70 Jahre Novemberpogrom: Rückkehr in die Vorstadt
Die Ausstellung Das Dreieck meiner Kindheit im 15. Bezirk
Im Jahr 1980 kehrte Zwi Nevet zum ersten Mal in seine Geburtsstadt Wien zurück. 28 Jahre davor war er, heute 83, nach Israel geflohen. Dort plante er Schulen und Kindergärten. 1980 stand er vor seiner alten Wiener Haustür und unterhielt sich mit dem neuen Besitzer per Gegensprechanlage.
Katharina Merkel, 84, floh 1939 von Wien nach Dänemark. Dort arbeitete sie bei einem Arzt als Dienstmädchen. Sie erzählt heute, wie sie sich fürchtete, als sie einer Gruppe deutscher Offiziere servieren musste, die beim Arzt zu Gast waren. Nach der Besetzung Dänemarks durch Hitlerdeutschland floh Merkel nach Israel.
Zwi Nevet und Katharina Merkel stammen beide aus demselben Grätzel in Rudolfsheim-Fünfhaus. Zwischen einem Gemeindehaus in der Herklotzgasse, einer nahen jüdischen Schule und einem Tempel hatte sich bis zum Einmarsch Hitlers reges jüdisches Leben entwickelt.
Von all dem ahnten Michael Kofler und Judith Pühringer, zwei junge Sozialarbeiter, nichts. Vor drei Jahren gründeten sie im ehemaligen Gemeindehaus Herklotzgasse eine Bürogemeinschaft. Zufälle weckten ihr Interesse an der Geschichte des Gebäudes. Gemeinsam mit dem Historiker Georg Traska begannen sie Material zu sammeln und flogen nach Israel, um Zeitzeugen zu interviewen.
Jetzt stehen Zwi Nevet und Katharina Merkel neben vielen anderen einst Geflohenen in der Herklotzgasse und betrachten ihre eigenen Jugendfotos und Notizen hinter Vitrinenglas. Die Ausstellung „Das Dreieck meiner Kindheit“ versammelt die Erinnerungen an ihr Viertel. Sie bietet Einzelschicksale, in Form von Interviews zum Mithören oder von persönlichen Gegenständen, die die alten Herrschaften kofferweise zur Verfügung gestellt haben. Eine schöne Dokumentation von Grätzelgeschichte, die man sonst längst vergessen hätte.
Das Dreieck meiner Kindheit: 15., Herklotzgasse 21, bis 28.11., täglich außer Sa 10.00–18.00. Info: www.herklotzgasse21.at