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Der Sommer ist die angenehmste Jahreszeit, um im Kaffeehaus zu sitzen. Die Masse hat die Gastgärten geentert und so hat man alle Zeit der Welt, sich den besten Tisch zu suchen. Weil man gern die Straße im Auge hat, wählt man jenen Fensterplatz, der zu jeder anderen Jahreszeit so schwer zu kriegen ist wie ein Last-Minute-Flug von Schwechat nach Ulan Bator.
Doch kaum hat man begonnen, die Seele baumeln zu lassen, passiert es: Ein gut angezogener Mann in den frühen Dreißigern stürmt die Eingangstür, taxiert die Lage - und steuert zielsicher den soeben erfolgreich in Beschlag genommenen Tisch an. Ob er Platz nehmen dürfe, fragt er höflich, aber eine Spur zu bestimmt. Was soll das? Kein Mensch weit und breit und der muss sich ausgerechnet hierher platzen? Die grausame Erkenntnis lässt nicht auf sich warten. Routiniert fördert der Eindringling ein Aufladegerät zutage. So schnell, als gelte es im letzten Moment eine Bombe zu entschärfen, wird das Mobiltelefon in die Steckdose geschoben - die einzige öffentlich zugängliche im ganzen Lokal, wie einem erst jetzt klar wird.
Cafetiers, Kaffeehausbesucher, Wiener: Seid auf der Hut. Eine neue Spezies geht um. Dankbarkeit ist ihr ebenso fremd wie Schamgefühl. Stromschnorrer anerkennen nur ein Dogma: Das des Saftes, der nie ausgehen darf. K. S.