STADTRAND

Geisterbahn Lerchenfeld

Stadtleben, FALTER 49/03 vom 03.12.2003

Früher, als es noch "Westberlin" und die "Hauptstadt der DDR" gab, war Berlin zwar politisch getrennt, unterirdisch fand jedoch eine Art Durchdringung der Zonen statt. U-Bahnen aus dem Westen verkehrten nämlich auch nach dem Bau der Mauer im Osten der Stadt - allerdings waren die U-Bahnhöfe in Ostberlin stillgelegt, abgedunkelt und verrammelt. Wenn die Bahnen die Geisterbahnhöfe durchfuhren, drosselten die Schaffner das Tempo, und wer kein Berlin-Profi war, schaute durchs Abteilfenster auf die verlassenen Bahnsteige, in der Hoffnung, irgendetwas Geheimnisvolles zu erspähen. Manchmal sah man sogar bewaffnete Grenzsoldaten, die aufpassten, dass kein DDR-Bürger heimlich zustieg oder so. Mittlerweile wurden die stillgelegten Stationen reanimiert, keiner schaut mehr. Was das mit Wien zu tun hat? Seit einiger Zeit besitzt Wien so einen Geisterbahnhof. Nachdem die Station Lerchenfelder Straße aufgelöst wurde, fährt die U2 - ebenfalls mit gedrosseltem Tempo - durch die dunkle Station. Am Anfang schauten die Passagiere immer noch neugierig, obs da nicht was zu sehen gibt. Inzwischen interessiert sich niemand mehr für den verlassenen Bahnsteig. Schließlich sind wir Profis. Und bald soll die Station komplett demontiert werden. Eigentlich schade. C. W.

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