Mythos mit Wetterfleck
Hanns Koren wäre heuer hundert Jahre alt geworden. Mit dem eigens ausgerufenen „Hanns Koren Bedenkjahr“ wird der bedeutendste Kulturpolitiker der Steiermark vor allem als Modernisierer gewürdigt. Dabei weist die Person Hanns Koren auch andere Facetten auf, die einige Kratzer am Mythenglanz hinterlassen.
Im Dezember 1975 gab Hanns Koren einen großen Auftritt im Grazer Landtag. Anlass war die Uraufführung von Wolfgang Bauers Stück „Die Gespenster“ beim steirischen herbst, bei der die Darstellung des zerstörerischen Spiels junger Leute einen Skandal auslöste. Sogar die Abschaffung des Avantgardefestivals wurde gefordert. In der Landtagssitzung kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Als auch ein ÖVP-Abgeordneter gegen das Festival wetterte, trat Hanns Koren ans Rednerpult und hielt eine denkwürdige Brandrede für die avancierte Kunst. Er erklärte sich durchaus nicht einverstanden mit dem, was Bauer auf provokante Weise dargestellt hatte, aber die Zeiten der Zensur seien vorbei. „Was auf der Bühne geschieht, ist nicht Wirklichkeit, sondern die Darstellung von Wirklichkeit“, klärte er die Politkollegen auf. Damals war das noch nicht selbstverständlich. Der steirische herbst wurde schließlich, auch dank des Engagements von Koren, nicht abgeschafft, und Koren festigte ein weiteres Mal seinen Ruf als vehementer Verteidiger der Avantgarde.
Heute noch gilt Hanns Koren als jener Mann, dem das Kulturland Steiermark die Öffnung zur Moderne zu verdanken hat. Er war es, auf dessen Initiative hin die Kunst- und Kulturszene prägende Einrichtungen wie der steirische herbst, die Trigon-Ausstellungen, das Forum Stadtpark, die Steirische Akademie, die Landesausstellungen oder auch das Freilichtmuseum Stübing ins Leben gerufen wurden. Ohne den ÖVP-Kulturlandesrat (von 1957 bis 1970) und Landtagspräsidenten (von 1970 bis 1983) wären diese Initiativen und Institutionen nicht denkbar gewesen. So unterstützte Koren Ende der Fünfzigerjahre gegen heftigen Widerstand die experimentierfreudige Gruppe um Günther Waldorf bei der Anmietung des alten Stadtpark-Cafés, das ab 1960 als Forum Stadtpark zum internationalen Aushängeschild für neue Kunst wurde. Ähnlich initiativ wirkte Koren bei der Gründung des steirischen herbstes, der aus den Grazer Sommerspielen, Trigon und dem Literatursymposion hervorging.
Selbst für die politische Konkurrenz stehen die Leistungen Korens heute außer Streit. Für die ÖVP hat er ohnehin eine jahrzehntelange Hegemonie im Kulturbereich mitbegründet. Aber auch Kulturlandesrat Kurt Flecker (SPÖ) staunt noch über Korens „Verwurzelung und Liberalität“ und würdigt ihn als einen „der Großen“, der den Mut hatte „Altes aufzubrechen, um neue Entwicklungen geschehen zu lassen, nicht aus Geschmack, sondern aus Prinzip“.