nicht dringende Eingriffe, und das bedeutet eine höhere Krankheitslast in der Bevölkerung, und das bedeutet irgendwann noch mehr Druck im Gesundheitssystem. Ein Teufelskreis.
Es gab ihn nie, es gibt ihn nicht und es wird ihn auch nie geben, den Superindikator, mit dem man die epidemiologische Lage genau erfassen kann: Fallzahlen, Positivitätsrate, Krankenhausaufnahmen, Todesfälle, Abwasseranalysen, alle diese Messgrößen haben Vor- und Nachteile. Um die epidemiologische Lage am Tag X zu beurteilen, wird man auch künftig nicht vermeiden können, mehrere Indikatoren und weitere Studien und Fakten zu berücksichtigen.
Nun zur „Milde“ von Omikron. Nicht nur Politik und Medien tragen zu einem unbekümmerten Umgang damit bei. Auch das Prognosekonsortium macht das mit Annahmen, die sehr wahrscheinlich in den nächsten Wochen so nicht mehr gelten: „Angesichts des erwarteten Anstiegs der Omikron-Neuinfektionen fallen die Prognosen des Spitalsbelags aufgrund der reduzierten Virulenz vergleichsweise niedriger aus, als dies bei vorangegangenen Wellen und vergleichbaren Fallzahlen der Fall war. Angesichts nach wie vor unzureichender für Österreich spezifischer Informationen zur Virulenz der Omikron-Variante (fehlende Datenverknüpfung) ist die Belagsprognose jedoch mit entsprechender Unsicherheit verbunden. Die aktuelle Belagsprognose geht von einem Rückgang der Virulenz der Omikron-Variante gegenüber der Delta-Variante um 80 % im Bereich der Intensivpflege und 70 % im Bereich der Normalpflege aufgrund des Anteils der doppelt geimpften sowie jüngeren Personen am Infektionsgeschehen“ aus. Alles sehr nachvollziehbar, aber was passiert, wenn der Anteil älterer Personen am Infektionsgeschehen, wie vermutet werden darf, zunehmen wird?
Die Milde der Verläufe von Covid durch eine Infektion mit der Omikronvariante ist in der Bevölkerung klar ersichtlich. Geschieht das aber, weil die Omikronvariante weniger virulent ist und deshalb zu weniger häufigen schweren Verläufen führt? Oder ist die Immunität, sei es durch Impfungen oder durchgemachte Infektionen, in der Bevölkerung inzwischen so hoch ist, dass es zu weniger schweren Verläufen kommt? Es gibt Evidenz für beide Szenarien. Eine Grafik von Alex Sigal in Nature Review Immunology veranschaulicht die beiden Szenarien: wenn Omikron weniger virulent (pathogen, krankmachend) ist, und die Hintergrund Immunität bei Kontakt mit Delta oder Omikron gleich ist, dann treten natürlich weniger schwere Verläufe auf (Case 1); wenn die beiden Virusvarianten aber gleich pathogen sind, aber die Bevölkerungsgruppen, die sich mit der Omikronvariante infizieren, inzwischen eine höhere Immunität aufweisen, dann treten ebenfalls weniger häufig schwere Verläufe auf (Case 2).

Tatsächlich zeigen bisherige Untersuchungen ein reduziertes Risiko, nach einer Infektion mit der Omikronvariante aufgrund der Schwere der Erkrankung ins Krankenhaus aufgenommen zu werden. Dieses Risiko vermindert sich in den einzelnen Studien um 36 bis 70 Prozent. In einer dänischen Studie, die auf einem Lancet Server als Preprint zugänglich ist (also noch nicht begutachtet ist) wurde sowohl bei ungeimpften und geimpften Personen eine Reduktion von Krankenhausaufnahmen gefunden, wenn sie mit Omikron und nicht mit Delta infiziert waren. Für die Analysen wurden ein etwaiger Status einer Reinfektion, das Geschlecht, das Alter, das Vorhandensein von Risikoerkrankungen, die Wohnregion und die Kalenderwoche der Krankenhausaufnahme berücksichtigt („adjustiert“). Obwohl das sehr professionell vorgenommen wurde, ist es nicht gänzlich zu vermeiden, dass es im Vergleich zu den randomisierten klinischen Studien zu „Selektions-Bias“ kommen kann und „Confounding“ auftreten kann. Näheres dazu in der Kolumne vom 11. Oktober. Ähnlich Ergebnisse aus anderen Studien untermauern die geringere intrinsische Virulenz (also der Wirkung auf Einzelne) der Omikronvariante. Noch liegen keine quantifizierbaren Ergebnisse über Komplikationen bei im Krankenhaus aufgenommenen Patienten vor, konkret über die Rate eines Transfers auf die Intensivstation. Diese ist offensichtlich besonders stark reduziert, valide quantitative Daten aber gibt es dazu nicht. Eine interessante Beobachtung dazu stammt aus einer Studie mit dem Impfstoff von Janssen, wo alle ins Krankenhaus aufgenommenen „Durchbruchsinfektionen“ während der Verbreitung der Virusvarianten Beta, Delta und Omikron analysiert wurden. Sauerstofftherapie und mechanische Beatmung waren in der Omikronwelle viel seltener notwendig und die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthaltes war kürzer (3 vs. 5-6 Tage) als bei den Beta und Deltawellen. Der an und für sich berechtigte Einwand, dass im Laufe der Zeit die Hintergrundimmunität durch natürliche Infektionen zunimmt, verliert durch die Impfung der Studienpopulation an Gewicht, und die Unterschiede zwischen den einzelnen Wellen wären vielleicht gar nicht so groß, würden sie theoretisch alle auf eine immunologisch naive Population treffen, also so wie wir alle zu Beginn der Pandemie waren.

Es gibt aber auch Evidenz, dass die vorhandene Immunität in der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt, noch hauptsächlich aus Studien, welche die neutralisierende Aktivität von Antikörpern gemessen haben. Obwohl Omikron dieser Immunität ausweichen kann, scheint es im Wesentlichen einem Zahlenspiel gleich zu kommen, wobei die „magische Zahl“, die erreicht werden muss, derzeit drei ist, wie eine gerade in Nature publizierte Arbeit aus Deutschland zeigt: das Immunsystem muss dreimal das Spike Protein gesehen haben, um eine qualitativ hochwertige Immunantwort aufzubauen. Das kann durch drei Impfungen erreicht werden, oder durch zwei Impfungen plus eine natürliche Infektion. Wichtig: eine Durchbruchsinfektion muss auch da anerkannt werden. Die Arbeit zeigt auch: das Immunsystem braucht Zeit, um qualitativ hochwertige Antikörper auszubilden, die eine starke Bindung zeigen. Und eine starke Bindung der Antikörper an das Spike Protein ist mindestens genauso wichtig wie einfach nur „viele Antikörper“, d.h. ein hoher Antikörper-Titer. Es gibt also noch viel zu lernen.
Es ist naheliegend, dass wir mehr und mehr an einen Punkt gelangen, an dem fast jeder eine gewisse Immunität hat – entweder durch Impfung oder Infektion. Das reduziert die Krankheitslast, die das Virus verursachen kann. Derzeit haben wir aber noch einen beängstigenden Anstieg zu befürchten, weil die Zahl der Immunnaiven bzw. der deutlich unzureichend Geschützten zu groß ist, als dass der Übergang in eine ungewisse endemische Phase gesichert wäre. Die Schwere zukünftiger „saisonaler“ Wellen durch neue Varianten lässt sich im Moment nicht abschätzen. Es könnte schlimmer oder womöglich auch weniger schlimm als die typische Grippewelle sein.
Zurück zur Omikronwelle: Nach dem Prognosekonsortium könnte der Höhepunkt der Omikron-Welle in der ersten Februarhälfte eintreten. Auf Bundeslandebene sind im Rahmen der Unsicherheitsintervalle auch etwas frühere oder spätere Zeitpunkte möglich. Mehr dazu übermorgen. Eines bleibt aber offen: Peter Klimek präsentierte bei der letzten Sitzung der Corona-Kommission Szenarien zum Verlauf und dem möglichen Höhepunkt der Omikron-Welle. Aus dem Protokoll: „Unter Beibehaltung des gegenwärtigen Maßnahmenregimes werden die Schwellwerte für den Spitalsbereich sehr wahrscheinlich nicht erreicht. Klimek gibt aber zu bedenken, dass bei einer Verschiebung der Altersstruktur der Infizierten gegebenenfalls Werte am oberen Konfidenzintervall zu erwarten sind. Weitergehende oder zu früh gesetzte Öffnungen würden den Peak der Welle gemäß der Szenarien erhöhen und gemäß den pessimistischeren Szenarien können so die Schwellwerte ICU (Anm. Intensivstation) und NST (Anm. Normalstation) erreicht bzw. überschritten werden.“ Muss nicht damit gerechnet werden, dass es zu einer Verschiebung der Altersstruktur beim Infektionsgeschehen kommt? Jedenfalls drängt sich das aus der Erfahrung der bisherigen Wellen und der Entwicklung der Sieben-Tagesinzidenz der Altersgruppen auf. Die Zunahme der Inzidenz verläuft derzeit bei den älteren Altersgruppen exponentiell, sichtbar als Gerade in einer logarithmischen Skala.

Was diese Kurven auch zeigen: Das Testen funktioniert in Österreich im Großen und Ganzen nicht schlecht! Ein Beitrag der Seuchenkolumne zur toxischen Diskussion über Testungen. Eines kann ich mir aber nicht verkneifen: „Etwas“ weniger Testen wäre vermutlich mehr.
Abschließen möchte ich mit dem Bild Landschaft mit dem Sturz des Ikarus, das dem flämischen Maler Pieter Bruegel dem Älteren zugeschrieben wird. Da es in Öl auf Leinwand gemalt wurde, spricht es für eine zeitnahe Kopie nach Bruegel, der selbst seine Werke stets auf Holz malte. Die Einfügung des Hauptthemas, als sei es nur ein Detail, ist allerdings typisch für den Flamen. Auch die grundlegende Komposition des Werkes und dessen Ausgestaltung erinnern stark an die Bildsprache des Künstlers. Eine große mythische Fabel wird bei Pieter Bruegel zu einem kleinen Detail: „Der Sturz des Ikarus“, man kann ihn auf Bruegels gleichnamigem Gemälde leicht übersehen. Manche deuten das als Kommentar des Humanisten Bruegel auf die politischen und religiösen Konflikte seiner Zeit.
Der Angler sitzt unten am Wasser, der Hirte ist in der Mitte platziert, der Bauer bestellt seinen Acker und allen gemeinsam ist, dass sie dem Sturz des Ikarus kein Interesse entgegenbringen. So bedeuten das Schwert im Geldbeutel und der Getreidesack im Vordergrund die flämischen Sprichwörter: „Geld und Schwert brauchen gute Hände“ und „Auf Felsen Gesätes wächst nicht“. Es sind Anspielungen auf die Nutzlosigkeit von Ikarus’ Handeln. Die Suche nach der versteckten Leiche in diesem Bild habe ich nach 2 Stunden abgebrochen und die Stelle erst durch ein Video der Bildbeschreibung wahrnehmen können.

Der Aphorismus zu der halb versteckten Leiche im Unterholz heißt: „Kein Pflug hält wegen eines Sterbenden an“. Kann man den Wintertourismus auch so beschreiben?
P.S.: Es gibt Menschen und Initiativen, die sich jetzt bewusst gegen eine schnelle Durchseuchung stellen, auch wenn es mit Verlusten und Schmerzen verbunden ist (ab ca. 17:30 Minuten). Einer dieser besonderen Menschen hat mir gestern unter anderem das geschrieben:

P.P.S. Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn ich mich aus.« R. Z.
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher