Farbenlehre

FALTER:Woche, FALTER:Woche 48/2008 vom 26.11.2008

„Mir wachsen fast stündlich ein paar graue Haare, da kann man zuschauen. Aber insgesamt tut es nicht weh“, sprach der SPÖ-Chefkeratologe Werner Faymann noch letzte Woche, als bei den Koalitionsverhandlungen vor allem die Grautöne funkelten. Das will natürlich noch kommentiert werden, bevor sich die Friseursinnung zu Wort meldet. Kopfhaare wachsen grundsätzlich ganz kontinuierlich, jeden Tag etwa 0,35 Millimeter. Das ergibt etwa einen Zentimeter pro Monat und zwölf Zentimeter im Jahr. Die Geschwindigkeit des Haarwachstums variiert mit dem Alter: In der Pubertät wachsen Haare 0,41 Millimeter, bei Werner Faymann sind es nur noch 0,32 Millimeter täglich.

Trägt der mittelblonde Mitteleuropäer circa 80.000 Haare auf dem Kopf, dann produziert er jeden Tag 25 bis 30 Meter Haar. Glücklicherweise – und da muss man Faymann einfach Recht geben – geht das völlig schmerzfrei vonstatten.

Die natürliche Haarlänge hingegen hängt von der Lebensdauer des Haarfollikels ab, der zwischen zwei und acht Jahren produktiv bleibt. Das reicht beim menschlichen Haupthaar für maximal einen Meter. Rekordlängen von mehreren Metern kommen nur durch Verfilzung zustande, bei denen die längst ausgefallenen Haare wie bei einem Wollfaden weiterhin zur Gesamtlänge beitragen.

Egal, graue Haare waren gestern, jetzt gibt es ein neues Regierungsteam samt frischlackierter Mannschaft. Aus unerfindlichen Gründen fällt mir dazu zuerst ein altes Gassenkinder-Gedicht ein: „Zwei Knaben saßen Arsch an Arsch und bliesen den Radetzkymarsch.“ Wobei der weitere Reim dann begründet, warum das Zwiegespann aus dem Takt kommt.

Aber da das hier eine elegante Tierkolumne ist, wird die Assoziation auf die feine Feuerwanze ausgedehnt. Auch diese rot-schwarz gefleckten Insekten kennt jedes Gassenkind, meist versammeln sie sich am Fuß großer Bäume, wo sie ihre Koalitions-, nein, Kopulationspartner finden. Das Auffällige daran ist die antagonistische Paarungsstellung, oder wie wiederum Gassenkinder sagen: Die hängen Arsch an Arsch zusammen. Der Penis des Männchens hat an der Spitze Haken, und so schleppt er auch noch nach der Samenabgabe das Weibchen eine Zeitlang mit sich. Im Alter ergrauen die Wanzen aber nicht, ihre Farbe ist und bleibt Rot-Schwarz.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!