Elegie auf Werner Korn

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1042

Armin Thurnher
am 06.07.2023
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Bild aus der Sondernummer 40 Jahre Falter, erschienen 2017

Werner Korn, auch dir muss ich nachrufen. Näher kommen die

Einschläge. Du aber! Zwei Jahre jünger als ich! Es waren nicht

viele Jahre, die wir in Nähe verbrachten, aber sie

waren intensiv und wild wie du. Das Spätere sah aus der

Ferne ich, kanns nur mit Respekt berichten, den Echoraum,

den du gegründet, die Schnittstelle, las ich, des „wenig Gehörten,

wenig Gesehenen, wenig Gelesenen.“ Lächeln könnte man,

„Selten gehörte Musik“, ja, diese Phrase fanden stets

lustig wir. Dein Sinn für Humor war sardonisch, du mochtest es

knapp, warst kein Freund vieler Worte. Brückenbauer nennt man dich

jetzt, zwischen Abseits und Publikum, schön, dass du’s nimmer musst hören.

Als in den Falter du kamst, da bautest als erstes du Tische, zu

ordnen die Arbeit der Grafik, die Abläufe strukturierend.

Formlos schien dir das Kollektiv, schwärmerisch tändelnd mit

Zeit, mit eigner und fremder. Du aber warst Architekt, zwar

ohne Diplom, mit umso mehr Kenntnis brachtest du Linie

in unser Tun. Dabei kamst du wirklich von außen, vom Off, da war

kein Kompromiss mit Karrieristen, mit Bürgertalmi und

solchen Niedlichkeiten. Du warst klar und kantig,

risikofreudig auch (wie anders wärst du’s geworden,

Falter-Gesellschafter?). Schön verrückt dafür musste man sein, und du

warst es. Und bliebst es, solange es passte. Trenntest dich locker und

fair. Vier Jahre nur waren’s, les ich in der Biografie, und mir

scheint’s als Jahrzehnt. Straßentheater war es zuvor, das

Bunte in Wiens Straßen bringen, die Arena, versteht sich, dann das

IKUS, charmanter Versuch, die Cultural Studies einzu-

wienern; dann Wean Hearn, schließlich das Lebenswerk Echoraum.

Goldenes Ehrenzeichen Ende Zwanzigzwo, und

wohlverdient war’s für das alles. – Korn, als Veranstalter mögen dich

andere rühmen, ich möchte gedenken der Jahre als Freund und im

Falter. Immer direkt, aber niemals brutal, so habe ich

dich noch im Sinn. Ein Organisator warst du zuerst, aber das

schien dir zu wenig; und darauf sollte keiner dich reduzieren.

Immer war da noch Zeit für den Text, für den großen, von Hermann

Czech bis Otto Wagner brachtest du kompetente

Architektur-Berichte ins Feuilleton, das damals bekanntlich nicht

übel. Und das war dir wichtig, dafür musste Zeit sein; und straff lief die

Zeit dir, eng wie die Jeans, und atemlos wie deine Tschik, und

Ständig standen Idioten im Weg, die du freundlich wegräumtest,

wenn es halt ging. Das leidenschaftliche Streiten nach Feier-

Abend machte mehr Spaß mit dir als mit den meisten. Ich

Hieß dich „Cornetto“, du mich „Rübe Thurnher“, du halfst mir beim

Umbau meiner Wohnung, ich hab noch die Pläne, gezeichnet von

Dir, die Elektrik funktioniert noch nach vierzig Jahren, so

bist du immer bei mir. – Das Tollste war eine Reise nach

Genua. Hansi Hurch war zu etwas Geld gekommen,

hatt’ was geerbt und wollte ein halbes Jahr zu seinem

Bruder. Wir bringen dich hin, sagten Korn und ich, und mit dem

Auto Thereses (Hansis Schwester, meiner Freundin),

einem R 6, ging es auf in den Süden. Die Route war offen,

ungefähr über Triest, Venedig, Padova legten wir’s

an, die Erbschaft war unser Proviant, das Quartier kein

Thema. Auf dem Tronchetto schliefen wir im R 6,

sahen die Leintücher in den Hotels uns nicht an und kosteten

uns durch die Tramezzinibars wie im Rausch; in einem

Landgasthaus zechten wir mit den Kellnern Grappa, bis Hansis

Nerven die Grenze zogen; die Arenakapelle mit Giotto

ging sich noch aus. Wir brachten Hansi zum Bahnhof und

fuhren zurück, fest rauchend, lachend, Musik von dir im

Lautsprecher, Talking Heads, Penguin Café, was in den 80ern

vorn war, du hatt’st es. Diese bedenkenlos lustigen Zeiten, sie

zählen zum Feinsten in meiner Erinnerung, es waren Tage mit

dir, Korn, sie kommen, man sagt so, nicht wieder, aber

so will ich dich erinnern, lachend, rauchend, Musik im

Ohr, ganz ungetrübt lebend im Jetzt auf der Autostrada.

Werner Korn, leb wohl. Für uns kommen härtere Tage.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher 

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