Kunstbeton
„Unter den im Grenzabschnitt befindlichen Personen eine männliche mit einem lebenden Braunbären“ Protokoll Grenzübergang Checkpoint Charlie vom 9.11.1989, 1.40 Uhr

Zeichnung: Bernd Püribauer
Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden.“ Diesen folgenschweren Satz mit der schönen Präpositionseigenheit unserer nördlichen deutschen Nachbarn verlas das DDR-Politbüromitglied Walter Schabowski bei seiner ersten Pressekonferenz am Abend des 9. November 1989. Was darauf folgte, ist Geschichte. Die ersten Löcher in die Berliner Mauer bzw. in den „antifaschistischen Schutzwall“ wurden schon wenige Tage nach der Öffnung der Grenzübergänge gerissen. Die Polizei von Berlin-West versuchte zwar halbherzig Souvenirjäger und professionelle Händler mit regelmäßigen Durchsagen von ihren Arbeiten abzuhalten („Unterlassen Sie sofort das Mauerklopfen“), doch der Erfolg war gering.
Als erster „Mauerspecht“ gilt der Kanadier John Runnings, der 1986 mit einer selbstgebauten Leiter vor laufenden Kameras die Mauer von Westberlin aus erklettert und die Mauerkrone mit einem Vorschlaghammer bearbeitet hat. Christoph Bouchet und Thierry Noir wiederum waren die ersten Künstler, die Anfang der 1980er-Jahre begannen, die Mauer mit großflächigen Gemälden zu entmystifizieren. Und gerade diese Teile mit Bemalung waren begehrter Gegenstand der mit Hammer und Meißel durchgeführten, inoffiziellen Teilabrisse. In den ersten Wochen versuchten die Grenztruppen noch, die so geschlagenen Löcher zu reparieren, doch mit 1. Juli 1990 wurde die Bewachung der Mauer eingestellt.
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Der offizielle Abriss der innerstädtischen Mauer endete am 30. November 1990, nur sechs Abschnitte, die als Mahnmal erhalten werden sollten, blieben übrig. Die Regierung beschloss, die Erlöse aus dem Verkauf von Mauerteilen dem Gesundheitswesen der Neuen Länder zuzuführen, und gründete eine eigene Verwertungsgesellschaft, die insgesamt 360 Stück der Berliner Mauer in Monte Carlo versteigerte. Der durchschnittliche Erlös pro Element lag bei 10.000 Euro. Einige Mauersegmente erwarb der US-Geheimdienst CIA für seinen Neubau in Langley, und auch in den Vatikanischen Gärten sind Teile mit der aufgemalten Sankt-Michaels-Kirche aufgestellt.
Jetzt haben Sanierungsarbeiten an dem als „East Side Gallery“ bekannten ehemaligen Mauerabschnitt begonnen. Kosten: 2,2 Millionen Euro.