Der Wahnsinn macht so müde
steirischer herbst, die dritte Woche: Wir fressen Torte, wir saufen Schnaps
Tagebuch: Thomas Wolkinger
Der Mittwoch. Das nächste Marathonprojekt an der Grenze des Irrsinns: Nachdem gerade erst Signa ihre psychiatrische Anstalt im Festivalzentrum nach zehn Tagen Nonstop-Betrieb geschlossen haben, geht nun fritzpunkt ans Werk. 7 Theatermacher lesen 1 Roman mit 3305 Seiten in 11 Tagen und 11 Nächten. Quersumme: 23. Na also.
Was der herbst-Besucher davon hat? Der kann im Medienkunstlabor, das zu einer Art Messie-Terrarium umgebaut wurde, sechs Mitgliedern des Kollektivs, das sich vor Jahren schon ganz der Aneignung des Literaturuniversums von Marianne Fritz verschrieben hat, beim Lesen, Haferflocken-Essen und Warten zuschauen. Hören tut man sie nicht. Zum Hören gibt es Kopfhörer. Und über die wird übertragen, wie sich das siebente fritzpunkt-Mitglied gerade durch Marianne Fritz' Roman "Dessen Sprache du nicht verstehst" liest. Dies ist wiederum nicht zu sehen, weil das Buch beim Stadtwandeln - laut in ein Mobiltelefon gesprochen - erlesen wird. Klingt kompliziert, erschließt sich auch nicht leichter, wenn man vor Ort ist. Wer sich nicht auskennt, liest einfach in den aktuellen manuskripten nach, die zu einem Teil der 1948 in Weiz geborenen Schriftstellerin und ihrem zehntausendseitigen literarischen Festungsprojekt gewidmet sind. ",Die Festung'", schreibt sie dort, "ist eine psychiatrische Anstalt."