FERNSEHEN

JULIA ORTNER
Medien, FALTER 40/03 vom 01.10.2003

Jetzt haben wir den Pseudo-Echtzeittag von "24" hinter uns gebracht und selten wurden wir in einer Serie dermaßen mit dem Thema "Nicht ohne meine Familie" genervt. Denn im Endeffekt geht es die ganze Zeit nicht um böse Terroristen oder den Überwachungsstaat oder um das Individuum, hineingeworfen in eine unsichere Welt - sondern vor allem darum, dass Agent Jack Bauer und Senator David Palmer ihre Familien krampfhaft zusammenhalten, beziehungsweise lieben wollen. Familiäre Strukturen, die hinter der Fassade eh schon lange nicht mehr funktionieren, Beziehungen, die auf Lügen, Betrug, Angst und gemeinsamem Ehrgeiz basieren, wollen in "24" trotzdem dauernd gerettet werden. "Wir werden das schaffen, wir sind eine Familie", "Ich muss das für unsere Familie tun" etc. - die ständigen Aufrufe an den guten amerikanischen Familiensinn machen die als innovativ hochgelobte Serie zum konventionellen Hochglanzfernsehen. Da haben ja sogar die "Waltons" weniger von Familienliebe gequatscht. Die "24"-Helden geben erst Ruhe, wenn sie wieder in ihrer gewohnten Familien-Hölle hocken - als Identifikationsmodell für viele vielleicht das eigentliche Erfolgsgeheimnis von "24".

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