Elegie auf Willi Resetarits
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 713
Willi, ich habe genug von den Elegien. Und jetzt du noch.
So aber geht es: abschneidend kommt es, das Ende, manchmal
schleichend, langwierig quälend ein andermal. Ende, wie immer, du
bist uns gewiss. Willi! Du zäher, hattest gerade
dich von Corona erholt, da ereilt dich das Unglück. Wir weinen.
Willi, Kurti, Ostbahn, Rater und Tröster, du hast wie
keiner verstanden, das Gutsein erträglich zu machen. Denn gut, das
warst du nun wirklich, durch und durch gut und immer auf richtiger
Seite. Das wäre bei anderen nervig, penetrant oder
lähmend, salbungsvoll, pastoral oder sonst wie. Du aber
warst ein Warmer, warmherzig Warmer. Wärmestrom in der
Linken, so etwas gibt es. An Kälte geht sie zugrunde.
Du aber hattest die Stimme, die Stärke, die Kraft und nimmer ver-
sagte dein Schmäh. Nein, Cool warst du nicht und tatest nie so, als
wärst du’s. Der Schmäh, er machte das Gutsein erträglich vermutlich auch
dir, denn die Kraft, die es kostete, durfte man merken mitnichten.
Kraftvoll warst du auf Bühnen, in jeglichem öffentlichen
Auftritt, immer der Anker, die tiefe, verlässliche, schöne
tonangebende Stimme, zuhause in allen Genres und
Tonlagen. Artmann sangst du berührend, alanich für di, und
trafest doch alle mit deinem Gesang, ob rockig als Kurti, ob
jazzig, ob stubenbluesig, ob wienerisch mit dem Molden, dem
kongenialen. Musiker warst du ein prächtiger, Schmetterling-
aufwärts mit der Proletenpassion bis hin zu den zarteren
Wienerlied-Klängen. Ausklänge waren es, ungern muss ich es
sagen, war’n sie auch nicht so gedacht. Der Ostbahn Kurti
warst du, fleischgewordene Fiktion, doch gewendet
mit ironischer Verve. Ja, die Selbstironie nur
macht das Gute erträglich, den guten Glutkern in dir, den ein
jeder und jegliche spürte, der je es zu tun hatt’ mit dir. Eine
Freundlichkeit gegen Menschen, helfend, niemals ermüdend, auch
wenn es Substanz dich gekostet. Half’s dir, aus kleinen Verhältnissen
kommend, krowodisch erfahren, minderheitsschlau aufwachsend in
Wien, in Floridsdorf, Bruckhaufen, rauer Gegend? Prolet ohne
Kult, aber lebenslänglich ein Linker, heißt helfend den Kleinen und
voller Verständnis für die Leute ganz unten? Viele, die
klein begannen, verloren den Kopf, den zu groß gewordenen.
Willi, du niemals. Warst immer da, warst immer die Stimme, die
Seele guter Proteste. In der Arena du und
Lukas, dem sangst du beim Staatspreis zur Ehre krowodisch, wie mit der
Mutter beim Lichtermeer. Und wer wär gestanden da ungerührt
ohne die Träne im Auge? Niemand. So war’s oft dank dir und
deiner Stimme, gewärmt aus dem guten Glutkern in dir, Willi. Zu
predigen, das war nicht nötig. Hätte zu dir nicht gepasst. Du
warst es, moralisch, das hat genügt. Exempla trahunt,
sagte die Alten, die Beispiele ziehn, und gezogen hast du,
Zugpferd des Guten, genug. Das Integrationshaus wuchs dir
zu, es wuchs aus dir aus, du wurdest zum Haus, es behauste dein
Leben der Kampf für die Unbehausten bis zuletzt noch.
Ja, sagtest du, man muss ihnen helfen, denen die
flüchten aus der Ukraine, doch sind nicht mehr und nicht weniger
wert sie als andere. Dieser Sinn für Gerechtigkeit klang uns aus
allem, was du getan, gesprochen, gesungen. Gut klang er.
Nein, Musik ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne sie. Das
Wunder in Klänge zu wandeln und Klanggewänder zu wechseln und
immer dabei du selber zu bleiben, das hast du geschenkt uns
Abend für Abend. Wer mit dir auftrat – ich durfte ein paarmal – den
nahmst unterm Arm du, nie auf den Arm!, und führtest ihn sicher.
Helfer warst du, ein großer. Jetzt stehn wir da und schaun hilflos.
Allzu jäh gingst du von uns, Willi, und jede Minute die
Lücke wird größer und nimmer wird sie sich schließen. So ist der
Schmerz um die Großen. Adieu, Willi Resetarits.
Wenigstens in sechs Zeilen noch nehme ich fast das (dir als
Musiker wär es ja Pflicht) rechte elegische Maß.
Maßlos ist sie, die Trauer, doch eines vergessen wir Trauernden
nicht: es bleiben von dir Stimme und Freude doch uns.
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher