Behinderte sollten im Hohen Haus nicht bloß Symbole sein

Parlament

Julia Ortner
Falter & Meinung, FALTER 45/2008 vom 05.11.2008

Dann war es nur noch einer: Unter den 183 Mitgliedern des neuen Nationalrats gibt es gerade noch einen Abgeordneten mit Handicap – obwohl etwa zehn Prozent der Österreicher behindert sind. Der FPÖler Norbert Hofer bleibt der zuständige Sprecher seiner Partei, seine grüne Kollegin Theresia Haidlmayer war nicht mehr auf der Kandidatenliste, Franz-Joseph Huainigg von der ÖVP hat das Mandat verfehlt.

Ein Symbol dafür, dass Behindertenpolitik den Parteien sowieso egal ist, schimpfen die Betroffenenorganisationen. Sie ärgern sich zu Recht. Schließlich haben Haidlmayer und Huainigg jahrelang um Verbesserungen für behinderte Menschen gekämpft und mit dem Gleichstellungsgesetz einen gewissen Fortschritt erreicht – dabei waren sie sicher fleißiger und fachkundiger als so manch andere Kollegen, die noch immer im Parlament sitzen. Doch ihre Anwesenheit hatte oft auch nur eine symbolische Funktion für den Rest der Fraktion: Wir sind so politisch korrekt, wir haben sogar einen Rollstuhlfahrer!

Behindertensprecher werden gerne auf ihre Rolle reduziert, Politik abseits ihres Fachbereichs traut man ihnen nicht zu. Genau hier liegt das Problem von „Symbolkandidaten“: Der Behinderte soll übers Pflegegeld und zu hohe Gehsteigkanten reden, aber nicht über das Budget. Die gebürtige Türkin ist per se Expertin für Kopftuch und Zwangsheirat, ihre Ideen zur Steuerreform interessieren aber kaum jemand. Selbst die größte Minderheit im Hohen Haus, die weiblichen Abgeordneten, sind oft auf typische Frauenthemen abonniert, Kinderbetreuung oder Altenpflege. Insofern könnte ausgerechnet der Blaue Hofer ein Vorbild sein: Er ist stellvertretender Klubobmann und Vizeparteichef.

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