Muss das Fernsehen genauso blöd sein wie seine Zuseher?

Kultur und Television

Falter & Meinung, FALTER 44/2008 vom 29.10.2008

Auf die Bestätigung der Auffassung, dass Fernsehen "Blödsinn" sei - wie Marcel Reich-Ranicki bei der Gala zum Deutschen Fernsehpreis bündig formulierte, den er dann auch prompt ablehnte -, musste man nicht lange warten: Das infolge des Eklats anberaumte und ausgestrahlte bilaterale Gipfeltreffen von Hoch- und Tiefkultur war sehr verzichtbar. Der ewige Grumpy Old Man der deutschen Literaturkritik und das ewige Goldbärchen Thomas Gottschalk boten weder Kultur noch Unterhaltung. Überraschend war allenfalls, wie uninspiriert Reich-Ranicki sein Gemecker gegen das Heer der Ahnungslosen vorbrachte und dass sich Gottschalk als melancholischer Clown im Schatten der Quotenknute präsentierte: Eigentlich, so ahnte man, würde der ja den Sendeplatz für "Wetten, dass ...?" sofort für die Übertragung von Stockhausen-Opern räumen, aber leider - der böse Abschaltreflex!

Dabei sitzen die beiden neuen Duz-Spezln demselben Irrtum auf: dass Fernsehen eine Art Hohlgefäß sei, in das man in der besten aller Welten natürlich Hochkultur füllen müsste. Nun ist nichts gegen Literatursendungen und gelegentliche Opernübertragungen zu sagen (von mir aus sogar Theater), aber dafür gibt es eigentlich bessere Medien. Man braucht nur auf die Blüte der Serienkultur zu blicken, die das angloamerikanische TV in den letzten Jahren hervorgebracht hat, um einzusehen, dass Fernsehen nicht eo ipso schon Blödsinn ist. Es müsste nur arroganter werden, sprich, an (s)eine Sache glauben und nicht jede Entscheidung ans Zapp-Verhalten des Publikums delegieren. Dann nämlich funktioniert das Fernsehen wie Jörg Haider: Es holt das Schlimmste aus den Leuten, weil die es so wollen - weil sie es nicht besser wissen.

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