Boulevardeskes Drama, nüchterner Horrortrip
Kritik
Speed kills: "Die Mountainbiker" Russischer Hannibal Lecter: "Juli"
Das Schauspielhaus beginnt die Saison mit Neuproduktionen im Wochentakt. Premiere Nummer zwei: "Die Mountainbiker" vom 32-jährigen Österreicher Volker Schmidt, angesiedelt im Vorstadt-Villenmilieu, das normalerweise eher von Fernsehkrimiautoren als von jungen Dramatikern bespielt wird. Zwischen drei Paaren konstruiert der Autor ein dicht gewobenes Beziehungsgeflecht, wobei nicht zuletzt der Umstand, dass einer der Protagonisten Gynäkologe von Beruf ist, für groteske Situationen sorgt. Dass es sich bei der österreichischen Erstaufführung im Schauspielhaus um eine sogenannte Skizze (kein Bühnenbild, wenig Probenzeit) handelt, schadet nicht, eher im Gegenteil. Regisseur Alexander Charim und das momentan beste Ensemble der Stadt fetzen mit Höchstgeschwindigkeit durch das Gesellschaftsdrama, das hier fast als Boulevardkomödie rüberkommt - ohne dass die Figuren an die nächstbeste Pointe verraten würden.Eine der lebendigsten und witzigsten Theaterstunden, die es in Wien derzeit zu erleben gibt.
Premiere Nummer drei: "Juli" vom 34-jährigen Russen Iwan Wyrypajew. Held des Monologs ist ein russischer Hannibal Lecter; ein Psychopath, der auf dem Weg ins Irrenhaus drei Menschen (und zwei Hunde) tötet. Nachdem bei den Festwochen im Schauspielhaus die Originalversion gastiert hatte, inszenierte der Filmregisseur Florian Flicker nun die deutsche Fassung. Der unsentimentale Text wird, das ist vom Autor vorgesehen, einer Frau in den Mund gelegt: In Wien findet Bettina Kerl den richtigen, weil "trockenen" Ton, insgesamt meistert sie die schwierige Aufgabe ziemlich gut. Dem Regisseur wird von manchen Kritikern vorgeworfen, zu wenig inszeniert zu haben. Es stimmt schon: Die längste Zeit steht Kerl nur vor dem roten Vorhang. Aber ist das nicht ein wunderschönes Bild, wie aus einem Lynch-Film? Nein, das passt schon so.
Nächste Vorstellungen: Sa 20.00 ("Die Mountainbiker") bzw. Di 20.00 ("Juli")