Klassisch SPÖ: Mudwrestling am O. K. Corral, oder was?
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1025

Achill attackiert Hektor (Vase aus dem 5. Jh. v. Chr.) Foto: British Museum
Kürzlich erfuhr ich, dass es das gibt: „Beton Dialog Österreich“. An den fehlenden Bindestrichen merkte ich aber gleich, dass es sich um keine politische Manifestation handelte, sondern um Werbung. Werbung erkennt man ja daran, dass sie Satzzeichen entweder überbetont setzt (Punkte, wo keine hingehören) oder unterdrückt, wie in diesem Fall den Bindestrich. Von den Reflexivpronomina will ich gar nicht reden. „Jetzt informieren!“ bedeutet natürlich nicht, dass Sie jetzt ihrer Informationspflicht gegenüber wem auch immer nachkommen sollten, sondern nur den Hinweis, dass Sie gut daran täten, sich zu informieren.
Daran hindert Sie im allgemeinen der Beton-Dialog Österreich. Aber, wie gesagt, der Beton Dialog Österreich tut nix besonders Böses, außer dass er eine „Werbekampagne zum günstigen Heizen und Kühlen mit Energiespeicher Beton launcht“. Soll er.
Ich glaube, dass der Betondialog Österreich im Vorfeld des Sonderparteitags der SPÖ schon recht sauber angemischt hat. Ich bin faul, das alles zusammenzugoogeln, die Untergriffe, die Hinterfotzigkeiten, die Schlammschlacht, die Untergriffigkeit, die Desaster, die Niederlagen, das Versagen, den Untergang undsoweiter. Die Phraseure mischten recht trocken an, sodass das Gemisch gut aushärten konnte, denn es wurde täglich neu aufgetragen.
Die SPÖ dürfte den Nebeneffekt nicht als erfreulich betrachtet haben, obwohl er es – zynisch vom Werbestandpunkt betrachtet – durchaus ist. Wenn Donald Trump so etwas macht, zählen alle Medienbeobachter die Berichte zusammen, messen in Sekunden, Millimetern und Impressions, kommen zum Schluss, dass er gerade ein paar -zig Millionen sogenannter „unearned media“ lukriert hat, und ersticken beinahe vor Bewunderung für den Schlingel. Das Wort „verdienen“ möchte man in diesem Zusammenhang sowieso vermeiden, wenn es auch niemanden gibt, der Rendi-Wagner, Babler & Doskozil ihres werblichen Geschicks wegen bewundert.
Pam, Andy und Dosko sind dennoch Champs der unbezahlten Reichweite, und wenn ihre Partei jetzt daraus nichts macht, dann ist sie wirklich selber schuld. Christian Deutsch, der Geschäftsführer des Unglücks, hat seinen Rückzug erklärt, und es würde einen nicht wundern, wenn er sich dem mehr oder weniger sozialen Wohnbau zuwendet, wie er von Ex-Kanzler Werner Faymann mit ehemaligen Mitarbeitern in Germany betrieben wird, durchaus erfolgreich, wie man hört. Sebastian Kurz betreibt nicht das einzige Business-Nachfolgemodell einer Kanzlerschaft. Das alles gehört sich eben so in moderner Zeit. Wenn Kapitalversteher regieren, darf man sich nicht wundern, wenn sie nachher mit ihrem Kapitalverständnis weiterhin einverständigen Ernst machen.
Auch hierbei spielt Beton eine gewisse Rolle, wie wir von Immobilienkrösussen wie Donald Trump wissen, und wo Beton ist, da ist – zumindest in New York – die Mafia auch. Sei es, dass man das gute Baumaterial von ihr zu beziehen hat, sei es, dass man, wenn man deren Compliance-Regeln nicht erfüllt, mit Betonpatscherln auf dem Grund des Hudson River landet. Ich schweife ab, oder auch nicht. Von der Wohnbausteuer des Roten Wien bis zu den Immobilientycoonderln des neuen roten Wien ist es nicht weit.
Irgendwas muss man am Tag jenes Ereignisses ja sagen, das in den Worten der Politikberater zwischen Mudwrestling und Gunfight at the O. K. Corral changiert: ein Showdown, nach dessen Ende alles hin ist und nach dem es keinesfalls weitergeht. Dazu brauche ich nicht zu sagen, dass ich diese Ansicht keineswegs teile. Bin vielmehr sicher, dass der angestoßene Streit zur fruchtbaren und animierenden Beunruhigung einer Partei dient, die nichts und niemanden in Frage stellte und eine falsche Einigkeit mit entschlossener Einheit einer gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeit kämpfenden Organisation verwechselt.
Ich gebe zu, ich habe mit dem Gedanken gespielt, eine homerische Parodie auf die Szene im 22. Gesang der Ilias zu schreiben, in der der wutentbrante Achill den trojanischen Helden Hektor tötet, dessen Fersen durchbohrt und ihn dreimal um die Stadt schleift. Aber dann dachte ich, das ist denn doch, selbst wenn es nur eine Parodie wäre, zu hoch gegriffen. Andreas Babler und Hans-Peter Doskozil sind keine Helden, beiden haften unheroische Mäkel an. Der eine mit loser linker Zunge, deren Missetaten jetzt wohlgetaktet aus den Archiven geborgen wurden. Der andere mit losem Händchen für Intrigen und Schüsschen aus dem Hinterhalt.
Das alles wird einem Sieger vergessen, wie immer er heißt. Er wird die Partei einen, so weit das möglich, nötig und sinnvoll ist (inhaltlicher Streit ist immer sinnvoll) und sich dann pronto jenen Aufgaben widmen, deren das Land so dringend bedarf. Nämlich die ÖVP endlich für mindestens eine Legislaturperiode von der Macht zu entfernen. Und Kickl wieder zu jenem politischen Diminutiv zu machen, als der er die ganze Zeit vor uns erscheint.
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Ihr Armin Thurnher