Kampf der Störenfriede: Jesus Christus Erlöser
Neu im Kino
Klaus Kinski, der unerlöste Erlöser
Es muss unheimlich schwer sein, eineinhalb Stunden lang ruhig zu sein", ätzt ein abgekämpfter Klaus Kinski in der Nacht des 20. November 1971. Dreimal hat er zu diesem Zeitpunkt schon seinen Auftritt in der Berliner Deutschlandhalle abgebrochen, aus Protest gegen das großteils linksstudentische "Scheiß-Gesindel", das seinen Textvortrag mit Zwischenrufen unterlaufen und ihn zu tobenden Gegenattacken provoziert hat. Es ist der Premierenabend von Kinskis geplanter "Jesus Christus Erlöser"-Tour - und der vorletzte Bühnenauftritt, den der vielleicht prominenteste Rezitator deutscher Zunge je absolvieren wird. Aus dem bestehenden Ton- und Filmmaterial dieses Abends hat Kinskis Nachlassverwalter Peter Geyer einen kompakten, unkommentierten 84-Minüter gebastelt. Von Interesse ist sein "Jesus Christus Erlöser"-Mitschnitt nicht nur (qua Starverwertung) als rares Livedokument eines begnadeten Selbstgroßdarstellers oder (qua 68er-Bashing) als Zeitzeugnis linken Gesinnungsterrors. Der Streit zwischen der Störenfried-Autorität Kinski und den antiautoritären Störenfrieden im Auditorium ist vor allem ein exemplarisch irrwitziges Duell um pop- und gegenkulturelle Deutungshoheiten und Authentizitätsansprüche: Zeitgerecht interpretiert Kinskis selbst verfasster Monolog Jesus als revolutionären Außenseiter. Es ist gerade nicht diese Auslegung, sondern Kinskis Recht dazu, das von den Zwischenrufern mit den bis heute geläufigen Floskeln ("Der hat doch schon seine Million!") bestritten wird, während er sich im Gegenzug immer heftiger und absurder in die Rolle des Mahners und Märtyrers ("Wehe euch!!!") hineinsteigert. Sehenswert.
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