Fantasiereisen einer stubenhockenden Epoche

FALTER:Woche, FALTER:Woche 48/2008 vom 26.11.2008

Imaginäre Reisen im Wien Museum Karlsplatz

Das Biedermeier gilt als Epoche der bürgerlichen Sehnsucht nach Ruhe, Häuslichkeit und Einkehr. So sehr auch "Cocooning" mit Hausmusik und Kaffeekränzchen angesagt gewesen sein mag, als Antithese zu dieser Rückzugstendenz herrschte eine große Neugier auf exotische Länder und Orte vor. Die Ausstellung "Zauber der Ferne" geht den Kopfreisen des 19. Jahrhunderts nach, deren Fantasie von technischen Erfindungen beflügelt wurde. Panoramen, Guckkästen, Laterna magica oder optische Zimmerreisen luden zu imaginären Fahrten in das "Innere Afrikas", auf den Vesuv oder gar auf den Mond ein.

In den Jahren zwischen 1776 und 1913 unternahmen österreichische Kriegsschiffe mehr als 100 Missions- und Forschungsreisen. In Wien wurde 1821 das Brasilianum gegründet, das Tiere, Pflanzen, Mineralien und ethnografische Objekte aus dem Land zeigte, in das Erzherzogin Leopoldine geheiratet hatte. Auch die Nordpolexpedition der habsburgischen Kriegsmarine ab 1872 kurbelte die Vorstellungskraft des Publikums an, das mit Erzählungen und Bildern aus dem ewigen Eis versorgt wurde.

Im frühen 19. Jahrhundert entwickelte sich der Tourismus, der zunächst in einer Flut von Reiseliteratur die Sehenswürdigkeiten fremder Länder anpries. Wer die Strapazen nicht in Kauf nehmen wollte, konnte sich London in der Panoramarotunde des Wiener Praters ansehen. Das "Kaiserpanorama" bot sogar dreidimensionale Ausblicke in weite Weltgegenden: Stereoskopische Verfahren, die zwei Bilder aus leicht variierenden Perspektiven simultan sichtbar machen, erzeugten den Eindruck von Nähe.

Die Schau versammelt optische Maschinen ebenso wie Plakate, Bühnenbildmodelle und Ausschnitte aus frühen Reisefilmen. Spezifisch lokale Vergnügen wie der Erlebnisparcours "Apollosaal" oder das Spektakel "Venedig in Wien", für das im Prater Kanäle angelegt wurden, werden dokumentiert.

Eröffnung: Mi 19.00, Wien Museum (bis 29.3.)

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