Gelesen

Bücher, kurz besprochen

Politik, FALTER 45/2008 vom 05.11.2008

Zeitgeschichte, anders erzählt

Erste Republik, Austrofaschismus, Nationalsozialismus, Zweite Republik – nach dieser Einteilung lernten Generationen von Schülern österreichische Geschichte. Dass man die Ereignisse der letzten neun Jahrzehnte auch anders erzählen kann, zeigen die beiden Historiker Hannes Leidinger und Verena Moritz. Beide sind Jahrgang 1969 und stehen damit für eine neue Generation von Geschichtswissenschaftern, die nicht in Jahreszahlen, nicht in Marken wie Kriegsausbruch und Kriegsende denken, sondern versuchen, Längs- und Querschnitte durch die Zeiten zu legen und sich auch damit zu beschäftigen, warum und wie wir uns an gewisse Ereignisse erinnern. In ihrem jüngsten Werk „Die Republik Österreich“ versuchen sie beides. Anhand von essayistischen „Querschnitten“ nähert sich Leidinger Themen, die Österreich periodisch beschäftigten. Im Kapitel „Feindbilder“ zeigt er etwa, wie kontinuierlich die Abwehr gegen den „Osten“, in der Besatzungszeit dann umgewandelt in die Aversion gegen „die Russen“, zur heimischen Lebenskultur gehört. Ob der Antisemitismus tatsächlich in diese Ost-Metapher hineinpasst, oder vielleicht einen eigenen „Querschnitt“ verdient hätte, sei dahingestellt. Leidinger hält auch nicht immer den versprochenen essayistischen Tonfall durch, sondern verfällt in jenen klassischen Wissenschaftersprech, der deutsche Fachliteratur leider zu oft schwer genießbar macht. Ergänzt werden die von ihm verfassten Abschnitte durch „Augenblicke“ genannte Kapitel von Moritz. Ausgehend von einem Filmdokument nähert sie sich einem ganz konkreten Moment, etwa einem Ravag-Kinobeitrag über die Ermordung des austrofaschistischen Kanzlers Engelbert Dollfuß. So einleuchtend das Konzept, so zeitgemäß die Herangehensweise, wünscht man sich spätestens beim zweiten Augenblick eine beigelegte DVD, um die beschriebenen Beiträge sehen und hören zu können. Fazit: Ein gut gedachtes Buch mit modernem Ansatz, das in der Verwirklichung leider einige Schwächen hat.

  284 Wörter       2 Minuten

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