SPIELPLAN

KARIN CERNY
Kultur, FALTER 15/02 vom 10.04.2002

Frühlingserwachen in Wien. Oder soll man sagen: Herbstzeitlose? Schließlich hat auch der Mensch über fünfzig ein Liebesleben, und hat er keines, dann wird es Zeit, dass er eines bekommt. Zumindest in der Boulevardkomödie, die zwar noch nicht den Swingerclub, dafür aber die Menage à trois kennt, bleibt niemand Single: ein Lokalaugenschein in Theatern, die vom Falter sonst eher vernachlässigt werden. Das Theater Tribüne im Keller des Café Landtmann etwa versprüht den welken Charme des Bellaria Kinos. "EiferSucht", ein Frauenstück von Esther Vilar, geht aber erstaunlich direkt zur Sache. Zu einem Song von Cora Frost ziehen zwei Damen ihre Waffen: die ältere, erfolgreiche Geschäftsfrau zückt ihr Handy, die jüngere führt ihre Reizwäsche vor. Keine Frage: Der Ehemann der Ersteren entscheidet sich für das Angebot der Zweiten, die nur ein paar Stockwerke höher wohnt. Daraus entwickelt sich per Fax ein bissiges Wortduell der Rivalinnen, letztendlich sogar eine Art Freundschaft. Gegen Ende stößt eine noch jüngere Yoga-Lehrerin dazu - nur der Mann ist natürlich nie zu sehen. Ein erstaunlich gewitzter, von Christine Wipplinger zügig inszenierter Abend. So lässt es sich gut alt werden.

  Nach langen Querelen hat die Freie Bühne Wieden - ein kurioses Theater mit verspiegeltem Café und einer Devotionalienecke mit Fotos der Gründerin Topsy Küppers - seit Anfang des Jahres mit Gerald Szyszkowitz einen neuen Direktor. "Ich weiß auf der Wieden ein kleines Hotel", geschrieben und inszeniert vom Chef persönlich, ist so konstruiert wie sein Titel: Eine Konzertmanagerin, die sieben Liebhaber hat (die sieben Zwerge), legt ihren Schneewittchenkomplex am Ende für einen erfolglosen Dramatiker ab. Routiniert, aber mit praktisch null Figurenentwicklung schnurrt eine Komödie ab, die an Fernsehserien in ihrem dekadenten Stadium erinnert: Die Dosis an Abstrusem muss gesteigert werden, familienfreundlich bleibt man trotzdem. Leider macht diese Form von Routine alt.

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