Recht aufs Fleisch
Kommentar: Der Tod von Marcus O. zeigt: Staatliche Strafgewalt kann sich vom Zusatz körperlichen Schmerzes nicht lösen.
Es ist ein Uhr früh. Die Besatzung des Streifenwagens BP 146 braucht Stärkung. Sie parkt den Dienstwagen vor dem Lokal "Salz und Pfeffer". Zu stürmisch: Der Wagen donnert gegen ein Fahrrad. Es verkeilt sich in der Stoßstange. Kann passieren. Die Besatzung steigt aus, löst das Rad von der Stoßstange, verflucht es lautstark ("Scheiß-Radl!"), wirft es unter lautem Geschepper hin und geht ins "Salz und Pfeffer". Ein Anrainer wird aufmerksam und beobachtet die Szene: Nach dem Lokalbesuch besteigen die Polizisten ihren Wagen und brausen davon. Der Zeuge hinterlegt am Fahrrad Visitenkarte und eine Notiz: "Rufen Sie mich an!" Die Visitenkarte verschwindet. Er hinterlegt eine neue - die Karte verschwindet. Beim dritten Mal hinterlegt er sie in einem Plastiksack. Der wird aufgerissen, die Karte verschwunden. Niemand meldet sich. Das Fahrrad steht eine Woche herum. Der Zeuge meldet sich beim Falter. "Wir schauen uns den Akt durch", verspricht ein Polizeibeamter gegenüber dem Falter. Er telefoniert aufs Kommissariat. Ein paar Stunden später ruft ein "Herr Müller" den Zeugen an. Müller ist aufgeregt, seine Stimme verzerrt: "Die Sache ist erledigt, der Schaden ist ersetzt." "Woher", wundert sich der Zeuge, "hat die Polizei Müllers Nummer?" Und wer ist Herr Müller? Der Fahrradbesitzer ist Herr Müller jedenfalls nicht. Kurz nach ihm meldet sich Frau K. und bedankt sich für die zwei Visitenkarten. Das Fahrrad gehört ihrer Schwester. Frau K. will Anzeige wegen Fahrerflucht erstatten. Der Zeuge wird mittels telefonischer Rufdatenerfassung Herrn Müller ausforschen. Vielleicht ist Herr Müller ja sogar von Beruf Polizist?
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