Sie weiß es ganz genau! Zum letzten Tag der Wiener Zeitung, Tag der Affenschande.
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1039

Screenshot © ORF
Ja, sie wissen ganz genau, was Sie tun, auch wenn die Grünen nun eine Phrase aus dem reichhaltigen Wortschatz der Snuologie entdeckt haben, die da lautet: „Sie wissen ganz genau…“ Damit sagt man, dass der andere zwar Recht hat, und dass man es wohl weiß, aber keinesfalls auch nur ein Jota davon zugeben wird, denn man weiß ganz genau, wenn man es zugibt, bleibt es wirklich picken.
Ich hingegen weiß genau, dass es sowieso pickt. Ich wollte einen würdigen Nachruf auf die Wiener Zeitung schreiben, als hätte ich den nicht schon gefühlte sieben Mal geschrieben, las aber dann, dass der gewesene Bundespräsident Heinz Fischer in der heute erscheinenden letzten Ausgabe der Wiener Zeitung nämliches tut, und da ich noch nicht Bundespräsident gewesen bin, überlasse ich ihm gerne das Feld der Würde und konzentriere mich auf das Feld der Würdelosigkeit. Sprich auf ein Interview, das die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, Armin Wolf in der ZiB2 gab.
Sigrid Maurer, von der ich längst schon dachte, es könne doch nicht sein, dass wir unsere grünen Kinder in die Regierung schicken und sie dann als schwarze Politikerinnen zurückbekommen, hat sich für ewige Zeiten den Unehrentitel einer Wiener-Zeitungs-Killerin verdient, und im Interview mit Armin Wolf tat sie alles, um diesen Ruf zu zementieren. Die grüne Abgeordnete Blimlinger, welche die Befreiung des Volkes von der Bürde der Wiener Zeitung mit dessen Befreiung vom Nationalsozialismus verglich, steht Maurer an Verdienst hier nichts nach. Und die Medienministerin Raab, die Feder sträubt sich, ihr dieses Attribut zu gönnen, brach in dieser Causa sowieso alle Rekorde an Verlogenheit.
Nur um es nicht ungesagt zu lassen: Die Republik Österreich hat als Eigentümerin und Herausgeberin der Wiener Zeitung eine besondere Verantwortung für das Blatt, und niemand müsste sich wundern, würde sie deshalb diese eine Zeitung besonders finanzieren. Wäre es der Republik nicht möglich gewesen, sie vollumfänglich zu finanzieren, was angesichts des unkontrollierten COFAG-Geld-Fensterwurfs in der Tat nur mehr lächerlich erscheint, hätte sie durch Fixzusage eines Betrages und durch Fortsetzung ihrer Herausgeberschaft ermöglichen sollen, ja müssen, andere Fortsetzungsmodelle zu finden. Sodass der Satz von Frau Maurer, den sie Armin Wolf zur Antwort gab, als schrille Lüge in unserer Erinnerung forthallt:
„Aber Sie wissen ganz genau, dass es nicht möglich ist, einfach zu sagen, eine einzelne Zeitung im Land kriegt 20 Millionen.“
Ich weiß ganz genau, dass genau das möglich ist, nehmen wir nur die Krone, Österreich und Heute, die jeweils fast an die 20 Mille bekommen haben und weiterhin bekommen werden.
Ich weiß ferner ganz genau, dass auch Frau Maurer das weiß – sagte sie doch zu Herrn Wolf glatt: „Wir haben so viel Geld in privaten Medien wie noch nie zuvor“ –, und dass sie genau weiß, dass es nicht möglich ist, einer Zeitung außer den genannten dreien soviel Geld zukommen zu lassen. Also exekutierte sie im Trio mit Frau Blimlinger und Frau Raab ein Programm, das sie weder entworfen hat noch dessen Implikationen sie versteht. Hauptsache Exekution! Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr in Österreich über Medienpolitik reden wollt.
Am Tag der medienpolitischen Affenschande, des republikanischen Armenbegräbnisses der Wiener Zeitung wird gewiss die Hauptverantwortliche, Frau Raab, am wenigsten dafür zur Verantwortung gezogen.
Als Armin Wolf den letzten Chefredakteur der Wiener Zeitung zitierte, Thomas Seifert, der die Einstellung des Blattes im Standard „einen Akt kulturloser Barbaren“ nannte, wobei Seifert zu Unrecht nicht genderte, aber man wusste ja genau, wer gemeint war, hielt Frau Maurer Wolf entgegen: „Ja, Sie wissen ganz genau, wie die Situation mit der Wiener Zeitung ist. Wir haben uns das nicht ausgesucht, es war vollkommen klar, dass das Ende der Wiener Zeitung oder der Finanzierungsmöglichkeit der Wiener Zeitung, nämlich die Verpflichtung der Unternehmen, dort verpflichtend zu inserieren, irgendwann gekippt werden wird. Das ist jetzt...“
Wir wiederum wissen ganz genau, dass der Vorwand mit den verpflichtenden Inseraten von der Regierung nicht genützt wurde, um ein kreatives Modell für einen Neustart eines möglicherweise richtungsweisenden öffentlich-rechtlichen Printmediums zu nutzen, wir wissen vielmehr ganz genau, dass die genannte Dreieinigkeit der ahnungsvoll ahnungslosen Medienmörderinnen die Gelegenheit nützte, die Wiener Zeitung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufs Uneleganteste und aufs Abgefeimteste loszuwerden.
Wir wissen ganz genau, dass wir uns das merken werden.
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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.
Ihr Armin Thurnher