Hundert Jahre Zeitausgleich

Befindlichkeitskolumne

Steiermark, FALTER 43/2008 vom 22.10.2008

Dramatiker Johannes Schrettle ist zwar kaum in Graz, dennoch weiß er immer was von dort zu berichten

Eine sehr nachdenkliche Kolumne für Österreich

Es wird auch der Radsport nie mehr derselbe sein. Kärnten wird nicht mehr dasselbe sein, das Bankenwesen wird nicht mehr dasselbe sein, ja: Auch die Medien werden nicht mehr dieselben sein (das fängt schon damit an, dass man merkt, dass man manche Dinge echt gar nicht lesen will, echt nicht), und Island wird auch nie mehr dasselbe sein. Noch immer ziemlich dasselbe sein werden aber Alkoholräusche. Es ist eine gute Droge, keine Frage, sie verbindet Kopf und Körper in einem Meer aus sanftem, süßen Schmerz, und man sieht danach besser aus als vorher. Ebenso nicht verändern wird sich das Gefühl, wenn man sich mit seiner Hose auf einen Betonsockel setzt, auf dem eine frische Regenpfütze ist. Die Feuchtigkeit geht in null Komma nichts durch den Jeansstoff und verteilt sich auf der kalten Haut des Gesäßes, und man kann das abstoßend, unangenehm und gesundheitsgefährdend finden oder auch erfrischend, erhebend und anregend. Man kann darüber aber nicht streiten, es handelt sich nämlich um eine Intimzone. Auf gar keinen Fall kann man solche intimen Empfindungen zur Grundlage von Politik machen. Einigen wir uns in einem Schulterschluss darauf, unsere Empfindungen, wenn unser Arsch nass ist, wenn wir in den Morgenstunden durch die Herrengasse flanieren, wenn wir die Hymne hören und so weiter, für die intimsten Stunden aufzusparen. Es wird dann auch der Sex besser sein.

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