Wellen aus Staub, oder: Die Quakschlacht der Greise
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1023

Foto @orf.at(Screenshot)
Es gab im Griechischunterricht ein Wort, das ich mir gemerkt habe, obgleich der Griechischunterricht ein Weilchen her ist. Batrachomyomachia, ich glaube, bei Äsop kam es vor, war die Schlacht der Frösche gegen die Mäuse. Ein Wortungetüm, das man sich mechanisch einprägte wie „Popocatepetl“ oder „Donaudampfschifffahrtskapitänsmützen“.
Daran erinnerte ich mich, als ich kürzlich den Newsletter der Kronen Zeitung las. Erwin Pröll war am Wort, jener Politpensionist, der öffentlich erklärt hatte, er gehöre nicht zu jenen, die in der Pension nachfolgende Politiker oder Politikerinnen mit Ratschlägen beglücken werde. Da er sich bei seinem Abschied aus der Politik vorgenommen habe, zu tagespolitischen Themen keine Stellung mehr zu nehmen, gebe er diesen Rat auch „einem ganz Großen“ (Krone) der österreichischen Innenpolitik.
Genau das geschah nun in der Kronen Zeitung. „Der 76-Jährige, vital, informiert, interessiert und messerscharf in der Analyse wie zu seinen besten aktiven Zeiten, gab der Krone eines seiner ganz raren Interviews.“ Er habe „in seiner politischen Tätigkeit selbst oft darunter gelitten, wenn sich Persönlichkeiten, die in Wahrheit keine Verantwortung mehr tragen, mit klugen Ratschlägen melden“.
Der Ratschlag aller Ratschläge: erteile keine Ratschläge. Dazu gab der Alt-Polit-Pensi mit der ihm eigenen sprachlichen Sensibilität noch eine Perle aus seinem dem Silbersee entborgenen Sprachschatz preis: Er habe gemerkt, „dass Ratschläge weniger Rat und mehr Schläge sind.“
Das sitzt, zumal Prölls Schlag auf seinen ex-Schützling Sebastian Kurz herniederniedersauste. Bei diesem, sagte Pröll, komme der Verdacht auf, er habe nicht das Heil der Republik oder der Öffentlichkeit im Sinn gehabt, sondern sein eigenes Wohl.
Ich bin froh, dass dieser Eindruck nun bei Pröll entsteht. Ich hatte diesen Eindruck, als ich Sebastian Kurz zum ersten Mal erblickte, und er hat sich seither systematisch verfestigt.
Kurz zog es übrigens vor, nicht zurückzuschlagen, sondern abzuducken.
Damit hätte sich die Episode erledigt gehabt, wäre nicht binnen kurzer Frist der nächste Politpensi aufgetreten. Die Sache schlug nämlich Wellen, wie die Krone schrieb, beziehungsweise, einen Absatz darunter, sie wirbelte Staub auf. Wellen von Staub sozusagen, staubtrockene Wellen, der Krone und der Intrige Wellen eben.
Andreas Khol, noch länger in Pension als Pröll und naturgemäß mit den gleichen Versprechungen abgetreten wie dieser. In der Pension schweigen, niemandem einen Ratschlag erteilen. Ich habe ein Bild in Erinnerung, das ein empfindsamer Kollege in der Falter-Redaktion an die Tür geklebt hatte: Andreas Khol als entrückter Gärtner mit Strohhut, an einer Rose schnuppernd, fernab jedem garstigen politischen Lied.
Jetzt aber ließ sich Khol hören, entgegen allen Versprechen, und stellte Pröll, wie man so sagt, in den Senkel. Die Ironie seines Tuns blieb ihm offenbar nicht verborgen, als sein eigenes Versprechen brach, indem er Pröll aufforderte, sein Versprechen zu halten. Aber das Versprechen ist bekanntlich eine Tochter der Zeit.
Die Kronen Zeitung: „Kurz selbst kommentierte die Aussagen Prölls vorerst nicht, ein anderer Parteigrande rückte aber aus – in Person von Andreas Khol“. Es ist schön, dass der Grande zum Ausrücken seine eigene Gestalt wählte. Nicht nur das. Er sprach: „,Ich möchte Pröll beim Wort nehmen‘, konterte der einstige Nationalratspräsident im Gespräch mit der APA. Prölls Bemerkungen seien überflüssig. ,Halb schwanger gibt es nicht – das gilt auch für ihn selbst wie für mich.‘ Auch einen weiteren Rat solle der Altlandeshauptmann selbst beherzigen: ,Ratschläge sind Schläge.‘
Khol und Pröll, performative Widersprüche in Person. Man kann das Maul nicht halten, fordert aber andere und sich selbst lautmäulig dazu auf.
Da sich auch noch der wegen seiner unwiderstehlich bahnbrechenden Volkstümlichkeit bekannte Tiroler Seilbahntycoon Franz Hörl – „wortgewaltig“ nennt ihn die Krone, mir würde „gewaltiger Bahnbrecher“ reichen – zu Wort meldete und Pröll ebenfalls zum Schweigen aufforderte, und zwar mit den goldenen Worten: „Im Gegensatz zu Pröll, der ein Büro auf Steuerzahlerkosten hat und hauptberuflicher Möchtegern-Schatten-Landeshauptmann ist, ist Kurz erfolgreich unternehmerisch tätig und schafft Arbeitsplätze“, fiel mir ein neues, altgriechisches Wort für diese charmante Episode der Österreichoperette ein: Es ist eine Ballettszene mit dem Titel Batrachogerontomachia – die Quakschlacht der Frösche und der Greise.
Er ist die beste Wochenzeitung des Landes. Der Falter. Lesen Sie ihn. Unterstützen Sie sich und ihn mit einem Abonnement.
Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.
Ihr Armin Thurnher