„Wir lügen uns in den Sack“
Erhard Busek, einst Vizekanzler, jetzt EU-Koordinator für Südosteuropa, über die schizophrenen Österreicher, die hinderlichen Prinzipien des Bundespräsidenten, den fehlenden Mut zu Neuwahlen, das führungslose Europa und die armen Hunde auf Zypern.
Früher war Erhard Busek Anhänger der großen Koalition – „ohne Wenn und Aber“. Heute erwartet der 65-Jährige von einer rot-schwarzen Liaison nichts Gutes: „Ich befürchte herzlich wenig inhaltliche Substanz.“ Dazwischen liegen zwölf bewegte Jahre. Nach 13 Jahren als Wiener ÖVP-Chef steigt Busek Anfang der Neunziger zum Bundesparteiobmann und Vizekanzler auf. Zum Jahreswechsel 94/95 der jähe Absturz: Als Folge einer Wahlniederlage muss er Wolfgang Schüssel Platz machen. Die Partei ruft ihn erst wieder zur Zeit der EU-Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung und macht ihn zum Osterweiterungsbeauftragten. Nun werkt Busek für die EU als vielreisender Koordinator des Stabilitätspaktes für Osteuropa. Beim jüngsten Zwischenstopp in Wien wickelte Busek seine Termine im Café Imperial ab – und empfing unter anderen den Falter.
Falter: Es ist Sonntag, neun Uhr morgens. Warum sind Sie nicht in der Kirche?
Erhard Busek: Weil ich gestern Abend war. Meiner eigenen Tradition wegen bin ich ein Samstagabendmesse-Mensch. In den Sechzigern haben wir bei der Katholischen Mittelschul- und Hochschuljugend dafür gekämpft, dass die Vigil, wie der Abendgottesdienst liturgisch heißt, akzeptiert wird. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil war die Sonntagspflicht ausschließlich sonntags zu erfüllen. Dabei heißt es ja „heiliges Abendmahl“ und nicht „heiliges Frühstück“.