Flüchtlingsflut im Land der Dämme
Mit seinen Thesen zur Migration schockierte Paul Scheffer die Niederlande. Auch sein Buch zum Thema ist unbequem
Text: Stefan Löffler
Paul Scheffers im Januar 2000 in der niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad erschienene Polemik „Het multiculturele drama“ rüttelte ein ganzes Land wach. „So energisch die Niederlande der sozialen Frage von einst zu Leib gerückt sind, so gelassen reagieren wir nun auf das Zurückbleiben ganzer Generationen von Zugezogenen und das Entstehen einer ethnischen Unterschicht“, klagte der Soziologe und Publizist. Die Folgen einer zu nachlässigen Einwanderungs- und Integrationspolitik bedeuteten seiner Meinung nach „die größte Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden“.
Seine Kritik zielte auf Multikulturalisten und selbsterklärte Kosmopoliten ab, die Einwanderung eindimensional als Bereicherung darstellten und die Wahrnehmung ihrer Schattenseiten durch Teile der Bevölkerung als rassistisch motiviert abtaten. Scheffer sah darin auch eine für seine Landsleute typische Konfliktscheu. Unangenehme Fragen wurden vermieden, etwa wie die Gesellschaft damit umgehen sollte, dass viele Einwanderer äußerst rückschrittliche Vorstellungen von Familie, der Stellung der Frau oder auch zur Homosexualität mitbringen. Statt sich mit dem kulturellen Hintergrund der zwei größten Einwanderergruppen aus Marokko und der Türkei auseinanderzusetzen, wurde der Islam gedrängt, sich in eigenen Institutionen und Medien zu organisieren, ohne zu überlegen, ob diese Lösung weltanschaulicher Differenzen noch in die Zeit passte.