Hundert Jahre Zeitausgleich
Befindlichkeitskolumne
Dramatiker Johannes Schrettle ist zwar kaum in Graz, dennoch weiß er immer was von dort zu berichten
Selbstüberschätzung führt zu Blasen
(irgendein Psychologe)
Studien bei Autofahrern, Aktienhändlern, Liebhabern und Schimpansen zeigen alle, dass eine gesunde Selbsteinschätzung ein großes Hindernis auf dem Weg zum Erfolg ist. Internetkontaktbörsen funktionieren so: Jeder Teilnehmer will jemanden finden, der ihm, was den objektiven Status betrifft (nach Andy Warhol kann man das einteilen nach Sexappeal, Geld und Ruhm), leicht überlegen ist, und sich so selbst aufwerten, weil er eigentlich ja sowieso nach oben gehört. So entstehen Blasen, die dann platzen, wenn die Krise sichtbar wird und sich das Prinzip umkehrt. Die Hybris wird dann zur Paranoia. Dann glaubt auf einmal jeder, dass er der letzte, sinnloseste Haufen Leben ist, der weit und breit auf Erden wandelt, und hat Angst, unter der Brücke zu landen. Dann geht er zu Magna Wiener Neustadt, versucht sich einen unbefristeten Mietvertrag in einer unattraktiven Wohnung zu checken und besorgt sich ein Kapitalsparbuch oder einen Sparstrumpf. Darunter leidet dann aber wieder der Markt und so weiter, und es schlägt die Stunde von Menschen, die Bücher schreiben wie reich-werden-in-der-krise.com oder Geldseminare geben, wo Menschen, die mehr als 4000 Euro im Monat verdienen, lernen können, dass es um eine existenzielle, spirituelle Sicherheit geht, die durch den Körper fließt, und dass man die kleinen Dinge schätzen soll. Zum Beispiel dass am 19.11. wieder Welttoilettentag ist.