Meinesgleichen
Aus der weiten Welt der Meinung
Der Schriftsteller Robert Schindel schrieb vor 25 Jahren anlässlich einer von der ÖVP Wien veranstalteten Ausstellung über Karl Lueger Folgendes: „Ich geh in die Lueger-Ausstellung und hab gleich genug. Mein Gefühl ist nicht unberechtigt. Sie beleidigen mich, die Nachfahren des schönen christlichen Karl.
Der Antisemitismus des Luegers wird in dieser Ausstellung zum Wirtschaftsantisemitismus verharmlost, als sei der ja gar nichts im Vergleich zum pathologischen Judenhass des Georg Schönerer. Wenn man den Antisemitismus vor seinen fatalen Folgen noch als Art Rüpelei des Zeitgeistes gleichsam entschuldigte, so kann doch nicht nach dem Holocaust in dieser feschen Gemütlichkeit weitergemacht werden. Schließlich wurde aus Schönerer und Lueger das Paar Stiefel, in dem Hitler steckte. (…)
Ich will mich jetzt nicht weiter darüber ausbreiten, was für Gefühle in mir ausgelöst werden, wenn ich die unkritische Inauguration eines Demagogen und Antisemiten zum Wahlhelfer des Erhard Busek anschaue. Aber es gehört schon zum Ambiente dieser Stadt, dass sie einen zentralen Platz und einen Teil des Ringes nach diesem Bürgermeister benannt hat, als wolle man ihn gleich zweimal ehren, erstens als größten Kommunalpolitiker und zweitens als großen Antisemiten.
Könnte man sich nicht begnügen, den Lueger-Platz an ihn erinnern zu lassen? Dem Lueger-Ring könnten wir doch den schönen Namen Sigmund-Freud-Ring geben.“
Quelle:
¦ Robert Schindel: Lueger – ein Denkmal?
In: Falter 8/1983, S. 9
Der Artikel erschien zur Ausstellung „Wien wird Weltstadt“ im ÖVP-Treff „Bunter Vogel“