Der Mord an einem einst gefeierten Journalisten gefährdet nun Kroatiens EU-Beitritt

Medien, FALTER 44/2008 vom 29.10.2008

Bericht: Herwig Höller

Die Ermordung des bekannten kroatischen Medienunternehmers und Journalisten Ivo Pukanic´ schockt Kroatien. Es war der erste Mord an einem Journalisten seit dem Krieg der 90er-Jahre. "Das Attentat ist der schwerste Rückschlag für Kroatiens Bemühen um Mitgliedschaft in der EU", meint Österreichs EU-Abgeordneter Hannes Swoboda (SPÖ).

Wer ist das Opfer? 2004 wurde Pukanic´ noch für ein Interview ausgezeichnet, das er mit dem damals flüchtigen General Ante Gotovina geführt hatte. Zuletzt galt Pukanic´ als einer der umstrittensten Journalisten Kroatiens. Das von ihm herausgegebene Wochenmagazin Nacional war nur noch mit Vorsicht zu lesen. Vor wenigen Monaten ließ Pukanic´ im Zuge seines Ehekriegs sogar psychiatrische Akten seiner Gattin publizieren.

Der Journalistenverband schloss ihn wegen solcher Artikel aus. Als im April in Zagreb auf ihn geschossen wurde, interpretierten dies viele als inszenierten Ablenkungsversuch. "Pukanic´ war das Opfer, aber die Medien haben ihn als Verschwörer gezeigt", klagt die Homepage von Nacional nun an. "Man muss mich umbringen, dann wären die Journalisten zufrieden und hätten was zu schreiben", habe Pukanic´ damals gemeint.

Nun wird über die Hintermänner des Auftragsmordes spekuliert: Da wäre etwa der serbische "Zemun-Klan", der auch hinter dem Mord am serbischen Premier Zoran Djindjic´ 2003 steht. Weiters unter Verdacht: die montenegrinische Zigarettenmafia und das Umfeld des ehemaligen kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman. Auch über einen Zusammenhang mit dem jüngst aus Österreich ausgelieferten Ex-Vizeverteidigungsminister Vladimir Zagorec wird spekuliert. Bereits vor wenigen Wochen war eine Tochter des Zagorec-Anwalts von einem Auftragskiller erschossen worden. Damals wurde eine Professionalisierung der Polizeiarbeit angeordnet, der legendäre Ermittler Vladimir Faber zum neuen Polizeichef des Landes ernannt. Für Pukanic´, der zuletzt nicht mehr unter Polizeischutz stand, kam diese Reform zu spät.

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