Kritik von links
"Niemand hat's gelesen"
Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz erklärt, weshalb sie den EU-Reformvertrag ablehnt.
Falter: Wieso demonstrieren Sie gegen den EU-Vertrag?
Marlene Streeruwitz: Ich als Autorin weiß, was 500 Seiten Text bedeuten, und war vergangenen Samstag als Literaturkritikerin auf der Demonstration. Der EU-Vertrag ist die Bauanleitung für all die Romane, die wir alle leben müssen, kann aber nicht interpretiert werden, weil er in einer unlesbaren Managementsprache verfasst ist.
Haben Sie den Vertrag gelesen?
Den hat niemand gelesen. Auf 500 Seiten einen konkreten Inhalt herauszufiltern ist so schwer, dass dieser Vertrag nur der Macht dienen wird, das durchzusetzen, was sie gerade will.
Auf der Demonstration wurde die Grünikone Freda Meissner-Blau ausgebuht, weil sie ein kritisches Wort gegen die "Krone" gesagt hat. Sind das die Leute, mit denen Sie auf die Straße gehen wollen?
Ich gehe nicht mit ihnen auf die Straße, ich habe mit Attac zu dieser Demonstration aufgerufen. Die Reaktionen waren durchaus differenziert. Ich hatte zum Beispiel ein Erlebnis mit Bikern. Die regten sich auf über ein Lied von Konstantin Wecker, in dem die sogenannte Auschwitz-Lüge vorkommt. Ich habe gefragt, was ihnen nicht passt, und ein Mann im schwarzen Leder sagte: "Das mit dem Hitler ist mir wuarscht, aber ich will nicht, dass meine Kinder in den Krieg ziehen müssen." Es geht also nicht so einfach, übereinander zu urteilen.
Ist es richtig, mit Jörg Haider, Heinz Christian Strache und Hans Dichand gemeinsame Sache zu machen?
Das ist genau der Punkt, der demokratisches Reden in Österreich verhindert. Ich bin gegen diese EU-Aufrüstungsagentur, ich bin gegen die geplante Neuimplementierung des Kalten Kriegs. Wenn Sie argumentieren, dass solche Themen nicht angreifbar sind, nur weil ein Herr Haider sich dessen bemächtigt, dann sind Sie bereits dem Autoritären verfallen.
Interview: Nina Horaczek