SPÖ-Chef Andreas Babler und der politische Science Fiction Moment

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1027

Armin Thurnher
am 06.06.2023
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Science Fiction von gestern. Breughel d. Ä.: Großer Turmbau zu Babel Foto: Kunsthistorisches Museum Wien

Die SPÖ und das Kommentariat befördern uns in eine Art politische Science-Fiction. Soeben erleben wir einen alle Gewissheiten erschütternden Wahrheitsmoment. Hat die Wahl zum SPÖ-Chef auf dem Parteitag überhaupt stattgefunden? Das Ergebnis demokratischer Wahlen anzuzweifeln, ist schon längst Mode, und wir wissen ja, wohin das führt, wenn Wahlergebnisse angezweifelt werden. Man kann froh sein, dass beim Linzer SPÖ-Parteitag keine Wahlmaschinen involviert waren, sonst könnte man jetzt Verfahren mit Millionenstreitwerten durchführen. Jenes Medium, das die Wahlmaschinenfirma der Manipulation bezichtigt, erzielt hohe Reichweiten, wird dann aber durch Androhung hoher Geldstrafen zum Schweigen gebracht.

Es war aber keine Wahlmaschine, es war ein Excel-Sheet, bei dem die Rubriken durcheinander gerieten. Ein rätselhafter Vorgang. Es blieb offen, ob die betroffene Person oder das betroffene Programm der schuldhafte Akteur war, die Rubrik oder ihr Beschrifter, oder gar der Cursor. Den Cursor habe ich kursorisch immer im Verdacht, das liegt in seinem hermetischen, wandelbaren Wesen.

Mit weitergehenden Schuldvermutungen ist zu rechnen. Ich sag mal so: digitalisiert euch!


Es war ein bizarres Szenario, lächerlich und peinlich, ein Desaster, bizarr, abstrus und komisch, aber es ist weder das Ende der Welt noch ein Supersupergau. Was wäre ein Supergau? Wenn eine Werbung über den Bildschirm flimmern würde „SPÖ heißt jetzt Kronen Zeitung“ zum Beispiel, oder Siegfried Wolf als Chef der Beteiligungsmanagements der Republik…, äh hoppla, das war nicht die SPÖ. Auch ein Pulk von Landeshauptleuten, der gesammelt per Unterschrift einem unhaltbar gewordenen Kanzler das Haltbarkeitsdatum wegschwindelt oder ein Innenminister, der keine Wahlkuverts organisieren kann und dafür zum Nationalratspräsidenten befördert wird, der eine Untersuchungskommission offen und ungeniert sabotiert, ein FPÖ-Chef, der an der eigenen Werbeagentur beteiligt war, etcetera, etcera, was ist dagegen dieses Wahldebakel? Um mit dem Kabarettisten Sigi Zimmerschied zu sprechen: Wo isn do a Supagau?


Wahlen sind das Hochamt der Demokratie, sagt gerade eine fromme Kommentatorin, das Weihrauchfässchen schwingend, und wer dieses Hochamt nicht zu feiern versteht, der frevelt und wird in den Orkus verstoßen werden. Ja, aber das Hochamt der Demokratie wird von einer Behörde zelebriert; ein managementunfähiger Klub wie die von Christian Deutsch organisierte  SPÖ hat mit dieser Abstimmung einen stolzen Beweis seiner Unfähigkeit geliefert, und das Burgenland, mit dem Frau Grubesa, die stolze steirische Chefin der Wahlkommission* offen sympathisierte, passte sich dem nicht nur an, es tat sein Möglichstes dazu. Insofern haben die beiden nun unterlegenen Fraktionen zu Recht ihre Niederlage ausgefasst.


Ich sehe mit einem gewissen Unbehagen, wie versucht wird, die SPÖ in den Orkus zu reden. Aber mein Unbehagen wird geringer, wenn ich an den Impetus des Andreas Babler denke und an seinen ersten, sehr besonnenen Auftritt als überraschend gewählter Parteiobmann. Die Umstände im Demokratiekaufhaus Österreich sind vielmehr so, dass einen Menschen, der leidenschaftlich und ernsthaft Politik zu machen gedenkt, so ein monumentales Hoppala wie diese Wahlpanne nicht stoppen wird.

Sie war mehr komisch als kosmisch. Auf Andreas Bablers Seite ist noch immer der Schwung eines Mannes, der aus dem Nichts kam (zumindest der Anschein eines solchen Schwungs), und der Menschen mit seiner Leidenschaft rhetorisch mitzureißen versteht. Das werden sie nicht so leicht kleinreden. Sie tun, was sie können, aber das ist bekanntlich nicht viel. Schon schnüren Sie Personalpakete. An den runden Diskussionstischen machen sie aus einer postkatastrophischen Ruinenlandschaft im Handumdrehen ein gemütliches Expedit voller Bakschischversprechen und Tauschhändeln. Wir sind in Österreich, wo das Lachen die Katastrophen immer überdauert, ohne dass bemerkt würde, dass die Katastrophe möglicherweise in der allzu weit verbreiteten Fähigkeit besteht, das Lachen niemals zu verlernen. 


* ursprünglich wurde Frau G. dem Burgenland zugeordnet, was falsch ist. Wurde nachträglich korrigiert.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher    

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