Elegie auf Werner Korn
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1042

Bild aus der Sondernummer 40 Jahre Falter, erschienen 2017
Werner Korn, auch dir muss ich nachrufen. Näher kommen die
Einschläge. Du aber! Zwei Jahre jünger als ich! Es waren nicht
viele Jahre, die wir in Nähe verbrachten, aber sie
waren intensiv und wild wie du. Das Spätere sah aus der
Ferne ich, kanns nur mit Respekt berichten, den Echoraum,
den du gegründet, die Schnittstelle, las ich, des „wenig Gehörten,
wenig Gesehenen, wenig Gelesenen.“ Lächeln könnte man,
„Selten gehörte Musik“, ja, diese Phrase fanden stets
lustig wir. Dein Sinn für Humor war sardonisch, du mochtest es
knapp, warst kein Freund vieler Worte. Brückenbauer nennt man dich
jetzt, zwischen Abseits und Publikum, schön, dass du’s nimmer musst hören.
Als in den Falter du kamst, da bautest als erstes du Tische, zu
ordnen die Arbeit der Grafik, die Abläufe strukturierend.
Formlos schien dir das Kollektiv, schwärmerisch tändelnd mit
Zeit, mit eigner und fremder. Du aber warst Architekt, zwar
ohne Diplom, mit umso mehr Kenntnis brachtest du Linie
in unser Tun. Dabei kamst du wirklich von außen, vom Off, da war
kein Kompromiss mit Karrieristen, mit Bürgertalmi und
solchen Niedlichkeiten. Du warst klar und kantig,
risikofreudig auch (wie anders wärst du’s geworden,
Falter-Gesellschafter?). Schön verrückt dafür musste man sein, und du
warst es. Und bliebst es, solange es passte. Trenntest dich locker und
fair. Vier Jahre nur waren’s, les ich in der Biografie, und mir
scheint’s als Jahrzehnt. Straßentheater war es zuvor, das
Bunte in Wiens Straßen bringen, die Arena, versteht sich, dann das
IKUS, charmanter Versuch, die Cultural Studies einzu-
wienern; dann Wean Hearn, schließlich das Lebenswerk Echoraum.
Goldenes Ehrenzeichen Ende Zwanzigzwo, und
wohlverdient war’s für das alles. – Korn, als Veranstalter mögen dich
andere rühmen, ich möchte gedenken der Jahre als Freund und im
Falter. Immer direkt, aber niemals brutal, so habe ich
dich noch im Sinn. Ein Organisator warst du zuerst, aber das
schien dir zu wenig; und darauf sollte keiner dich reduzieren.
Immer war da noch Zeit für den Text, für den großen, von Hermann
Czech bis Otto Wagner brachtest du kompetente
Architektur-Berichte ins Feuilleton, das damals bekanntlich nicht
übel. Und das war dir wichtig, dafür musste Zeit sein; und straff lief die
Zeit dir, eng wie die Jeans, und atemlos wie deine Tschik, und
Ständig standen Idioten im Weg, die du freundlich wegräumtest,
wenn es halt ging. Das leidenschaftliche Streiten nach Feier-
Abend machte mehr Spaß mit dir als mit den meisten. Ich
Hieß dich „Cornetto“, du mich „Rübe Thurnher“, du halfst mir beim
Umbau meiner Wohnung, ich hab noch die Pläne, gezeichnet von
Dir, die Elektrik funktioniert noch nach vierzig Jahren, so
bist du immer bei mir. – Das Tollste war eine Reise nach
Genua. Hansi Hurch war zu etwas Geld gekommen,
hatt’ was geerbt und wollte ein halbes Jahr zu seinem
Bruder. Wir bringen dich hin, sagten Korn und ich, und mit dem
Auto Thereses (Hansis Schwester, meiner Freundin),
einem R 6, ging es auf in den Süden. Die Route war offen,
ungefähr über Triest, Venedig, Padova legten wir’s
an, die Erbschaft war unser Proviant, das Quartier kein
Thema. Auf dem Tronchetto schliefen wir im R 6,
sahen die Leintücher in den Hotels uns nicht an und kosteten
uns durch die Tramezzinibars wie im Rausch; in einem
Landgasthaus zechten wir mit den Kellnern Grappa, bis Hansis
Nerven die Grenze zogen; die Arenakapelle mit Giotto
ging sich noch aus. Wir brachten Hansi zum Bahnhof und
fuhren zurück, fest rauchend, lachend, Musik von dir im
Lautsprecher, Talking Heads, Penguin Café, was in den 80ern
vorn war, du hatt’st es. Diese bedenkenlos lustigen Zeiten, sie
zählen zum Feinsten in meiner Erinnerung, es waren Tage mit
dir, Korn, sie kommen, man sagt so, nicht wieder, aber
so will ich dich erinnern, lachend, rauchend, Musik im
Ohr, ganz ungetrübt lebend im Jetzt auf der Autostrada.
Werner Korn, leb wohl. Für uns kommen härtere Tage.
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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.
Ihr Armin Thurnher