Der Herr des Schubs
Geschluckte Rasierklingen, Hungerstreiks, Selbstmorde: Die Schubhaft ist unmenschlich, sagen Menschenrechtsorganisationen. Sie fordern ein Ende des Einsperrens von Asylwerbern. Was aber denkt der Kommandant Josef Zinsberger?
„Ein Drama“, sagt Caritas-Chef Franz Küberl. Eine „widerwärtige, menschenverachtende und grausliche Politik“, ergänzt Österreichs Amnesty-International-Generalsekretär Heinz Patzelt. Vergangenen Montag versammelten sich die Vertreter von Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsorganisationen und forderten wieder einmal ein Ende der Schubhaft für Asylwerber. Diese sei „menschenrechtlich unerträglich“. Denn „Flucht ist kein Verbrechen“, meint auch Michael Chalupka, Direktor der Diakonie.
Von all dem unbeeindruckt, ist Kommandant Josef Zinsberger wieder einmal von Stockerau nach Wien gependelt. Nun versieht er in seiner blauen Uniform auf der Roßauer Lände seinen Dienst. Der Gürtel mit der Schusswaffe liegt im Spind, denn im „Gesperre“, dort, wo die Häftlinge sind, darf nur Pfefferspray verwendet werden. Vor zwölf Jahren hat sich der Polizist von der Spezialeinheit Wega, bei der er Gruppenkommandant war, verabschiedet und ist in den „Schub“ auf der Roßauer Lände gewechselt. Seit elf Jahren leitet der Oberst die beiden „Polizeianhaltezentren“ auf der Roßauer Lände und am Hernalser Gürtel, wo momentan 210 Männer und 33 Frauen in der Schubhaft sitzen. „Es war eine spannende Herausforderung“, sagt Zinsberger. Wer 1995 durch die Schubhaftgefängnisse ging, habe gleich erkannt, dass sich etwas ändern müsse. Das Gebäude war baulich darnieder, es gab Probleme mit den Amtsärzten und immer wieder Skandalartikel in den Zeitungen. Zinsberger dachte sich: „Hoppla, da kannst etwas verändern!“
Jetzt hat sich einiges geändert – zumindest äußerlich: Die Wände sind frisch ausgemalt, die Bettdecken glatt gestrichen, der Duschraum sauber aufgewischt, und an den Türen hängen Plüschtiere und Poster aus Modemagazinen. Morgens um sieben Uhr früh wird geduscht, „und wenn es so heiß ist wie jetzt, drehen wir den Damen auch gerne am Nachmittag die Duschen auf“, erzählt die junge Beamtin mit dem großen Schlüsselbund. Wer Wiens Schubhaftgefängnisse vor einigen Jahren besuchte, hat den Gestank noch in der Nase. Die Fenster waren verdreckt, die Zellen schmutzig und abgewohnt, der Putz bröckelte von den Wänden, die Toiletten waren oft kotverschmiert. Wenige Jahre später schauen auch andere Staaten staunend auf Wiens „Polizeianhaltezentren“. Zinsberger hält im Auftrag der Austrian Development Agency Vorträge zum Thema „Anhaltewesen und Menschenrechte“ in EU-Erweiterungsländern und Balkanstaaten. Manchmal sei es schwierig, keine Gefühle zu verletzen, sagt Zinsberger. Etwa wenn er mit Fotos aus der modern sanierten Schubhaft zu den Beamten in ärmeren Ländern reist, wo die eigenen Badezimmer weniger schön aussähen als eine Schubhaftzelle.